Das Alphatier auf dem Kletterturm
Beim Poetry Slam in Graben gibt es Tolles zu hören. Doch etwas fällt gleich doppelt negativ auf
Graben Die Messlatte war hoch. Nachdem der erste Gräbinger Poetry Slam im Januar dieses Jahres sich als voller Erfolg bewies, trat das Organisationsteam um Patrick Frank und Jonas Biedermann an, um die Premiere zu toppen. Und dies ist eindrucksvoll gelungen. Dieses mal waren mit neun Textkünstlern sogar einer mehr am Start als im Januar. In drei Vorrundengruppen suchten sie Finalisten, die noch einmal auf die Bühne durften.
Mit Ezgi Sengin war auch ein bekanntes Gesicht dabei, sie war beim Auftakt schon auf der Bühne. Die Grundschullehrerin trug erneut einen sehr kritischen, aber starken Text vor. Schrammte sie bei der Premiere knapp am Finale vorbei, war auch diesmal die Entscheidung relativ knapp. In ihrer Dreiergruppe holte sich der Thüringer Flemming Witt mit seinem Text um seine Kindergartenliebe den Sieg.
Ähnlich knapp war es auch in der dritten Vorrundengruppe. Dort legte der Weißenburger Jens Hoffmann mit 45 von 50 möglichen Punkten ein sehr starkes Ergebnis vor. Hoffmanns sehr persönlicher Text „PS – ich liebe dich“begann romantisch mit dem Kennenlernen seiner Frau und endete dramatisch mit deren Ableben. Nicht wenige Zuhörer hatten danach feuchte Augen. Die Jenaerin Lisa präsentierte ihre in Textform gefassten Erlebnisse als Supermarktkassiererin, mal witzig, oft bissig. Doch ihre 44 Punkte reichten nicht zum Finaleinzug.
Den deutlichsten Gruppensieg fuhr Marcel Schneur ein. Der ebenfalls aus Jena angereiste Wortakrobat packte viel schwarzen Humor in seine Erlebnisse als chronisch Kranker im Wartezimmer ein.
Während die ersten beiden Gruppen noch in der lauen Abendluft im Freien auf dem Klettergerüst des Spielplatzes ihre Texte den Zuschauern vortragen durften, musste die letzte Gruppe wie auch das Finale im Jugendhaus stattfinden. Wind sorgte dafür, dass die gemütliche Atmosphäre „verflog“. Das war nicht die erste negative Wetterfolge. Denn es waren nur knapp 30 Zuhörer anwesend, was dem tollen Abendwetter und den vielen anderen Veranstaltungen in der Region geschuldet war.
Der Slam hätte in jedem Fall mehr Zuschauer verdient. In der Vorrunde waren alle Vorträge vom Feinsten, im Finale legten die drei Teilnehmer nochmals einen drauf. Jens Hoffmann brillierte und ließ seinem gefühlvollem Vorrundentext ein bittersüße Abrechnung vom Weltgeschehen folgen und sprach vom ärgerlichen „rumtrumpeln“. Marcel Schneur ließ es locker flockig angehen und führte ein imaginäres Selbstgespräch. Den Sieg holte sich Flemming Witt mit seiner Betrachtung der Jugend aus dem Blickwinkel eines Dokumentarfilms. Dabei beschrieb er das Eintreffen „eines neuen Männchens am Platz. Er wirft einen Blick auf die Weibchen, was dem anwesenden Alphatier gar nicht gefällt.“Mit dieser großartigen Darbietung ließ er die beiden anderen Finalisten hinter sich.