Koenigsbrunner Zeitung

Er liebt das Kontrastpr­ogramm

- VON BIRGIT MÜLLER BARDORFF

Im Sinfonieko­nzert der Philharmon­iker dirigiert Anthony Bramall Mendelssoh­n-Bartholdy und Wagner

Hier eine Lehár-Operette, dort Verdi und Puccini, dann Wagner oder Strauss und natürlich auch Mozart – der Dirigent Anthony Bramall ist das, was man im besten Sinne einen Allrounder nennen könnte, auch wenn der Begriff eher nach Turnschuh als nach ernsthafte­r Musik klingt. Trotzdem: Anthony Bramall ist Allrounder mit Leib und Seele, denn ihn interessie­rt eben nicht nur der eine Komponist, die eine musikalisc­he Richtung oder Gattung. „Mich fasziniert, was zur speziellen Sprache eines Komponiste­n gehört, was bei Brahms anders klingt als bei Schubert.“Das versuche er herauszuki­tzeln und zu verstehen. „Ich bin ein Stilist. Aus diesem Grund mache ich viel, und ich mache gern viel Unterschie­dliches“, sagt der 60-jährige Engländer.

Vor diesem Hintergrun­d ist auch das Programm des letzten Sinfonieko­nzertes der Saison zu verstehen, das Anthony Bramall am Montag und Dienstag dirigiert. Auf dem Programm stehen Mendelssoh­nBartholdy­s „Reformatio­nssinfonie“und Wagners sinfonisch­e Zwischensp­iele aus „ Parsifal“. Beide Stücke erzeugen ein sakrales Gefühl, „doch das könnte unterschie­dlicher nicht sein“,“macht Anthony Bramall deutlich. In der „Reformatio­nssinfonie“, die Mendelssoh­n-Bartholdy 1830 zum 300-jährigen Jubiläum der „Confessio Augustana“geschriebe­n hatte, entsteht das Sakrale aus einer analytisch­en Distanz heraus. „Mendelssoh­n kennt seinen Bach und weiß, wie man einen Choral komponiert“, stellt Bramall klar. „Das ist perfektes Handwerk.“Wagners „Parsifal“-Zwischensp­iele dagegen seien „klingende Dramaturgi­e – sehr, sehr sinnlich“, meint der Anthony Bramall. Wenn er dann noch erzählt, wie erhebend diese Musik für ihn ist, wie er darin aufgehen kann, weiß man, welches Stück ihm näher steht, obwohl er sich selbst als Analytiker bezeichnet. „Die beiden Kompositio­nen sind wie Kopf und Herz“.

Wagners „Parsifal“steht im Übrigen für Anthony Bramall von jeher in enger Verbindung mit Augsburg. 1985 kam er in die Stadt als musikalisc­her Leiter des Schauspiel­s und wurde schließlic­h Kapellmeis­ter unter dem damaligen Generalmus­ikdirektor Bruno Weil. Hier beschäftig­te er sich erstmals mit dem Werk und studierte es bei den Proben mit ein. „Ich habe „Parsifal“in Augsburg entdeckt und hier viel über Wagner gelernt. Das hat mich für meine weitere Arbeit geprägt“, hebt er hervor. Zugutegeko­mmen ist es ihm in seiner Laufbahn immer wieder: bei den eigenen Dirigaten des „Ring“, des „Parsifal“oder des „Fliegenden Holländer“, vor allem auch in den Jahren zwischen 2002 und 2008, als er Generalmus­ikdirektor des Badischen Staatsthea­ters in Karlsruhe war – „eine ausgesproc­hene Wagnerstad­t“, hat Anthony Bramall festgestel­lt.

Das Engagement am Stadttheat­er stand am Beginn seiner Karriere als Dirigent. Danach wirkte Bramall unter anderem am Landesthea­ter Coburg, der Staatsoper Hannover und zuletzt an der Oper in Leipzig. Dabei führte sein musikalisc­hes Wirken zunächst auf einen anderen Weg. In seiner Heimatstad­t London studierte er Gesang. Doch als er das Diplom, das er immerhin mit Auszeichnu­ng erhalten hatte, in der Tasche hatte, prophezeit­en ihm seine Lehrer, dass er als Sänger nicht glücklich werden würde. „Ich war damals am Boden zerstört“, erinnert er sich. Heute ist er glücklich, mit dem Dirigieren doch noch einen anderen Weg eingeschla­gen zu haben.

Der führt ihn ab der kommenden Spielzeit wieder nach Bayern, an das Gärtnerpla­tztheater in München, wo er Chefdirige­nt wird. Für einen Allrounder wie ihn, wenn man das unschöne Wort noch einmal gebrauchen darf, „genau das richtige Haus“. Bei der Eröffnungs­gala wird er dort einen Ausschnitt aus Stephen Sondheims Musical „Frogs“und einen musikalisc­hen Zusammensc­hnitt aus dem Film „Star Wars“dirigieren. Als erstes Bühnenwerk wird in München dann die „Die lustige Witwe“folgen. „Ganz weit weg von Wagner“, kommentier­t er diese Pläne und freut sich über das Kontrastpr­ogramm, das ihn in Zukunft erwartet.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Anthony Bramall war in den 80er Jahren als Kapellmeis­ter am Theater in Augsburg. Kommende Woche dirigiert er das letzte Sinfonieko­nzert der Philharmon­iker in die ser Saison.
Foto: Michael Hochgemuth Anthony Bramall war in den 80er Jahren als Kapellmeis­ter am Theater in Augsburg. Kommende Woche dirigiert er das letzte Sinfonieko­nzert der Philharmon­iker in die ser Saison.

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