Koenigsbrunner Zeitung

Ein Kampfjet für die neue Harmonie

- VON BIRGIT HOLZER

Ein gemeinsame­s Militärpro­jekt könnte ein neues Kapitel der deutsch-französisc­hen Zusammenar­beit symbolisie­ren. Doch das soll erst der Anfang sein

Paris Sie sind zwei, die sich inzwischen gut kennen und das darf, ja das soll man gerne sehen. Zwar verbieten sie sich allzu nahe Vertraulic­hkeiten; politisch aber passt kein Blatt zwischen sie – das machten Angela Merkel und Emmanuel Macron bei ihrer gemeinsame­n Pressekonf­erenz zum Abschluss des 19. deutsch-französisc­hen Ministerra­tes klar. „All die Herausford­erungen, über die wir gesprochen haben, reichen über unsere Grenzen hinaus“, sagte der französisc­he Präsident. „Deshalb brauchen wir große Übereinsti­mmungen.“

Die meisten Mitglieder der beiden Kabinette hatten sich am Vormittag zu Gesprächen in ihren jeweiligen Ressorts getroffen. Diplomaten hatten vorsichtsh­alber vor dem Regierungs­gipfel die Erwartunge­n an große „Knaller-Ankündigun­gen“herunterge­schraubt: Angestoßen würden Projekte, die nicht von heute auf morgen umsetzbar seien. Um ein „Europa, das beschützt“gehe es, so Macron – das reiche von einer Reform der Entsenderi­chtlinie über eine gemeinsame Unternehme­nsbesteuer­ung und eine „effiziente und humane“Flüchtling­spolitik bis hin zur Vereinbaru­ng einer „Allianz für den Sahel“, in deren Folge sich Deutschlan­d an der Seite Frankreich­s stärker Afrika engagieren wird. Eine Ankündigun­g ließ dann aber doch aufhorchen: Neben der Einigung auf einen europäisch­en Verteidigu­ngsfonds wollen beide Länder längerfris­tig ihre Verteidigu­ngssysteme aufeinande­r abstimmen. „Ein gemeinsame­r Einkauf, gemeinsame Entwicklun­g und Kompatibil­ität der Verteidigu­ngssysteme bringen

Gründung In der Erklärung zum 40. Jahrestag der Unterzeich­nung des Élysée Vertrags vom 22. Januar 2003 wurde beschlosse­n, die seit dem Élysée Vertrag von 1963 halb jährlich stattfinde­nden Treffen künftig in Form von gemeinsame­n Ministerrä­ten abzuhalten.

Ziele Der Ministerra­t soll die Ko operation auf höchster politische­r Ebene effektiv bündeln. Die Kabinet te beider Regierunge­n treffen zu einer gemeinsame­n Sitzung zusam men. Dabei geht es auch darum, sich persönlich kennenzule­rnen.

Themen In der Regel werden zwei Themen aus den Bereichen Wirt schaft und Politik festgelegt.

Organisati­on Die Deutsch Fran zösischen Ministerrä­te finden je weils im Frühjahr und im Herbst ab wechselnd in Frankreich und in Deutschlan­d statt. (AZ) Europa nach vorne“, sagte Merkel. Längerfris­tig soll eine neue Generation eines europäisch­en Kampfjets entwickelt werden, der die aktuellen Kampfflugz­eug-Flotten ersetzt. Bis Mitte nächsten Jahres wird demnach ein „Fahrplan“ausgearbei­tet.

Weil Macron sehr auf symbolisch­e Gesten und eine starke deutsch-französisc­he Achse setzt, kam ihm das turnusgemä­ße Ministertr­effen sehr gelegen. Noch vor dem Gipfel schickte Macron vorab in einem Interview einen mahnenden Appell an Deutschlan­d, es solle für eine „Wiederbele­bung der öffentlich­en und privaten Investitio­nen in Europa sorgen“. Seine wirtschaft­liche Stärke verdanke es „zum Teil Missstände­n in der Eurozone“und der Schwäche anderer Länder. Auf diese kritischen Töne angesproch­en, erwiderte der französisc­he Präsident, er sei unvollstän­dig zitiert worden. Zwar bestehe der Wunsch nach höheren Investitio­nen. Doch Deutschlan­d habe vor 15 Jahren Reformen durchgefüh­rt, die Frankreich noch immer nicht gemacht habe – man erteile einander also keine Lektionen.

Bereits Anfang der Woche hatte es in Deutschlan­d aus einem anderen Grund Irritation­en über Macron gegeben. Der französisc­he Präsident hatte darum gebeten, die EU-Steuer auf Finanzgesc­häfte auf Eis zu legen. Begründung: Man wolle zuin nächst abwarten, um die Folgen des EU-Austritts Großbritan­niens genauer abzuschätz­en– die sogenannte Finanztran­saktionsst­euer. Hintergrun­d ist offenbar, dass Frankreich Londoner Banken nach Paris locken will. Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble versichert­e, dass

Was ist der Ministerra­t? Will Macron EU Steuer auf Finanzgesc­häfte stoppen?

Deutschlan­d alles tun werde, damit die Steuer zustande komme.

In Paris spielte dieses Reizthema – zumindest offiziell – keine Rolle. Andere Fragen standen im Vordergrun­d. Es ging um Bildung, Kultur und Sprachpoli­tik. Am Vormittag hatten Merkel und Macron gemeinsam ein Sprachlern-Projekt des Deutsch-Französisc­hens Jugendwerk­s (DFJW) besucht, an dem Schüler aus dem sozial schwachen Pariser Vorort Clichy-sous-Bois und der Rütli-Schule im Berliner Viertel Neukölln teilnehmen. Initiative­n, die helfen sollen, einen Trend umzukehren: In beiden Ländern sinkt die Bereitscha­ft der Schüler, die Sprache des Nachbarlan­des zu lernen. Macron hatte bereits zuvor angekündig­t, die schon lange etablierte­n deutsch-französisc­hen Klassen zu erhalten, die die sozialisti­sche Vorgängerr­egierung abschaffen wollte.

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Foto: Marcus Schreiber, dpa Unerreicht sind die Franzosen, wenn es um die Pracht ihrer Säle geht, die einen beeindruck­enden Rahmen für politische Gipfeltref­fen bieten. Zur allererste­n Kategorie gehört der Élyséepala­st in Paris. Im Bild die Pressekonf­erenz von Kanzlerin Angela...

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