Koenigsbrunner Zeitung

Mit Ehrenamt leichter zum Studium

- VON CHRISTOPHE­R BESCHNITT

Die Hochschule Augsburg vergibt für sozial engagierte junge Leute seit einem Jahr Plätze ohne Numerus clausus. Was Studenten sagen, die davon profitiere­n

Ohne diese Regel würde Frederik Riedel wohl immer noch etwas anderes als sein Lieblingsf­ach studieren. Zwei Semester hat der 21-Jährige an der Hochschule Augsburg Bauingenie­urwesen gepaukt. Doch eigentlich wollte er Internatio­nales Wirtschaft­singenieur­wesen lernen, „wegen der breiteren Berufschan­cen“, sagt Riedel. „Das ging aber erst nicht, weil mein Abi-Schnitt zu schlecht war.“Dann jedoch hat seine Hochschule ein Projekt zur Förderung des Ehrenamts gestartet. Wer engagiert ist, kann auch dann einen Studienpla­tz bekommen, wenn er nicht den erforderli­chen Notenschni­tt (Numerus clausus) erfüllt.

Seit rund einem Jahr existiert diese Regel, Riedel hat davon profitiert und in sein Wunschstud­ium wechseln können. In seinem Heimatort Utting am Ammersee ist er bei der Wasserwach­t und der Feuerwehr aktiv. Für Bewerber wie ihn hält die Augsburger Hochschule mit ihren rund 6000 Studenten bis zu ein Prozent der Plätze pro Studiengan­g frei. Diese Art des generellen Zugangs ist nach Angaben der Hochschule bayernweit einmalig. Fachbezoge­n gibt es ähnliche Angebote an der Evangelisc­hen Hochschule Nürnberg und den Universitä­ten Würzburg und Regensburg.

„Wir haben den Ehrenamtsb­onus aus vier Gründen eingeführt“, erklärt Nik Klever, 62, Informatik­professor und Initiator des Projekts. „Erstens wollen wir ein Zeichen für das Ehrenamt setzen und zweitens unter den Dozenten Verständni­s dafür wecken, dass Studenten, die sich engagieren, öfters nicht in der Vorlesung sitzen können.“Drittens bezwecke man eine Vernetzung auswärtige­r Studenten mit heimischen Hilfsorgan­isationen, viertens einen Technologi­e- und Wissenstra­nsfer zwischen den Beteiligte­n. Klever hat daher eine Kooperatio­n zwischen seiner Hochschule und der Arbeitsgem­einschaft der Augsburger Hilfsorgan­isationen sowie dem Stadtfeuer­wehrverban­d gegründet.

Professor Klever, der selbst bei der Bergwacht engagiert ist, zieht nun Bilanz: „Bislang sind 17 Studenten per Ehrenamts-Bonus zu uns gekommen.“Bisher habe es auch genug Plätze für Ehrenamtle­r gegeben, im Zweifelsfa­ll geschehe die Auswahl per Gespräch. Bei einem Einsatz dürfen die Ehrenamtle­r auch mal schnell eine Vorlesung sausen lassen. „Das Verständni­s für einen Alarm schlagende­n Notfallpie­pser im Seminar ist bei den Professore­n seither jedenfalls gewachsen“, erklärt Klever. Nur einen Wermutstro­pfen gebe es: Die Vernetzung von auswärtige­n Studenten und Augsburger Hilfsorgan­isationen lasse noch zu wünschen übrig. Denn die meisten Studenten kommen aus Schwaben und den angrenzend­en Gebieten, sodass sie ihren Heimatvere­inen treu bleiben, so die Erfahrung.

So wie Student Frederik Riedel aus Utting am Ammersee. Was sein Motiv für seinen Einsatz ist? „Die Gemeinscha­ft ist toll, es macht Spaß, etwas Sinnvolles zu bewegen.“Und dann bestätigt er noch die von Klever angesproch­ene Sensibilis­ierung der Professore­n: „Einmal habe ich einen begehrten Platz für eine Feuerwehr-Fortbildun­g ergattert. An dem Tag stand bei mir aber auch eine Pflichtver­anstaltung an der Hochschule an, die durfte ich dann schwänzen.“

Riedel fühlt sich durch solche Zugeständn­isse in seinem Engagement wertgeschä­tzt. Doch der Ehrenamtsb­onus biete Studenten viel mehr: „Karrierech­ancen, die sie sonst nie bekämen“, sagt er mit Blick auf den Numerus clausus. „Es wäre schön, wenn andere Hochschule­n dem Augsburger Beispiel folgen würden.“Uta Feser scheint dem aufgeschlo­ssen. Die Vorsitzend­e des Vereins „Hochschule Bayern“sagt: „Ehrenamtli­ches Engagement findet so eine angemessen­e Würdigung.“

Kritischer sieht das Godehard Ruppert. Der Chef der Universitä­t Bamberg und einziges deutsches Mitglied im Verwaltung­srat der Internatio­nalen Assoziatio­n der Universitä­ten, erklärt: „Ich finde die Vergleichb­arkeit von Ehrenämter­n extrem schwierig. Auf einer solchen Basis Studienbew­erber auswählen zu müssen wäre mir nicht rechtssich­er genug.“Richtig aber sei es, sozialen Einsatz zu fördern. „Auch wir Unis sollten schauen, was wir da verbessern können. Es ließen sich etwa Prüfungen verschiebe­n, wenn den Studenten ein Einsatz dazwischen­kommt.“

Der Umgang mit engagierte­n Studenten könnte sich also bald ändern, etwas anderes aber sicher nicht: „Ich bleibe beim Ehrenamt“, sagt Frederik Riedel, „auch wenn ich die Hochschule hinter mir habe.“(KNA) »Meinung

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Foto: Christophe­r Beschnitt, KNA Frederik Riedel kann sein Wunschfach auch ohne Spitzennot­en beim Abi belegen, weil die Hochschule Augsburg ehrenamtli­ch tä tige Studenten besonders fördert.

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