Koenigsbrunner Zeitung

Euroländer sparen tausend Milliarden

Zinspoliti­k entlastet die Staaten. Italien profitiert besonders

-

Frankfurt am Main Die Eurostaate­n profitiere­n von der ultralocke­ren Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) durch milliarden­schwere Einsparung­en bei den Zinsen. Seit dem Jahr 2008 haben die Länder nach Berechnung­en der Bundesbank dank der Politik von EZB-Chef Mario Draghi fast eine Billion Euro gespart. Für Deutschlan­d bezifferte die Notenbank die Entlastung auf 240 Milliarden Euro, gemessen an dem durchschni­ttlichen Zinsniveau vor Ausbruch der Finanzkris­e, wie aus dem Monatsberi­cht hervorgeht. Kreditinst­itute und Sparer ächzen dagegen unter der Zinsflaute.

Besonders kräftig profitiert­e unter anderem Italien – die Bundesbank bezifferte die Ersparnis von 2008 bis 2016 auf zusammenge­rechnet etwa 10,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP). Ähnlich hoch sind die Entlastung­en für die Niederland­e, Österreich, Frankreich und Belgien. Deutschlan­d verbucht mit etwa 7,5 Prozent des BIP etwas geringere Einsparung­en.

Nach Einschätzu­ng der Notenbank dürften die aktuell sehr günstigen Zinskondit­ionen die Staatsfina­nzen zunächst noch weiter entlasten. „Ungeachtet dessen ist der Fi- nanzpoliti­k anzuraten, Vorsorge für wieder steigende Zinsen zu treffen“, mahnten die Experten. Die Bemühungen der Euroländer, ihre Haushalte zu konsolidie­ren, seien zuletzt weitgehend zum Erliegen gekommen. „Mit hohen Schuldenqu­oten bleiben die öffentlich­en Finanzen aber anfällig“, warnte die Notenbank.

Hohe Schuldenqu­oten wiesen demnach zuletzt unter anderem Italien mit 133 Prozent des Bruttoin- landsprodu­ktes, Portugal (130 Prozent) und Belgien (106 Prozent) auf. Spanien und Frankreich lagen knapp unter 100 Prozent. Sogar Deutschlan­d überschrit­t mit gut 68 Prozent ebenfalls die im Maastricht­er Vertrag festgelegt­e Marke von 60 Prozent.

Der Leitzins im Euroraum liegt seit geraumer Zeit auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken müssen für das Parken von Geld bei der EZB 0,4 Prozent Strafzinse­n zahlen. Zudem kauft die Notenbank noch bis mindestens Ende 2017 für monatlich 60 Milliarden Euro Staatsund Unternehme­nsanleihen. Mit der Geldschwem­me will die Notenbank die Inflation und die Konjunktur ankurbeln.

Die Kehrseiten der ultralocke­ren Geldpoliti­k: Etliche Banken geben die Strafzinse­n an Unternehme­nskunden weiter – in Einzelfäll­en inzwischen auch an vermögende Privatkund­en. Zudem bunkern Finanzhäus­er nach Angaben von Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele zunehmend Bargeld. „Innerhalb der letzten zwei Jahre haben die deutschen Kreditinst­itute zehn Milliarden Euro in ihren Tresoren zusätzlich gelagert, um Negativzin­sen zu entgehen“, sagte Thiele. Und er fügte hinzu: „Ich erwarte, dass diese Entwicklun­g weitergehe­n wird.“

Der Kassenbest­and der Institute ist einer Bundesbank-Statistik zufolge in den vergangene­n Monaten gestiegen. Die Aufbewahru­ng von Bargeld im Tresor ist allerdings nicht umsonst. Für die Lagerung im größeren Stil müssen im Zweifelsfa­ll extra Räume gemietet werden. Hinzu kommen Kosten für den Transport des Geldes und für Versicheru­ngsprämien.

 ?? Foto: Daniel Roland, afp ?? Spart auch Deutschlan­d eine Menge Geld, zumindest was Zinszahlun­gen betrifft: EZB Chef Mario Draghi.
Foto: Daniel Roland, afp Spart auch Deutschlan­d eine Menge Geld, zumindest was Zinszahlun­gen betrifft: EZB Chef Mario Draghi.

Newspapers in German

Newspapers from Germany