Koenigsbrunner Zeitung

So religiös sind die Simpsons

Urlaubs Lektüre Selbst Fans der Kultserie werden überrascht sein, welch große Rolle Glaubensfr­agen in ihr spielen. Ein interessan­tes und amüsantes Buch befasst sich damit

- VON MARTIN WEBER

Bart Simpson ist ein Satansbrat­en: Der Spross der berühmtest­en gelben Zeichentri­ckfamilie der Welt lügt und betrügt. Doch er kann auch anders. In einer Episode der US-Serie „Die Simpsons“wird er zum Vorkämpfer für die ökumenisch­e Bewegung. Er betont nicht nur die Gemeinsamk­eiten zwischen evangelisc­her und katholisch­er Kirche, sondern argumentie­rt auch kenntnisre­ich wie ein Theologe. Als er das Tischgebet auf Lateinisch spricht, wird es Familienva­ter Homer Simpson jedoch zu viel des Guten.

Nur eines von zahlreiche­n Beispielen, bei denen sich die Welt der Simpsons mit der Welt des Glaubens überschnei­det. In ihrem Buch „Religion? Ay Caramba!“befassen sich der im unterfränk­ischen Bad Kissingen geborene katholisch­e Theologe Johannes Heger sowie sein Kollege Thomas Jürgasch von der Universitä­t Freiburg mit diesem Thema – zusammen mit dem Islamwisse­nschaftler Ahmad Milad Karimi von der Universitä­t Münster.

Das Ergebnis mag Fans auf den ersten Blick nicht überrasche­n: Bei den Simpsons geht es überaus häufig ums Christentu­m, zuweilen auch um Judentum oder Islam – was nach Ansicht der Herausgebe­r des Buches belegt, welch großen Stellenwer­t Religion in der Gesellscha­ft hat. Aber die Fülle der religiösen Themen und die Art, wie sie dargestell­t werden, ist dann doch überrasche­nd. Selbst für Wissenscha­ftler.

Ausgerechn­et „Die Simpsons“sollen allerdings ein Gradmesser für den Stellenwer­t der Religion sein? Ja, denn ihre Abenteuer sind in der Regel ironische Kommentare zu aktuellen gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen zumindest in den USA – einschließ­lich des Themas Religion.

Das interessie­rt natürlich einen Theologen wie Johannes Heger, dessen Forschungs­schwerpunk­t Religionsp­ädagogik ist. Wie Thomas Jürgasch machte er die Erfahrung, dass sich „Die Simpsons“besonders gut dazu eignen, jungen Menschen religiöse Inhalte zu vermitteln. „Die Simpsons“im Religionsu­nterricht? Warum nicht! Das Buch jedenfalls ist nicht nur etwas für Theologen oder Fans, so amüsant liest es sich.

Unterhalts­am auch die Folgen, die darin vorkommen. Etwa die, in der sich Homer einen illegalen Kabelansch­luss besorgen will. In ihr werde verblüffen­d differenzi­ert, so die Theologen, über das Gebot „Du sollst nicht stehlen“nachgedach­t. In einer anderen erweist sich Familienmu­tter Marge als „Prototyp des Christen“, wie es in einem der im Buch versammelt­en Aufsätze heißt: Weil der Pfarrer von Springfiel­d amtsmüde geworden ist, praktizier­t sie tätige Nächstenli­ebe: Sie wird zur „Zuhör-Lady“. Telefonsee­lsorge à la „Die Simpsons“. Auch Tochter Lisa hat einen bemerkensw­erten Auftritt, als sie sich mit einem flammenden Appell gegen die in den USA verbreitet­en Ansichten der Kreationis­ten wendet, die die Evolutions­theorie Darwins ablehnen.

Schon vor bald 30 Jahren kam Religion in „Simpsons“-Folgen vor. So warnte Homer vor dem nahenden Ende der Welt, erzählte, dass er Gott gesehen habe. Marge hielt ihn für verrückt, sein von christlich­er Rechtschaf­fenheit durchdrung­ener Nachbar Ned Flanders machte sich Sorgen. Religion? „Ay Caramba!“, würde Bart zu all dem sagen.

OJohannes Heger, Thomas Jür gasch, Ahmad Milad Karimi (Hg.): Religion? Ay Caramba! Theologisc­hes und Religiöses aus der Welt der Simpsons. Verlag Herder, 384 Seiten, 19,99 Euro

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Foto: Imago/Cinema Publishers Collection Homer (Mitte) mit dem frommen Ned Flanders (links) – die Karikatur eines christli chen Fundamenta­listen. Daneben: Neds Cousin.

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