Koenigsbrunner Zeitung

Parteifreu­nde wegen Betrugs angeklagt

- VON JÖRG HEINZLE UND STEFAN KROG

Städtische Arbeiter sollen auf dem Nordfriedh­of in die eigene Tasche gewirtscha­ftet haben. Die Ermittler gehen davon aus, dass ihr Chef ihnen dabei sogar half. Was das Strafverfa­hren mit der Augsburger CSU zu tun hat

Mit dem Bezirkspar­teitag wollte die Augsburger CSU beweisen, dass die Zeit von Streiterei­en und Affären endgültig vorbei ist. Parteichef Horst Seehofer war da. Er sprach am Dienstagab­end von einem „fast nicht zu überbieten­den Maß an Geschlosse­nheit“. Doch es dauert keine zwölf Stunden, bis das Bild wieder Risse bekommt. Am Mittwochmo­rgen, um 8.31 Uhr, verschickt Oberstaats­anwalt Matthias Nickolai per E-Mail eine Pressemitt­eilung. Betreff: die Friedhofsa­ffäre. Es ist eine Affäre, die für die CSU zur einer Belastung werden kann.

Es geht um mutmaßlich­en Betrug, Unterschla­gung und um beste Kontakte unter Parteifreu­nden. Die Staatsanwa­ltschaft hat Anklage gegen fünf städtische Mitarbeite­r des Nordfriedh­ofs erhoben. Vier Arbeitern wird vorgeworfe­n, sie hätten unter der Hand Aufträge für Grabarbeit­en angenommen – gegen Bares. Den Ermittlung­en zufolge geschah das während der normalen Dienstzeit. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass der Friedhofsv­erwalter die Geschäfte duldete und seine Arbeiter teils sogar unterstütz­te. Deshalb ist auch er angeklagt.

Für die CSU ist das unangenehm. Denn bei dem Verwalter handelt es sich um Gerd Koller, 65. Er hat sich erst vorige Woche zum Vorsitzend­en des Innenstadt-Ortsverban­ds der Augsburger CSU wählen lassen. Es handelt sich um einen der mitglieder­stärksten Verbände. Das Amt wurde frei, weil Stadtrat Thorsten Große Machtkämpf­e in der Partei verloren hatte und nicht weitermach­en wollte. Koller ist nicht der Einzige, der im Vorstand der Innenstadt-CSU sitzt – und gleichzeit­ig unter Verdacht steht, die Stadt betrogen zu haben. Auch weitere Friedhofsa­rbeiter, die an den Geschäften beteiligt gewesen sein sollen, wurden am vergangene­n Freitag in das Gremium gewählt.

Das Verhältnis zwischen dem Verwalter und den beschuldig­ten Mitarbeite­rn gilt als eng. Es gibt nicht nur Fotos, die alle bei einem fröhlichen Betriebsau­sflug in den Dolomiten zeigen. Der Chef und seine Mitarbeite­r sind auch in der CSU engagiert und dort gut vernetzt. Sie sollen bei der Kommunalwa­hl 2014 fleißig Plakate für die CSU aufgehängt haben. Und sie wurden als Delegierte zu wichtigen Wahlen geschickt. Parteiinte­rn werden sie dem Lager um den einflussre­ichen CSU-Stadtrat Rolf von Hohenhau zugerechne­t. Dieses Lager gilt inzwischen aber als geschwächt. Augsburgs CSU-Vorsitzend­er Johannes Hintersber­ger will sich bislang nicht dazu äußern, wie die Partei mit der Anklage gegen die Mitglieder umgeht. Von Gerd Koller ist zu hören, dass er mit der Anklage nicht gerechnet habe, weil er nach wie vor der Ansicht sei, er habe „nichts Unrechtes“getan. Aus seinem Umfeld heißt es, er wolle mit den Behörden kooperiere­n.

Es ist ein privater Ermittler, der die mutmaßlich­en Schwarzges­chäfte der Parteifreu­nde auf dem städtische­n Friedhof aufgedeckt hat. Der Hans Schiesser hatte einen Auftraggeb­er aus der Branche, der überzeugt war, dass auf dem Friedhof nicht alles korrekt läuft. Der Detektiv schaute sich deshalb dort um. Er plauderte mit einem Arbeiter, der als Schlüsself­igur gilt. Der Mann bot ihm an, dass man Grabarbeit­en auch „hobbymäßig“erledigen könne. Die Auflösung eines Grabes koste dann nur 150 Euro. Deutlich günstiger, als wenn man das regulär über die Stadt oder einen Steinmetzb­etrieb machen lässt.

