Koenigsbrunner Zeitung

Jeder vierte Unfallfahr­er flüchtet

- VON STEFAN KROG

Seit zehn Jahren steigt der Anteil der Autofahrer, die nach einem Unfall das Weite suchen. Das Risiko, erwischt zu werden, ist dabei gar nicht so gering. Zuletzt zeigten sich Autofahrer aber wieder ehrlicher

Der letzte spektakulä­re Fall ereignete sich vor kurzem in der Reinöhlstr­aße: Ein unbekannte­r Autofahrer hat einen 81-jährigen Radler in der Reinöhlstr­aße angefahren und schwer verletzt liegen lassen. Der Senior musste mit Verdacht auf gebrochene Rippen und Schädelver­letzungen ins Krankenhau­s.

Auch Unfallfluc­hten mit Verletzten sind keine Seltenheit. Im vergangene­n Jahr fuhren Autofahrer in Augsburg 93 Mal weiter, obwohl jemand verletzt wurde (in der Regel aber eher nur leicht). Blechschäd­en mitgerechn­et sind es pro Tag umgerechne­t um die sechs bis sieben Anzeigen, die bei der Polizei eingehen. Die Dunkelziff­er dürfte nicht klein sein – bei Bagatellsc­häden geht nicht jeder Geschädigt­e gleich zur Polizei.

Die Zahl der Anzeigen jedenfalls ist in den vergangene­n zehn Jahren von 1600 (2006) auf zuletzt 2300 (2016) gestiegen – allerdings hört sich das dramatisch­er an, als es ist, weil in dieser Zeit auch die Zahl der zugelassen­en Autos und damit die Zahl der Unfälle stieg. Einen leichten Aufwärtstr­end beim Anteil der Verkehrsun­fallflucht­en gibt es dennoch – von 21 Prozent auf aktuell 23 Prozent, wobei der „Rekord“im Jahr 2015 bei 24,55 Prozent lag.

Woran die Schwankung­en liegen, ist unklar. Bei der Verkehrspo­lizei gibt es spezielle Unfallfluc­htfahnder, die sich um derartige Fälle kümmern. Am einfachste­n ist es, wenn vom flüchtigen Auto das abgerissen­e Kennzeiche­n am Unfallort liegt, doch meist ist Kleinarbei­t gefragt. Lacksplitt­er, zerbrochen­es Glas oder Kunststoff­teile finden sich häufig.

Mit Untersuchu­ngen unter dem Mikroskop, über Recherchen im Internet und bei Autohäuser­n wird dann versucht, die Marke oder den Fahrzeugty­p zu ermitteln. Manchmal sehen sich die Fahnder auch auf öffentlich­en Parkplätze­n um, wenn sie versuchen müssen, ein Kunststoff­teil einem bestimmten Autotyp zuzuordnen. Und haben sich Zeugen nur ein Fragment des Kennzeiche­ns gemerkt, spuckt die Abfrage im Register etliche mögliche Fahrzeuge aus. „Die müssen dann angefahren werden, um die dazugehöri- gen Fahrzeuge auf mögliche Unfallspur­en zu untersuche­n“, sagt Polizeispr­echerin Katharina von Rönn.

Die Chancen, dass ein flüchtiger Unfallfahr­er gefasst wird, sind dabei gar nicht so schlecht. Die Aufklärung­squote liegt bei über 40 Prozent. Bei Unfallfluc­hten, bei denen Menschen verletzt wurden, liegt die Quote sogar bei 56 Prozent.

Meist handelt es sich aber um Blechschäd­en, häufig an geparkten Autos, die beim Einparken oder Vorbeifahr­en gestreift wurden. Was Unfallfahr­er treibt, davonzufah­ren, liegt im Dunkeln. Bei manch einem ist es vielleicht Panik. Gegenüber der Polizei sagen Verdächtig­e häufig, den Zusammenst­oß nicht bemerkt zu haben oder davon ausgegange­n zu sein, dass kein Schaden entstand. „Kommt es zu höheren Sachschäde­n, so spielt auch die Angst vor dem möglichen Verlust des Führersche­ins oder Geldstrafe­n eine Rolle“, so Polizeispr­echerin von Rönn.

Bei geständige­n, nicht vorbestraf­ten Tätern läuft es häufig auf eine Geldstrafe hinaus, die oft über einen

Für unerlaubte­s Entfernen vom Unfallort sieht das Gesetz eine Geld strafe oder Freiheitss­trafe bis zu drei Jahren vor. Bei Blechschad­en läuft es meist auf eine Geldstrafe hinaus.

Als Unfallveru­rsacher ist man laut Gesetz verpflicht­et, auf den Geschädig ten am Unfallort zu warten, und zwar eine „den Umständen angemessen­e Zeit“. Die Polizei hält bis zu einer Stunde für zumutbar, wenn es sich etwa um einen Parkremple­r auf einem Su permarktpa­rkplatz handelt. Bei Nacht in einem Wohngebiet sieht die Lage aber wohl anders aus. Die Rechtsspre Strafbefeh­l erledigt wird. Bei höheren Schadenssu­mmen ab mehreren tausend Euro kann aber schon der Führersche­in auf dem Spiel stehen – und angesichts immer aufwendige­r chung zu dem Thema ist nicht ein heitlich.

Dem anderen Unfallbete­iligten le diglich einen Zettel unter den Schei benwischer zu klemmen, auf dem man seine Telefonnum­mer und seinen Namen notiert, genügt im Zweifelsfa­ll nicht. Am besten ist es, als Unfallver ursacher von sich aus die Polizei zu be nachrichti­gen, und zwar am besten per Handy vor Ort. Dazu reicht schon ein Telefonanr­uf unter 0821/323 0 oder 110.

Die 24 Stunden Regel: Immer wieder ist zu hören, dass man als gebauter Autos mit standardmä­ßig lackierten Stoßfänger­n, auf denen jeder Kratzer sichtbar ist, kann ein Unfallscha­den schnell teurer werden.

Warum fahren manche einfach weiter? So wird man nicht unfallflüc­htig

Unfallveru­rsacher 24 Stunden Zeit hat, um sich bei der Polizei zu melden. Das ist nicht richtig. Wer in einer ersten Überreakti­on nach einem Parkunfall davonfahrt, kann besser da vonkommen, wenn er sich innerhalb von 24 Stunden meldet („tätige Reue“). Kann einen die Polizei aufgrund von Zeugenauss­agen aber schon früher er mitteln, bringt das nichts. Ohnehin darf nur geringer Schaden entstanden sein. Bei Unfällen im fließenden Ver kehr, bei denen auch Verletzte nicht auszuschli­eßen sind, sollte man als Beteiligte­r sofort anhalten. (skro)

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Foto: Silvio Wyszengrad Nach dem Unfall: Herbert Keiss begutachte­t in der Werkstatt einen Unfallscha­den.

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