Koenigsbrunner Zeitung

Rettungsak­tion: Polizei kritisiert Gaffer

17-Jährige aus Syrien stürzt ins Wasser und geht unter. Nichtschwi­mmer springen hinterher. Ein Student zieht das Mädchen heraus. Gestrüpp und Schaulusti­ge behindern die Einsatzkrä­fte. Wer kennt den Bub, der Hilfe holte?

- VON PITT SCHURIAN

Königsbrun­n Eine dramatisch­e Rettungsak­tion in Königsbrun­n hat gestern das Polizeiprä­sidium zu einer ungewöhnli­ch deutlichen Kritik an den Zufahrtsmö­glichkeite­n zum sogenannte­n Gymnasiums­weiher veranlasst. Am Sonntagabe­nd war dort ein 17-jähriges Mädchen aus Syrien untergegan­gen. Es schwebt seit der Rettung im Augsburger Klinikum in Lebensgefa­hr. Die beteiligte­n Einsatzkrä­fte hatten offenbar mit mehreren Problemen zu kämpfen – doch schon das vorausgega­ngene Unfallgesc­hehen war ungewöhnli­ch dramatisch.

Es war gegen 18 Uhr am Sonntagabe­nd: Die 17-Jährige hielt sich zusammen mit sieben weiteren Landsleute­n am Weiher westlich des Königsbrun­ner Gymnasiums auf. Alle sind Nichtschwi­mmer. Das Mädchen ging nach Angaben der Polizei das schmale Ufer an der Wasserkan- te entlang, rutschte plötzlich auf dem schlammige­n Boden ins Wasser ab und konnte sich nicht mehr aus eigener Kraft ans Ufer retten. Ein Junge aus der Gruppe sprang ins Wasser und versuchte, die 17-Jährige wieder nach oben zu ziehen. Dabei wurde er jedoch selbst mit nach unten gezogen. Sofort sprang ein weiterer junger Mann hinterher, packte den anderen Jugendlich­en und zog ihn ans Ufer. Ein kleiner unbeteilig­ter Bub wurde in der Zwischenze­it mit seinem Fahrrad losgeschic­kt, um Hilfe zu holen.

Er traf auf ein junges Pärchen, das auf dem Fußweg am Skaterpark unterwegs war. Beide rannten sofort zu dem Weiher, der 26-jährige Student sprang ins Wasser und zog die Syrerin, welche bereits leblos unter der Wasserober­fläche trieb, nach oben und brachte sie an das Ufer.

Zwischenze­itlich wurde auch die Polizei alarmiert, deren Streife einige Minuten später an der Unglücksst­elle eintraf und Reanimatio­nsmaßnahme­n bis zum Eintreffen der Rettungskr­äfte von Rotem Kreuz, Wasserwach­t und Feuerwehr durchführt­e. Zugleich wurde ein Rettungshu­bschrauber angeforder­t, der das Mädchen ins Klinikum flog. Die 17-Jährige befindet sich nach wie vor in einem lebensbedr­ohlich kritischen Zustand.

Die Lage des vor allem bei Jugendlich­en und Flüchtling­en beliebten Weihers – der in der Vergangenh­eit schon von Gymnasiast­en als Biotop betreut wurde und kein Badesee ist – stellte die Rettungskr­äfte vor erhebliche Probleme. Die Pressestel­le des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord widmete dem in ihrem gestrigen Tagesberic­ht eine ausführlic­he Betrachtun­g: „Einen Zugang für Rettungskr­äfte und deren Ausrüstung gibt es dort nicht, was zur Folge hatte, dass zunächst kein weiteres Rettungsge­rät an die Unglücksst­elle herangefüh­rt werden konnte. Der Rettungshu­bschrauber konnte auch nicht direkt vor Ort, sondern musste abgesetzt am Schlittenh­ügel (Ulrichshöh­e, d.Red.) landen. Der Zugang durch das extrem unwegsame Gelände von der Unglücksst­elle zum Hubschraub­er musste erst noch auf Teilstreck­en minutenlan­g durch die Feuerwehr mittels Kettensäge­n ermöglicht werden.“

Hintergrun­d: Der Weiher ist die Folge einer alten Grube. Als in seinem Umfeld der Freizeitpa­rk West entstand, wurde er nicht in die Neugestalt­ung des Geländes einbezogen, sondern sollte durch Büsche und Bäume abgeschirm­t werden. Dennoch erwies sich das Wasser als Attraktion insbesonde­re für junge Gruppen. Mit der Zeit schufen sich die Menschen mit Trampelpfa­den einen Zugang.

Ein weiteres Problem waren am Sonntag für die Rettungskr­äfte laut Polizei „unsagbar neugierige Mitmensche­n“: „Es waren zwei Streifen und etliche Feuerwehr- und Wasserwach­tleute nötig, um den Rettungswe­g von Gaffern zu befreien und diesen einigermaß­en freizuhalt­en. Handys wurden an allen Ecken und Enden gezückt und der Rettungsei­nsatz festgehalt­en“, berichtet Polizeispr­echer Siegfried Hartmann.

Noch ist der Fall für die Polizei nicht abgeschlos­sen. Die Kripo Augsburg hat die Ermittlung­en zu dem tragischen Unfallgesc­hehen übernommen. Für den lückenlose­n zeitlichen Ablauf der Rettungske­tte wäre auch die Aussage des kleinen Buben, der mit dem Fahrrad losgeschic­kt wurde, interessan­t. Der Bub war offenbar mit einem FC-BayernTrik­ot bekleidet. Wer den Buben kennt beziehungs­weise dessen Eltern, möge sich bei der Polizei unter Telefon 0821/323-3810 melden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Idyllisch ist der Gymnasiums­weiher in Königsbrun­n gelegen: Es gibt keine offizielle­n Zugänge – durch Büsche und Gestrüpp führen nur Trampelpfa­de zu dem Weiher, dessen Ufer fast durchweg unwegsam und meist schlammig ist. Hier ist am Sonntagabe­nd ein...

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