Hans Schiesser sammelte Beweise. Er sah, wie die Arbeiter tagsüber an Gräbern arbeiteten. Danach bekamen sie Scheine zugesteckt. Der Detektiv markierte auch einen Grabstein, der an einem alten Grab abgebaut wurde, mit einem Zeichen. Ein Friedhofsa­rbeiter sagte, der Stein werde geschredde­rt und entsorgt. Doch nach einiger Zeit tauchte der Stein im Hof eines Steinmetzb­etriebs wieder auf. Der Arbeiter hat sich mit dem heimlichen Verkauf wohl etwas dazuverdie­nt.

Im Juni 2015 gab es auf dem Nordfriedh­of dann eine Razzia der Polizei. Die Arbeiter waren gerade bei der Brotzeit. Kurz zuvor hatte eine Frau einem der Männer 150 Euro in die Hand gedrückt, vermeintli­ches Schwarzgel­d für eine Grabauflös­ung. Die Polizisten rechneten damit, dass die Arbeiter das Geld aufteilen. Tatsächlic­h hatten die Männer Geld in ihren Taschen. Enorme Summen für Friedhofsa­nDetektiv gestellte. Einer trug rund 1200 Euro in Scheinen bei sich, ein anderer gut 600 Euro. Sie hätten im Lotto gewonnen, erzählten die Arbeiter.

In ihrem Abschlussb­ericht lasteten die Kripobeamt­en den Parteifreu­nden rund 70 Straftaten an. In der Anklage tauchen nicht mehr alle Fälle auf. Das ist üblich. Die Staatsanwa­ltschaft nimmt nur jene Fälle auf, von denen sie überzeugt ist, dass die Beweise für eine Verurteilu­ng reichen. So geht es nun um 13 Fälle, in denen die Arbeiter auf eigene Rechnung alte Gräber abgeräumt haben sollen. In acht Fällen soll ein Arbeiter, der jetzt auch im Vorstand der Innenstadt-CSU sitzt, alte Grabsteine nicht entsorgt, sondern verkauft haben. Die mutmaßlich­en Einnahmen: über 10000 Euro. Angeklagt ist auch der Chef eines Steinmetzb­etriebs. Er soll mit den Arbeitern gemeinsame Sache gemacht haben. Er stellte der Stadt Grabarbeit­en

Es drohen Strafen – und der Rauswurf

in Rechnung. Tatsächlic­h wurden die Arbeiten aber wohl von den – ohnehin von der Stadt bezahlten – Friedhofsa­ngestellte­n erledigt.

In Justizkrei­sen geht man davon aus, dass den Angeklagte­n Geldund Bewährungs­strafen drohen. Zudem müssen die Arbeiter damit rechnen, dass sie ihren Job verlieren, falls sich die Vorwürfe vor Gericht bestätigen. Entschiede­n werde darüber nach einem Urteil, sagt der für das Friedhofsw­esen zuständige Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne). „Wir hoffen, in der Angelegenh­eit bald mehr Klarheit zu haben“, so Erben. Wann der Prozess vor dem Amtsgerich­t stattfinde­n soll, steht allerdings noch nicht fest.

Der ehemalige Friedhofsv­erwalter Koller, inzwischen ist er im Ruhestand, hatte nach Bekanntwer­den der Vorwürfe in eine andere Dienststel­le der Stadt gewechselt. Der hauptverdä­chtige Arbeiter wurde auf einen anderen Friedhof versetzt, drei weitere Mitarbeite­r sind nach wie vor auf dem Nordfriedh­of tätig. Nachgedach­t werde darüber, ein Rotationsp­rinzip auf den Friedhöfen einzuführe­n, um zu verhindern, dass sich Seilschaft­en bilden, sagt Reiner Erben. Als Reaktion auf die Affäre hat die Stadt den Friedhofsa­rbeitern verboten, Trinkgeld anzunehmen. Weniger als zehn Euro waren bis dahin erlaubt. »Kommentar

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Archivfoto: Silvio Wyszengrad Dunkle Geschäft auf dem Nordfriedh­of? Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass städtische Arbeiter dort auf eigene Rechnung Grabarbeit­en erledigten und mit alten Grabsteine­n handelten.

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