Stickoxid: Wo die Werte zu hoch sind
An zehn von etwa 300 untersuchten Straßenabschnitten wird der Grenzwert überschritten. Betroffen sind Hauptverkehrsachsen, aber auch Innenstadtstraßen. Was die Stadt dagegen unternehmen will
In Augsburg ist an zehn von etwa 300 untersuchten Straßen zu viel Stickstoffdioxid in der Luft. Das geht aus einer Berechnung des Freistaats hervor. In München sorgt das Thema seit Wochen für enorme Aufregung, weil hier ein Viertel aller Hauptverkehrsstraßen zu stark belastet ist.
In Augsburg ist die Situation weniger dramatisch, aber auch hier wird der zulässige Jahresdurchschnittswert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft an mehreren Straßen überschritten. Die Karlstraße, wo das Landesamt für Umwelt auch eine Messstation betreibt, liegt seit jeher zu hoch. Fürs restliche Stadtgebiet wurde, ähnlich wie in München, eine Berechnung vorgenommen. Betroffen sind demnach auch der Leonhardsberg (wie in der Karlstraße 47 Mikrogramm), die Wertachstraße (nahe Arbeitsagentur) und ein kurzer Abschnitt der Frauentorstraße (beide jeweils 42 Mikrogramm). Betroffen sind außerdem die B17 (drei Abschnitte) und die Inverness-Allee sowie Sebastianund Stadtbachstraße (bei MAN/ UPM). Weil hier keine Wohnungen liegen bzw. die Überschreitungen innerhalb von Schallschutzwänden auftreten, sind diese Abschnitte rechtlich gesehen irrelevant. Im Fall von Stickoxiden ist es auch praktisch so, dass die Werte mit zunehmendem Abstand von Straßen recht schnell sinken und die Schadstoffe in die allgemeine Hintergrundbelastung übergehen. Ebenfalls recht hoch belastet, wenn auch unter dem Grenzwert, sind Teile von Haunstetter, Ulmer, Friedberger und Augsburger Straße.
Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) sagte am Montag, dass man davon ausgehen könne, dass die Berechnungen trotz des Dieselskandals wohl in etwa stimmen dürften. Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2015, als noch nicht bekannt war, dass die Autohersteller in großem Ausmaß bei der Einhaltung der StickoxidGrenzwerte getrickst hatten. „Insofern kann die tatsächliche Belastung an einzelnen Straßenzügen eventuell noch etwas höher liegen“, so Erben. Andererseits stimmten die Berechnungen für die Karlstraße, wo ja auch eine Messstation steht, mit den tatsächlichen Ergebnissen gut überein. Im vergangenen Jahr wurden an der Karlstraße 46 Mikrogramm im Durchschnitt gemessen. Feinstaub ist in Augsburg übrigens kein großes Thema mehr. Überschreitungen beim Tagesmittelwert treten noch an der B17 innerhalb von Schallschutzwänden auf. Die Karlstraße, vor zehn Jahren noch einer der schmutzigsten Orte deutschlandweit, halte die Grenzwerte inzwischen ein. Die Stadt überlegt zusammen mit der Regierung von Schwaben, wie man die Lage in der Karlstraße verbessern könnte. „Eine grüne Welle hat aber meist zur Folge, dass die Schadstoffe erst mal runtergehen, dann aber mehr Autos fahren und die Schadstoffe wieder steigen“, sagt Hans-Peter Koch, Leiter des Umweltamtes.
Was den Stickoxidwert betrifft, könnten Anwohner durchaus eine Klage gegen die Stadt anstrengen. Der Umweltverband Deutsche Um- welthilfe hatte dies in München zuletzt erfolgreich durchexerziert mit dem Ergebnis, dass dort über ein Fahrverbot für Diesel nachgedacht wird, wobei die Schadstoffbelastung dort deutlich höher ist. Auch im Hinblick auf mögliche Anwohnerklagen entschloss sich die Stadt vor einem Jahr, die Umweltzone zu verschärfen. 26 000 Autos aus der Region wurden damals ausgesperrt, auch wenn der prognostizierte Effekt minimal war. Vor Gericht könnte die Stadt aber sagen, alles getan zu haben, was in ihrer Macht steht, um die Schadstoffwerte nach unten zu bekommen.
In Augsburg möchte Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) ein Fahrverbot vermeiden. Die Stadt hofft wohl darauf, dass die Grenzwerte bis zum Jahr 2020 aufgrund von Flottenerneuerung der Autos und weiterer Maßnahmen – etwa der Förderung der Elektromobilität und dem Ausbau das Nahverkehrsund Radwegenetzes – eingehalten werden.
Nur für den Fall der Fälle, nämlich dass aufgrund einer Klage reagiert werden muss, will Gribl zusammen mit anderen Oberbürgermeistern aber, dass der Bund eine blaue Plakette einführt – damit wäre es möglich, weitere Dieselautos auszusperren. Es gebe aber keinen Grund für „Hysterie“– auf die Probleme habe man schon länger reagiert, etwa mit der Umstellung der Stadtbusse auf umweltfreundliches Bio-Erdgas. Gleichwohl prüft die Stadt, was eine blaue Plakette bringen könnte und welche Verlagerungseffekte dies bringen würde.
In welcher Form sich das Maßnahmenpaket des Freistaats in Augsburg niederschlagen könnte, ist noch unklar. Hier soll es Anfang August weitere Gespräche geben. „Nicht jede Kommune ist gleichermaßen betroffen“, so Gribl.
Schwerpunkt der Maßnahmen dürfte angesichts der Schadstoffbelastung aber die Landeshauptstadt München sein. Der Freistaat Bayern möchte neben Kaufanreizen für moderne Dieselautos und einer Nachrüstungsvereinbarung mit Autoherstellern wie berichtet unter anderem den öffentlichen Nahverkehr stärken, Maßnahmen zur intelligenten Verkehrssteuerung ergreifen und E-Mobilität und Radverkehr fördern. Denkbar ist laut Oberbürgermeister Gribl, bei Taxis Anreize für eine Umrüstung zu setzen und andere städtische Fahrzeuge (nur die Müllabfuhr fährt schon mit Erdgas) umzurüsten. »Kommentar