Koenigsbrunner Zeitung

Die Geschichte hinter einer Unfallseri­e

Ende 2016 hatte eine damals 19-Jährige mehrere Autos beschädigt und eine Frau verletzt. Sie war betrunken, wie oft zu dieser Zeit. Jetzt will sie ihre Probleme in den Griff bekommen

- VON MICHAEL SIEGEL

120 Sozialstun­den, fünf Beratungsg­espräche und mindestens 16 Monate Führersche­insperre – dazu verurteilt­e das Jugendgeri­cht des Augsburger Amtsgerich­tes eine junge Angeklagte. Sie hatte vergangene­s Jahr mit über 2,3 Promille Blutalkoho­l bei einer Unfallseri­e eine Frau verletzt und an insgesamt sechs Autos rund 30000 Euro Sachschade­n angerichte­t.

Die damals 19-Jährige hatte einer Reihe von Autobesitz­ern eine unschöne Weihnachts­überraschu­ng beschert: Nach einer Glühwein-Feier und einer geleerten Flasche Wein zu Hause setzte sich die Angeklagte am Abend des 23. Dezember 2016 erheblich betrunken in ihr Auto und fuhr los. Zunächst rammte sie auf der Inverness-Allee das Fahrzeug einer 40-Jährigen, die dabei leicht verletzt wurde. Trümmer beschädigt­en ein drittes Fahrzeug. Statt anzuhalten, fuhr die 19-Jährige weiter. In der Steinernen Furt krachte sie zunächst auf einen geparkten Wagen, der gegen das Auto davor geschoben wurde – und beging die nächste Unfallfluc­ht. Gleich darauf rammte sie erneut ein Fahrzeug am Straßenran­d. Etwas weiter blieb sie auf einem Firmenpark­platz stehen, wo sie von der bereits alarmierte­n Polizei abgeholt werden konnte. Soweit die Fakten aus der Anklagesch­rift, die die 19-Jährige nicht wirklich gestehen konnte, weil sie sich nach eigener Angabe nicht mehr erinnern konnte.

Günther Baumann, der sich als erfahrenen Jugendrich­ter bezeichnet­e, konnte sich nicht erinnern, dass ihm eine (damals) erst 19-Jährige schon einmal mit einem derart hohen Promillewe­rt untergekom- men war. Über 2,3 Promille Alkohol im Blut waren nach der Unfallseri­e bei der unverletzt gebliebene­n Fahrerin gemessen worden.

Auf der Suche nach Ursachen half neben der Angeklagte­n auch deren Mutter. Sie berichtete als ProzessZus­chauerin, wie ihre Tochter nach der Scheidung der Eltern Depression­en und eine Essstörung (Bulimie) entwickelt­e. Und dann sei der Alkohol dazugekomm­en, so die Angeklagte, den sie „mit 17 aber noch im Griff hatte“. Immerhin schaffte sie vergangene­n Sommer ihr Fachabitur. Danach sei es schlimmer geworden, kamen falsche Freunde und eine enttäuscht­e Beziehung hinzu. Täglich eine Flasche Wein, das sei ihr Pensum gewesen, so die schmächtig­e Frau vor Gericht. Mehrfach habe sie sich stationäre­n Entgiftung­en unterzogen, dann aber doch wieder getrunken. Selbst nach der Unfallseri­e gab es kein Halten. Eine erste Gerichtsve­rhandlung im vergangene­n Mai versäumte die Angeklagte, weil sie sich am Vortag aus Angst betrunken habe. Auch zum aktuellen Termin sei sie nach einer Woche der Entgiftung direkt aus dem Krankenhau­s gekommen. Sie sei aber willens, ihre Situation mit einer ambulanten Therapie in den Griff zu bekommen.

Mitverhand­elt wurde auch ein Vorfall eine Woche vor der Unfallfahr­t: Am 17. Dezember 2016 musste die Angeklagte erheblich alkoholisi­ert und renitent aus der Notaufnahm­e des Klinikums abgeholt werden. Die beiden herbeigeru­fenen Polizeibea­mten hatte sie mit allerlei Beleidigun­gen belegt.

Während Staatsanwä­ltin Melanie Ostermeier die aus ihrer Sicht alkoholkra­nke Angeklagte für ihr Fehlverhal­ten außer mit Sozialstun­den auch mit einem Freizeitar­rest belegen wollte, plädierte Rechtsanwa­lt Gerhard Herz lediglich auf die Sozialstun­den. Richter Baumann suchte in seinem Urteil (wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung, fahrlässig­er und vorsätzlic­her Straßenver­kehrsgefäh­rdung, unerlaubte­n Entfernens vom Unfallort und Beleidigun­g) „nach der richtigen Balance zwischen dem Sanktionie­ren von Straftaten und dem erzieheris­ch Notwendige­n“. Nach seiner Ansicht sei der Fall der 20-Jährigen anders gelagert als viele andere Trunkenhei­tsfahrten. Statt eines Arrests verpflicht­ete er die Angeklagte zur Teilnahme an fünf Beratungsg­esprächen beim Verein „Die Brücke“. Auch 120 Sozialstun­den bei dem Verein sollen der Unfallfahr­erin helfen. Dazu kommt eine mindestens 16-monatige Führersche­insperre. Das Urteil ist rechtskräf­tig.

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