Ein Wald, der Geschichte schrieb
Siebentischpark, Siebentischwald, Stadtwald – wo befindet sich eigentlich was? Warum der rund zehn Kilometer lange Grünzug für Augsburg so wertvoll ist
Ein in mehrerer Hinsicht bemerkenswerter Grünzug beginnt nahe der Innenstadt und erstreckt sich rund zehn Kilometer in südlicher Richtung. Los geht es mit dem Siebentischpark, danach folgt der Siebentischwald. Dieser ist der nördliche Teil des Stadtwaldes. Hinter Siebenbrunn liegt der Haunstetter Wald als südlicher Teil des Stadtwaldes. Das heutige Stadtwaldgebiet teilten sich bis zum Jahr 1806 drei Staaten, nämlich die Freie Reichsstadt Augsburg, das Kurfürstentum Bayern und das Reichsstift St. Ulrich und Afra. Insbesondere das kurfürstliche Land war für Augsburg von enormer Bedeutung, da es sein Trinkwasser aus dortigen Quellen bezog. Dieses altbairische Gebiet westlich des Lechs rührte daher, dass hier der Fluss im frühen Mittelalter ein bis zwei Kilometer weiter westlich verlief. Grenzsteine und Kartenwerke aus fünf Jahrhunderten zeugen von regelmäßigen Streitigkeiten und nachfolgenden Vereinbarungen um Besitz- und Wasserrechte. Die Gemarkung Meringerau, das einst altbairische Gebiet mit dem kurfürstlichen Wald, kam im Jahr 1910 als erste Eingemeindung zur Stadt Augsburg. Dabei wurde die gleichnamige Gemeinde Meringerau zum Stadtteil Siebenbrunn. Die Gemarkung Haunstetten mit dem Haunstetter Gemeindewald, einst zum Reichsstift St. Ulrich und Afra gehörig, ist 1972 nach Augsburg eingegliedert worden.
Siebentischpark, eine erste Grünordnung
Schon bei der Roten-Tor-Umfahrung beginnen die Siebentischanlagen. Dieser Siebentischpark, wie er meist genannt wird, entstand in den Jahren 1874 und 1875. Mit dem langgezogenen Grünzug wurden die Stadt und der Siebentischwald verbunden. Es ging bereits um Städteplanung und Grünordnung. Augsburg mit seinen zahlreichen neuen Fabriken spürte damals stark die negativen Folgen der Industrialisierung.
Zum Siebentischpark-Konzept von Stadtbaurat Ludwig Leybold gehörten auch der Ausbau und die Bepflanzung der Baumgartnerstraße. So wurde bald der Spaziergang vom Roten Tor entlang der Allee und durch den neuen Landschaftspark in den Siebentischwald zu einem Sonntagsklassiker. Als beliebtes Ziel galt die im Krieg zer- Waldrestauration „Bei den sieben Tischen“südlich vom 1926 eingeweihten Stempflesee.
Im Siebentischpark selber eröffnete 1914 die Ausflugsgaststätte Parkhäusl. Der Schaezlerbrunnen markiert seit 1908 die Grenze zum Siebentischwald und erinnert an Edmund Freiherr von Schaezler. Er hatte großzügig für den Landschaftspark gespendet. Der heute 0,3 Quadratkilometer große Siebentischpark wird betreut von den städtischen Gärtnern des Amtes für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen.
Siebentischwald, dem Bischof abgekauft
Augsburg erwarb im Jahr 1602 von Bischof Heinrich von Knöringen den nördlichen Teil des heutigen Siebentischwaldes, die damalige Bischofsau. Diese erstreckte sich auf reichsstädtischem Territorium bis zum Grenzgraben.
Das dahinter liegende Land, die Meringerau, gehörte den bayerischen Kurfürsten. Sie verpachteten die Wiesen rund um den heutigen Stadtteil Siebenbrunn an Viehhändler. Diese päppelten dort die zahlbombte reichen Ochsen auf, die einst von Ungarn nach Augsburg zum Schlachten getrieben wurden. Die Namen des Siebentischwaldes und des Siebentischparks stammen vom Ursprung der Waldrestauration „Bei den sieben Tischen“. Der reichsstädtische Holzwart durfte bei seiner Diensthütte nur an sieben Tischen die Ausflugsgäste bewirten. Durch diese Nebentätigkeitsbeschränkung sollte er seine eigentliche Arbeit nicht vernachlässigen. Der heutige Siebentischwald entspricht dem Forstrevier Siebenbrunn. Es gliedert sich in 18 Waldabteilungen mit historischen Namen wie „Unterer Grenzkopf“oder „Holzwartskopf“.
Stadtwald, ein Teil der Welterbe Bewerbung
Seine heutige Größe von rund 22 Quadratkilometern erreichte der Stadtwald im Jahr 1972 nach der Eingemeindung von Haunstetten. Die ehemalige Wildflusslandschaft am Lech mit über 3000 Tier- und Pflanzenarten wurde bereits in den 1940er Jahren als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Nicht mehr aus Quellen, sondern aus zahlreichen Grundwasserbrunnen kommt seit 1879 das Augsburger Trinkwasser. Der Stadtwald steht unter der Obhut der städtischen Forstverwaltung. Sie muss Naturschutz, Trinkwasserschutz, Erholungsfunktion und Waldbewirtschaftung in Einklang bringen. Neben dem rund neun Quadratkilometer großen Forstrevier Siebenbrunn gibt es das rund zwölf Quadratkilometer große Forstrevier Haunstetten. Es umfasst den heutigen Haunstetter Wald. Dort bildete der Alte Floßgraben einst die Grenze zwischen der altbairischen Meringerau und dem Reichsstift St. Ulrich und Afra. Die Jagd- und Forstwirtschaft in der Meringerau sollte nach einem kurfürstlichen Erlass von 1765 mit einer schachbrettartigen Einteilung angekurbelt werden. Deshalb wurden schnurgerade Wege geräumt, also freigeschlagen, und mit dem Zusatz „Geräumt“benannt.
Diese Wegebezeichnungen spiegeln sich nun in den 19 Waldabteilungsnamen des Forstreviers Haunstetten wider, wie „Eulen-Geräumt“oder „Mondschein-Geräumt“. Neben der Stadt Augsburg gehört der Stadtwald teilweise den Stadtwerken wegen der Grundwasserbrunnen und der Bundesrepublik Deutschland wegen des ehemaligen Militärschießplatzes. Das System von mehr als 70 Kilometern Bächen und Kanälen im Stadtwald und auch im Siebentischpark soll dazu beitragen, dass die Augsburger Wasserwirtschaft ein Unesco-Welterbe wird. Eine ausgeklügelte Technik sorgte jahrhundertelang dafür, dass Quellwasser (wie im Brunnenbach) und eingeleitetes Lechwasser (wie im Lochbach) getrennt in die Stadt flossen. So beeindruckt der Galgenablass als erhalten gebliebene Wasserkreuzung.
ODer Autor Wilfried Matzke leitet das Geodatenamt, wie die kommunale Ver messungsbehörde in Augsburg heißt. Der Vermessungsingenieur beschäftigt sich besonders aus katastertechnischer und kartografischer Sicht mit dem Stadt wald. So gelten die erhalten gebliebenen Grenzsteine und Kartenwerke aus fünf Jahrhunderten als historisch herausra gend. Sie sind auch eine Folge der was sertechnischen Bedeutung dieses einsti gen Grenzgebietes. Sogar der Stadt baumeister Elias Holl ließ sich nicht neh men, den heutigen Stadtwald mit sei nen Bächen und Kanälen zu kartieren.