Warum der Rücken schmerzt und was dann hilft
Ein Spezialist aus Bobingen erklärt die verschiedenen Ursachen und die Behandlungsmöglichkeiten. Nicht immer ist dabei die Operation die erste Wahl
Herr Prof. Balkan Cakir, Sie haben sich als Wirbelsäulenspezialist und Chefarzt der Wertachkliniken in einer Forschungsarbeit mit der Frage beschäftigt, wann welche Operationsmethode tatsächlich sinnvoll ist. Wann sollte man bei Rückenschmerzen zum Arzt gehen und wann muss man ins Krankenhaus? Cakir: Grundsätzlich sollte man bei Rückenbeschwerden immer zum Arzt gehen. Denn dieser kann die Ursache feststellen und behandeln. Meist hilft eine konservative Therapie, also beispielsweise Medikamente und Krankengymnastik. In akuten Fällen muss auf alle Fälle zeitnah ein Arzt oder ein Krankenhaus aufgesucht werden. Insbesondere bei akut auftretenden Lähmungserscheinungen, dazu gehört auch die Blasen- und Mastdarmlähmung. An den Wochenenden und Feiertagen sowie am Feierabend und in der Nacht stehen dafür die Ärzte in den KVB-Bereitschaftspraxen und in den Notaufnahmen der Kliniken zur Verfügung. In der KVB Bereitschaftspraxis bei uns in der Wertachklinik in Bobingen steht den Ärzten im Notfall auch sofort die komplette Ausstattung und Kompetenz der Orthopädie- und UnfallChirurgie des Krankenhauses zur Verfügung.
Es gibt verschiedene Rückenoperations-Techniken. Wann wird welche Operationstechnik angewandt? Cakir: Mit der Dekompressions-OP entfernt man knöcherne sowie teilweise auch weichteilige, verdickte Bandstrukturen die den Wirbelkanal verengen und auf die Nerven drücken, die sich dort befinden, weil sie Schmerzen, Taubheitsgefühl und Lähmungen verursachen können. Bei der Bandscheiben-OP wird Gewebe entfernt, das aus der Bandscheibe ausgetreten ist und auf den Nervenstrang im Wirbelkanal drückt. Der klassische Bandscheibenvorfall also. Leider können Bandscheiben bis jetzt nur in seltenen Fällen durch Prothesen ersetzt werden. Je nach Symptomatik und Ausmaß des Verschleißes an den Wirbelkörpern muss deshalb manchmal die Wirbelsäule an dieser Stelle versteift werden, indem man die beiden Wirbel fest miteinander verbindet. Damit werden sowohl die Schmerzen an dieser Stelle also auch eine Schädigung der im Wirbelkanal verlaufenden Nerven vermieden.
Wie entstehen knöcherne Verengungen im Wirbelkanal und wann muss dort operiert werden? Cakir: Die knöcherne Verengung des Wirbelkanals tritt meist bei älteren Menschen auf; und zwar am häufigsten an der Lendenwirbelsäule und an der Halswirbelsäule. Im Rahmen des Alterungsprozesses kann es, individuell unterschiedlich, zu einer Höhenabnahme der Bandscheibe mit einer Vorwölbung in
Spinalkanal und zur Bildung von knöchernen Ausziehungen an den Wirbelkörpern kommen. Wenn dann noch eine Arthrose an den kleinen Wirbelbogengelenken hinzukommt, führt das zu einer sanduhrförmigen Einengung des Spinalkanals.
Die Symptome sind von Patient zu Patient sehr unterschiedlich und entsprechen nicht immer dem Ausprägungsgrad der Verengung. Typische Symptome sind Schmerzen in den Beinen, aber auch Rückenschmerzen, die belastungsabhängig sind und häufig beim Stehen und Gehen auftreten. Die Gehstrecke kann massiv eingeschränkt sein, bis auf weniger als 100 Meter. Die Symptomatik ist also ähnlich wie bei der sogenannten „Schaufenster-
krankheit“, der peripheren, arteriellen Verschlusskrankheit, die auf eine Durchblutungsstörung zurückzuführen ist. Aus diesem Grund empfiehlt es sich oftmals, auch einen Gefäßspezialisten zurate zu ziehen um eine Fehldiagnose zu vermeiden.
Wenn der Patienten trotzt konservativer Therapie über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten über massiv einschränkende Schmerzen klagt und sich neurologische Ausfallerscheinungen zeigen, kann man eine Operation in Erwägung ziehen.
Was genau ist ein Bandscheibenvorfall und wann muss dieser operiert werden? Cakir: Rückenschmerzen sind nicht gleich Bandscheibenvorfall. Desden
halb müssen erst einmal die tatsächlichen Ursachen der Beschwerden diagnostiziert werden. Wenn tatsächlich Bandscheibengewebe in den Wirbelkanal eingedrungen ist, gilt es genau abzuwägen zwischen dem Risiko und dem Nutzen einer Operation. Sind die Beschwerden tolerabel, sollte man mindestens zwei Monate abwarten, weil sich die meisten Bandscheibenvorfälle - zumindest teilweise - von selbst verkleinern.
Ist nach zwei bis drei Monaten keine Besserung eingetreten, empfiehlt es sich dennoch, je nach Leidensdruck des Patienten, insgesamt sechs bis acht Monate mit konservativer Therapie weiterzumachen. Wenn nach dieser Zeit immer noch keine richtungsweisende Besserung
eingetreten ist, sollte man eine Operation in Erwägung ziehen. Denn nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen verschlechtern sich die Operationsergebnisse, wenn man noch länger wartet.
Falls die Beschwerden jedoch so schwerwiegend sind, dass die Lebensqualität übermäßig eingeschränkt ist, kann natürlich auch schon früher operiert werden. Diese Entscheidung sollte der Patient individuell mit dem Arzt besprechen. Es gibt aber auch Fälle, in denen auf jeden Fall und zwar möglichst sofort, operiert werden muss. Das gilt beispielsweise dann, wenn es zu Blasenund Mastdarmlähmung kommt oder erhebliche muskuläre Schwächen auftreten, welche die Mobilisation des Patienten einschränken.