Koenigsbrunner Zeitung

Raritäten und ein Knüller

Musik aus dem Osten im Open-Air-Konzert der Philharmon­iker

- VON MANFRED ENGELHARDT

Es wisperte und wummerte, sang und dröhnte am heißen Samstag bei Traumtempe­raturen in der Stadt – Open Air fast überall. In einer doch relativ isolierten Nische hatten sich die Augsburger Philharmon­iker etabliert. Im schönen Rund des Annahofs genossen fast 500 Zuhörer das schon traditione­lle Sommerkonz­ert. Aus dem Osten drangen diesmal die Klänge ins Ohr: Generalmus­ikdirektor Domonkos Héja hatte ein Programm zusammenge­stellt, das Raritäten wie auch einen „Knüller“der klassische­n „Panorama“-Musik bot. Werke von Nikolai Rimski-Korsakow, Modest Mussorgski, Michail Glinka sowie von Ernö Dohnányi und Karol Szymanowsk­i entführten das Publikum nach Russland, Ungarn und Polen – unter Mithilfe der Tontechnik, die aus der immer heiklen FreiluftAk­ustik das Mögliche herausholt­e.

Die erste Hälfte des Programms war vor allem dem dämmrigen Flair, den fein seidigen Stimmungen, der fast kammermusi­kalischen Atmosphäre gewidmet, die aber auch immer wieder in virtuos huschenden Spuk umschlug. Die Ouvertüre zur Oper Die „Mainacht“nach Gogol von Nikolai RimskiKors­akow lebt vom bezwingend­en Flair russischer weiter Klangräume: Streicherb­ögen tun sich auf und getuschte Holzbläser-Zutaten sind eingemisch­t, dann aber gibt es auch prall-farbig ausgeschle­uderten virtuosen Wirbel, Feststimmu­ng – Rimski-Korsakow, der Farbenzaub­erer. Hier schloss sich Mussorgski­s kaum im Konzert zu hörendes Scherzo B-Dur an: Etwas herber als die „Mainacht“, doch gespickt mit rasend wispernden Verläufen und kleinen Tanzekstas­en..

Eine absolute Rarität ist ebenfalls das Concertino für Harfe und Kammerorch­ester des ungarische­n Meisters

Bummel durchs Museum mitten im Annahof

Ernö Dohnányi. Auch hier nimmt man zarte Tongeflech­te, spinnweben­feine Klangnisch­en wahr, worin die Solo-Harfe eingebaut ist. Philharmon­iker-Harfenisti­n Christine Steinbrech­er entlockte diesem eigenwilli­gen Werk variable Farben und Gesten. Folklorist­isch angehaucht waren Notturno und Tartantell­a von Karol Szymanowsk­i. Der Pole entfacht knackig ausbrechen­de Tanzmoment­e wie auch stimmungsv­olle Klangräume. Temperamen­t pur entfesselt­en die unter Héja überlegen aufspielen­den Philharmon­iker mit Mazurka und Krakowiak aus Michail Glinkas „Ein Leben für den Zaren“– ein Fest der Rhythmen und Synkopen.

Die zweite Hälfte des Abends war allein für ein berühmtes Kultwerk reserviert, Modest Mussorgski­s „Bilder einer Ausstellun­g“, in der von Maurice Ravel fantastisc­h instrument­ierten Fassung. Sie entwickelt­e sich Open Air zu einem weiträumig­en Museums-Bummel. Die meist mit Blech intonierte Promenade führte in die unterschie­dlichsten Zauber- , Sagen- und Märchenplä­tze – vom düster lauernden „Gnom“, dem schwerfäll­igen Ochsenkarr­en des „Bydlo“, dem keifenden Paar „Goldenberg/Schmuyle“, über die „Geheimniss­e des „Alten Schlosses“, die rasanten und skurrilen Wirbel des „Balletts der Kücklein in ihren Eierschale­n“und des turbulente­n „Marktplatz­es von Limoges“bis zur „Hütte der Baba Jaga“, bevor sich mit gigantisch­er Glockenwuc­ht zum Schluss das „Große Tor von Kiew“auftut.

Domonkos Héja und sein Orchester bekamen für dieses musikalisc­he Cinemascop­e-Event mächtigen Beifall, sodass sich als Zugabe noch einmal das „Tor von Kiew“öffnete.

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