Laut wird sie nur selten
AfD-Sprecherin Dr. Alice Weidel erklärt in Königsbrunn, warum ihre Partei die Jugend so schlecht erreicht
Königsbrunn Die Spitzenkandidatin der Alternative für Deutschland (AfD) für die Bundestagswahl hat noch keine zwei Sätze ins Mikrofon gesagt, da wird sie schon unterbrochen. Nicht von den sieben Demonstranten der Jusos, die in Sichtweite des Trachtenheims Position bezogen haben und unter anderem „Refugees are welcome here“skandieren, sondern von einem eifrigen Tontechniker, der unbedingt Mikrofon und Leselampe anpassen will. Alice Weidel hält das nicht für nötig. Sie kündigt an: „Wenn ich erst auffahre, was glauben Sie, wie laut das hier wird!“
Tatsächlich aber wird sie nur selten laut, auch der Applaus der etwa 150 Zuhörer ist nur zwei, drei Mal lauter als etwa bei Blasmusik in diesem Saal. Dabei packt die schlanke Frau im dunkelblauen Hosenanzug durchaus rhetorische Hämmer aus. Schon eingangs stellt sie „ganz objektiv“ fest: „Ein Großteil des Volkes hat keine Lust mehr, dass dieses Land kaputtregiert wird!“
Um dies zu belegen, zeichnet sie ein düsteres Bild der Bundesrepublik, für das sie die „politischen Insolvenzverwalter“der etablierten Parteien verantwortlich macht. Die heftige Kritik an deren Migrationsund Flüchtlingspolitik zieht sich durch weite Teile der Rede. Beim Thema Innere Sicherheit rührt sie ohne Detailangaben mehrere Statistiken ineinander. So sei von 2005 bis 2016 der Anteil „ausländischer Tatverdächtiger“von 23 auf 40 Prozent gestiegen. Dabei habe die „letzte Volkszählung“einen Ausländeranteil von elf Prozent ergeben. Wann diese Zählung stattfand, sagt Weidel nicht. Dass viele dieser Straftaten mit dem Ausländerrecht zusammenhängen, lässt sie nicht gelten. Die AfD wolle einen unnachgiebigen Rechtsstaat und viel mehr Ausweisungen. In ihrer Passage gegen den „politischen Islam“zählt sie die weltweit schlimmsten Terroranschläge seit 1993 auf, um anschließend gegen aus der Türkei gesteuerte Moscheen und Verschleierung der Frauen zu wettern.
Im Abschnitt über die sozialpolitischen Vorstellungen der AfD stellt sie fest: „Die Lebensqualität leidet unter einem Übermaß an staatlicher Bevormundung.“Für sie ist die Ökostrom-Abgabe ein Beleg dafür, dass „die Armen für eine grüne Ideologie bluten“müssen. Sie kritisiert eine hohe Abgabenquote und die kalte Progression. Die AfD wolle deshalb die Bürger steuerlich entlasten – auch bei der Mehrwertsteuer.
Als in der Fragerunde ein Zuhörer Letzteres für „problematisch“hält, weil Besserverdienende ebenso profitieren, und gezielte Aussagen zur Entlastung sozial Schwacher im AfD-Programm vermisst, sagt sie lediglich, die Sozialsysteme würden vor allem durch „unqualifizierte Zuwanderung“belastet. Dann wettert sie gegen „Enteignung“durch die Null-Zins-Politik und eine „galoppierende Inflation“im Land. Spontan schiebt sie ein: „Ich möchte jetzt nicht, dass Sie depressiv werden.“Das nehmen viele im Saal mit Humor. Ein anderer Zuhörer berichtet von einem Infostand: „Die Jugend reagiert nicht auf uns oder zum Teil feindlich.“Ob hier mehr Populismus nötig sei? Die Positionen der AfD seien nicht so leicht zu begreifen, so die promovierte Betriebsund Volkswirtschaftlerin, „wenn man recht schlecht gebildet ist“. Dafür gibt sie „grün und links orientierten Lehrern“und einem „durch-genderisierten Bildungsplan“die Schuld. Viel Applaus erhält sie, als sie einen „Pisa-Test für Lehrer“fordert.
AfD-Kreisvorsitzender Alexander Merz verabschiedet Alice Weidel mit einem Blumenstrauß. Der sei in Anlehnung an ihre Person zusammengestellt, „von zart und zerbrechlich bis spröde und stachelig“.