Koenigsbrunner Zeitung

Ihr Herzblut gehört den Schwächere­n

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Herta Füchsle engagiert sich seit 45 Jahren für soziale Anliegen in Bobingen. Als Betriebsrä­tin fing es 1972 an. Heute setzt sie sich vor allem für Senioren ein

Bobingen Herta Füchsle hat eine klare Lebenseins­tellung: „Wer anderen nicht hilft, dem wird irgendwann selbst nicht geholfen.“Für sie ist Aktivität im ehrenamtli­chen und sozialpoli­tischen Bereich eine Selbstvers­tändlichke­it. Aus dem Bauch heraus reagiert sie allerdings selten. Ihre Art sei eher besonnen, ruhig und sachlich, wie es einmal Bürgermeis­ter Bernd Müller ausdrückte. Und sie agiert bescheiden im Hintergrun­d. In den Vordergrun­d rückte sie jüngst, wie kurz berichtet, die schwäbisch­e Arbeiterwo­hlfahrt (AWO) mit dem Engagement-Preis 2017 aus.

Die 77-Jährige ist ein Mensch, der mitten im Leben steht. Sie sieht nicht alles als Gott gegeben an. Der Einzelne habe schon Möglichkei­ten, sich mit den Dingen auseinande­rzusetzen und sie zu ändern. „Doch nicht alle können zielgerich­tet aktiv agieren“, sagt sie. Hier springt Herta Füchsle ein und unterstütz­t die Schwächere­n in der Gesellscha­ft. Und sie scheut sich nicht, Probleme anzugehen.

Dabei gehört sie eher zu den Frohnature­n, ohne jedoch das Wichtige aus den Augen zu lassen. Sie packt an, will Ergebnisse. Ihr Einsatz für Menschen, die nicht auf der Sonnenseit­e des Lebens stehen, sei in den verschiede­nen Funktionen, die sie begleitet hat, gereift und schließlic­h Herzblut geworden, erzählt sie.

1958 kam sie, bedingt durch ihre Heirat, von Königsbrun­n nach Bobingen. Ein Jahr später fing sie bei der Hoechst AG im Produktion­sbetrieb der Fadenabtei­lung an. 1962 trat sie der Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau Chemie Energie bei. Zehn Jahre später wurde sie in den Be- gewählt. Diesem Gremium gehörte sie bis zu ihrer Pensionier­ung 1996 kontinuier­lich an. Dort setzte sie sich für Schwerbehi­nderte ein und für ausländisc­he Mitarbeite­r, um ihnen eine lebenswert­e neue Heimat und ein gutes soziales Umfeld zu bieten. Stark machte sie sich für die Lohnanglei­chung der Frauen. Diese sei vor 30 Jahren nicht einfach gewesen, erzählt sie. Da habe es mit der Männerdomä­ne harte Aus- gegeben. 1984 kandidiert­e Herta Füchsle als SPDBewerbe­rin für den Stadtrat. Den Einzug ins Gremium verpasste sie knapp. 1990 klappte es. Bis 2014 gehörte sie dem Stadtparla­ment an, anfangs als einzige Frau. Von 1996 bis 2008 saß sie zudem im Kreisrat. Sozialdemo­kratin wurde sie bereits 1965. Beweggrund dafür war unter anderem das Charisma des SPDVorsitz­enden und damaligen Regietrieb­srat renden Bürgermeis­ters von Berlin, Willy Brandt, der damals als Bundeskanz­ler kandidiert­e. Ihm traute sie zu, das Feindbild der beiden deutschen Staaten nachhaltig abzubauen.

Als Stadträtin trug sie dazu bei, die Integratio­n ausländisc­her Mitbürger zu fördern und Ängste und Probleme im Umgang mit fremden Kulturen abzubauen. Im Jahr 2000 gestaltete sie den ersten Internatio­einanderse­tzungen nalen Frauentag der Stadt Bobingen mit. Seitdem gibt es diese Veranstalt­ung vor Ort.

Bei der örtlichen Arbeiterwo­hlfahrt kämpft sie seit 1997 als Vorsitzend­e für die Belange der älteren Generation. Darüber hinaus war sie bei der Gründung einer Kurzzeitpf­legestatio­n im Krankenhau­s Bobingen maßgeblich beteiligt.

Für ihre soziale Einsatzber­eitschaft wurde sie bereits mehrmals belohnt. 1997 erhielt sie die renommiert­e Hans-Böckler-Medaille. Mit ihrer Verleihung werden besondere Verdienste im gewerkscha­ftlichen Bereich, vor allem ehrenamtli­ches Engagement, gewürdigt. 2008 zeichnete Bundespräs­ident Horst Köhler sie mit der Verdienstm­edaille des Verdiensto­rdens der Bundesrepu­blik Deutschlan­d aus.

Sport mit Granaten und Kalaschnik­ow

Bleibt bei so vielem Einsatz noch Zeit für etwas anderes? „Ich reise sehr gerne“, gesteht Herta Füchsle. Ein noch anzusteuer­ndes Traumziel sei Island. Auch der Sport ist ein Steckenpfe­rd. Noch heute betreibt sie regelmäßig Gymnastik. „Als ich von 1985 bis 1988 jährlich einige Monate betriebsbe­dingt in Russland war, machte ich dort das Sportabzei­chen“, erinnert sich Füchsle. „Unter den Diszipline­n waren Granatenwe­itwurf und Schießen mit der Kalaschnik­ow auf 25 Metern.“

Bei ihrem ehrenamtli­chen Einsatz kommt ihr vor allem zugute, dass sie kein Blatt vor den Mund nehme. Wichtig sei, Stillstand und Lethargie zu überwinden und eine konstrukti­ve Auseinande­rsetzung mit dem jeweiligen Problem anzustrebe­n, betont die 77-Jährige. Hinzu komme, dass Frauen oft die Gabe haben, neue Perspektiv­en zu öffnen.

 ?? Foto: Siegfried P. Rupprecht ?? Herta Füchsle engagiert sich seit über 50 Jahren zum Wohl der Gesellscha­ft. Ihr Herzblut gehört vor allem den Schwächere­n. Ih nen gibt sie Stimme und Rückhalt.
Foto: Siegfried P. Rupprecht Herta Füchsle engagiert sich seit über 50 Jahren zum Wohl der Gesellscha­ft. Ihr Herzblut gehört vor allem den Schwächere­n. Ih nen gibt sie Stimme und Rückhalt.

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