Deutsche Börse in Aufruhr
Neuer Wirbel um Aktienkäufe des Chefs
Frankfurt am Main Das Unternehmen „Deutsche Börse“ist in Aufruhr. Seit mehr als einem halben Jahr steht der Vorwurf im Raum, Konzernchef Carsten Kengeter habe Insiderinformationen zur geplanten Fusion mit der Londoner Börse LSE genutzt, um ein lukratives Aktiengeschäft zu tätigen. „Zu dem Thema sind noch viele Fragen zu beantworten“, heißt es im Umfeld des Aufsichtsrats. Nun soll es einen Deal mit der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens gegen Kengeter „ohne Auflagen“geben – so stellt es die Deutsche Börse dar. Im Gegenzug würde die Firma 10,5 Millionen Euro Geldbuße zahlen. Doch ganz so einfach liegen die Dinge offensichtlich nicht.
Nicht nur die Finanzaufsicht Bafin, auch die hessische Börsenaufsicht nimmt die jüngsten Erklärungen des Dax-Konzerns zu dem Thema genau unter die Lupe. Die Ankündigung der Börsenaufsicht sorgt in der Zentrale der Börse für Alarmstimmung. „Die Mitteilung klingt harmlos, birgt aber Zündstoff“, sagen Juristen. Die Aufseher prüfen, ob das Management der Deutschen Börse AG zuverlässig ist. Auch wenn die Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) gescheitert ist: Mit seiner Festlegung auf London als Sitz der geplanten Mammutbörse hat Kengeter in Frankfurt viel Kredit verspielt.
In der Belegschaft brodelt es. „Kengeter hat anfangs für viel frischen Wind gesorgt, aber wenig zu Ende gebracht“, sagen Mitarbeiter. Der einstige Investmentbanker umgebe sich mittlerweile vornehmlich mit Vertrauten. „Wir haben inzwischen eine Kultur, da wird Widerstand im Keim erstickt.“
Für Kopfschütteln sorgt auch, dass ein Finanzprofi wie Kengeter die Sprengkraft seines millionenschweren Aktiengeschäfts wenige Wochen vor Bekanntgabe der Fusionspläne mit der LSE unterschätzte. Am 14. Dezember 2015 kaufte Kengeter 60 000 Deutsche-Börse-Anteile im Wert von 4,5 Millionen Euro. Am 23. Februar 2016 machten Deutsche Börse und LSE ihre Fusionsgespräche öffentlich. Die Aktienkurse beider Konzerne stiegen. Sollte sich der Konzern die Einstellung des Verfahrens tatsächlich mit 10,5 Millionen Euro Geldbuße erkaufen, könnte eine Klagewelle folgen. Aktionäre könnten Schadenersatz fordern. Jörn Bender
und Daniel Schnettler, dpa