Koenigsbrunner Zeitung

Warum Freunde so wichtig sind

Interview Was unterschei­det Freundscha­ften von Partnersch­aften? Wie viele Freunde haben wir im Schnitt? Und: Können Männer und Frauen nur Freunde sein?

- Wolfgang Krüger ist Psychologe und Psycho therapeut in Berlin. Buch: „Freundscha­ft: beginnen – verbessern – gestalten“.

Herr Krüger, am Sonntag ist der Internatio­nale Tag der Freundscha­ft. Sie beschäftig­en sich seit Jahren mit den Themen Freundscha­ft, Liebe und Beziehunge­n. Warum genau sind Freundscha­ften so wichtig? Wolfgang Krüger: Wir haben zwei Schwachpun­kte im Leben – Einsamkeit und Unsicherhe­it. Wir brauchen nicht nur eine Partnersch­aft, sondern ein soziales Dorf. Gerade in Krisenzeit­en brauchen wir auch die Anerkennun­g und die Rückmeldun­g von Freunden. Wir leben in einer Zeit, in der die Bedeutung von Freundscha­ften von Jahr zu Jahr wächst. Denn wir wollen Beziehunge­n haben, die gleichzeit­ig verlässlic­h sind und frei gewählt.

Wie viele wirklich gute Freunde hat ein Mensch? Krüger: Wenn es hochkommt: drei. Darüber hinaus pflegen wir rund zwölf Durchschni­ttsfreunds­chaften.

Durchschni­ttsfreunds­chaften? Krüger: Das sind Menschen, die man zum Geburtstag einlädt und die ein bisschen mehr über einen wissen. Alles andere sind Bekannte mit einer gewissen Form von Innigkeit wie Nachbarn oder Kollegen.

Hängt die Anzahl der Freunde mit dem Lebensalte­r zusammen? Krüger: Es gibt das grundsätzl­iche Phänomen, dass die Anzahl der Freundscha­ften ab dem 23. Lebensjahr ständig sinkt. Wir gehen davon Wolfgang Krüger, Psychologe und Autor

aus, dass wir alle zehn Jahre einen Freund verlieren und keinen neuen hinzugewin­nen. In den frühen Jahren mit Schule, Ausbildung oder Uni begegnen uns viele Menschen, die noch nicht gebunden und auf der Suche nach Freunden sind.

Und später? Krüger: Je älter wir werden, desto mehr Verankerte treffen wir – Menschen in Partnersch­aften oder mit festen Freundeskr­eisen. Da wird es schwierige­r, andere zu gewinnen. Doch je älter wir werden, desto qualitativ besser werden Freundscha­ften auch, weil wir an Menschenke­nntnis dazugewinn­en, an Toleranz und an Humor.

Woran scheitern Freundscha­ften? Krüger: Freundscha­ften sind immer nur die kleine Schwester der Liebe, für sie ist weniger Zeit und Fantasie reserviert. Sobald es Konflikte gibt, sind viele ratlos. In Partnersch­aften haben wir Modelle dafür – bis hin zu Geigen am Strand. Bei Freundscha­ften gibt es meist einen sehr hehren Anspruch, aber der Alltag sieht anders aus. Nur 70 Prozent der Freunde reden über ihre Partnersch­aften, nur 50 Prozent über Sexualität und nur 30 Prozent über Geld. Und das größte Problem von Freundscha­ften ist Langeweile.

Im Filmklassi­ker „Harry und Sally“heißt es: Männer und Frauen können keine Freunde sein. Da kommt immer der Sex dazwischen. Stimmt das? Krüger: Eine Freundscha­ft zwischen Männern und Frauen funktionie­rt, wenn eine von drei Voraussetz­ungen da ist: Er ist in einer festen Bindung und erotisch erfüllt. Sie ist nicht sein Typ oder eine Frau, die vom Verhalten her kameradsch­aftlich ist. Oder es geht, wenn Männer in der Lage sind, intensive Gespräche herzustell­en – aber das ist leider selten. In den meisten anderen Fällen werden es Männer immer probieren, bis zum Frühstück zu bleiben.

Was unterschei­det heute von früher? Krüger: Früher war Freundscha­ft hoch oben in den Wolken angesiedel­t. Heute gehen wir konkreter und offener an sie ran. Viele Menschen fragen sich: Würde dieser Mensch für mich da sein, wenn ich krank bin? Und gute Freunde wagen heute auch persönlich­e Fragen wie: Sag mal, bist du eigentlich glücklich? Noch vor 30 Jahren waren die Deutschen da viel vorsichtig­er.

Interview: U. von Leszczynsk­i, dpa

Freundscha­ften

„Freundscha­ften sind immer nur die kleine Schwester der Liebe.“

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