Auf diese Frau vertrauten fünf Intendanten
Doris Baumeister arbeitete 44 Jahre lang als Assistentin der Theaterleitung. Die Künstler kamen und gingen, sie aber blieb. Kurz vor ihrem Ruhestand verrät sie, warum sie dem Haus so lange die Treue hielt
Wer ins Büro des Indentanten möchte, kommt an Doris Baumeister nicht vorbei. Seit vielen Jahren sitzt sie im Vorzimmer der Theaterleitung, hat Künstler kommen und gehen sehen und bei jedem Wechsel gebangt: Wie wird man mit dem Neuen auskommen? Stimmt die Chemie? Sie stimmte offenbar immer: Baumeister arbeitete mit fünf Intendanten zusammen.
Die amtierende Prinzipalin, Juliane Votteler, hat nur lobende Worte für ihre „rechte Hand“: „Doris Baumeister lernte ich nach meiner Ernennung sofort als die kennen, als die sie alle kennen: als unglaublich freundlichen Menschen, patent, zugewandt, höflich und durch und durch kompetent.“Auch Tage, nachdem Votteler ihr für diese Eigenschaften einen Preis überreichte, ist Baumeister noch gerührt von Sätzen wie diesem: „Sie ist die Beste der Besten, die Feinste von allen.“Plötzlich stand sie auch einmal im Scheinwerferlicht, zumindest sprichwörtlich – dabei hatte Baumeister das nie angestrebt.
Ende Juli nun räumt sie nach über 44 Jahren ihren Schreibtisch im Theater. Man könnte sagen: Eine Institution geht in Ruhestand. Oder besser: die Seele des Theaters. 1972 begann Baumeister im Gartenamt der Stadt als Anfangskontoristin, im September 1973 kam sie zum Theater – und blieb. Die Intendanten (Stromberg, Thoma, Baumgardt, Peters, Votteler) wechselten, eine ist ihr immer treu geblieben: die Kugelkopfschreibmaschine von IBM, die auf einem Tisch im Büro steht.
Ein Leben oder gar eine Karriere im Theater, das hatte die 61-Jährige nie geplant. „Ich wollte Fachlehrerin für Steno, Schreibmaschine und Sport werden.“Doch damals änderten sich die Zugangsbedingen oft, und irgendwann begrub die gebürtige Augsburgerin den Traum und ließ sich auf das Abenteuer Theater ein – zumal sie bei der Stadt angestellt war und ihr ein sicherer Job fürs Leben garantiert wurde. Sicherheit ist ein Schlüsselwort im Leben der Doris Baumeister. „Ich kann es nicht erklären, aber die ist mir ungeheuer wichtig.“Dabei hat sie in ihrem Leben keine Katastrophen erlebt. Der Vater, mit dem sie gerne Skifahren ging, arbeitete als Prokurist, die Mutter war Hausfrau. Aufgewachsen als Einzelkind, hätte sie gerne Geschwister gehabt, an größere Ausbruchsversuche in der Jugend kann sie sich nicht erinnern. Ein ausgeglichenes Kind, das schon damals den perfekten Charakter für „das Irrenhaus Theater“besaß.
Wer von ihr Pikantes diverser Intendanten oder Mitarbeiter erfahren will, der beißt sich die Zähne aus. Über Menschen, die als extrem schwierig gelten, sagt sie: „Ich bin mit dem sehr gut ausgekommen.“Kein Wunder, Doris Baumeister attestieren die Kollegen viel Taktgefühl, eine ausgeglichene Art und keinerlei Drang, im Mittelpunkt stehen zu wollen. Das Schlimmste, was von ihr nach einer missglückten Premiere zu hören war: „Das war ein wenig schwierig.“Sie kennt alle Verträge, hat viele Jahre die kompliziertesten mit ausgearbeitet, den Kontakte zwischen Künstlern und Intendanz hergestellt, manchen Unglücklichen, der nicht verlängert wurde, getröstet. Kein Wort darüber in der Öffentlichkeit.
Trotz all des Lobes, das derzeit über sie hereinbricht, freut sich Baumeister auf ihr neues Leben. „Ich will raus aus dem Korsett.“Im August reist sie mit der Mama nach Lech, später mit Freunden nach Sri Lanka und Ligurien. Sie will wieder mehr lesen, wandern und ihren Garten in Pfersee hegen und pflegen. Bereut sie etwas in ihrem Leben? „Ich hätte gerne eine Familie mit Kindern gehabt“, doch das habe nicht geklappt. Dass es ihr in Zukunft langweilig werden könnte, befürchtet sie nicht. Sie freut sich auf eine Zeit, in der nicht der Terminstress, sondern das Vergnügen Regie führt. Und im Trakt des Intendanten? Ziehen mit André Bücker und Baumeisters Nachfolger diesmal gleich zwei neue Kollegen ein.