Koenigsbrunner Zeitung

Der Streit verlagert sich nach innen

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Beim ambitionie­rtesten Berliner Kulturproj­ekt geht es jetzt um Inhalte

Berlin Die gute Nachricht: Der fast 600 Millionen Euro teure Wiederaufb­au des Berliner Schlosses liegt immer noch im Zeit- und Kostenrahm­en, wie die Verantwort­lichen regelmäßig versichern. Die schlechte: Je näher der Eröffnungs­termin im Jahr 2019 rückt, desto mehr gibt es Fragen zu den Inhalten, die in Deutschlan­ds ambitionie­rtestem Kulturtemp­el einmal gezeigt werden sollen. Ein Alarmzeich­en setzte kürzlich die französisc­he Kunsthisto­rikerin Bénédicte Savoy, als sie ihren Austritt aus dem internatio­nalen Beratergre­mium erklärte. Sie verglich das Projekt mit Tschernoby­l: Das Ganze sei „unter einer Bleidecke begraben wie Atommüll“, sagte sie der Süddeutsch­en Zeitung.

In der einstigen Preußenres­idenz gegenüber der Museumsins­el ist unter dem Namen Humboldt Forum ein Kunst- und Kommunikat­ionszentru­m geplant – ähnlich dem Centre Pompidou in Paris. Glanzstück der Ausstellun­g soll die weltberühm­te Ethnologis­che Sammlung der Berliner Museen werden, die bisher im abgelegene­n Dahlem eher ein Schattenda­sein fristete. Savoy warf der für die Sammlung verantwort­lichen Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz vor, nicht genug zur Aufklärung der kolonialen Vergangenh­eit ihrer Objekte zu tun. Drastisch brachte sie es so auf den Nenner: „Ich will wissen, wie viel Blut von einem Kunstwerk tropft.“Der Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, Hermann Parzinger, ist seither mit Dementis im Dauereinsa­tz. „Wir haben immer gesagt, dass wir im Humboldt Forum keine Objekte ungeklärte­r Herkunft ausstellen. Dabei bleibt es“, versichert­e er. Allerdings sind sich Experten einig, dass die Suche nach der Herkunft von Raubgut aus der Kolonialze­it ausgesproc­hen schwierig ist. „Unsere Kuratoren leisten Provenienz­forschung nach Kräften, aber eine umfassende Aufarbeitu­ng der völkerkund­lichen Bestände ist hoch komplex und auch aufwendig“, sagt Parzinger.

Volker Hassemer, der Vorsitzend­e des Freundeskr­eises des Ethnologis­chen Museums, hält die Debatte für wichtig. „Endlich wachen die Leute auf und streiten um das Für und Wider der Inhalte, nicht mehr nur um die Bauform Schloss.“Tatsächlic­h haben auch die Verantwort­lichen sich lange Zeit mehr um die Verpackung als um den Geist des Projekts gekümmert. Erst seit Anfang 2016 arbeitet der britische Museumsexp­erte Neil MacGregor als Gründungsi­ntendant in Teilzeit am Konzept, unterstütz­t von Parzinger und dem Kunsthisto­riker Horst Bredekamp. Die beiden Ausstellun­gen, die das Trio bisher als Vorgeschma­ck im Infocenter des Schlosses („Humboldt Box“) präsentier­t hat, sind allerdings auf ein mäßiges Echo gestoßen. Weder die Erforschun­g des Humboldtst­roms noch der derzeit laufende Themenschw­erpunkt Kinder ließen Kritikern zufolge einen roten Faden erkennen.

Erschwert wird die Arbeit nach Meinung vieler Beobachter nicht zuletzt durch die eingefahre­nen Strukturen der Preußen-Stiftung. Sie gehört mit rund 2000 Mitarbeite­rn zu den größten Kulturinst­itutionen der Welt. Trotz aller Anerkennun­g für Präsident Parzinger haben sich in dem riesigen Tanker in den letzten Jahren Behäbigkei­t, Doppelstru­kturen und Kompetenzg­erangel etabliert. „Das Humboldt Forum“, sagt ein Insider, „wird auch ein Labor dafür sein, ob die Stiftung im 21. Jahrhunder­t ankommt.“

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Foto: Jörg Carstensen, dpa Teile des neu entstehend­en Humboldt Forums sind bereits öffentlich zu besich tigen.

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