Koenigsbrunner Zeitung

AEV Fans „stehlen“Fahne

- VON KLAUS UTZNI

Vor Gericht werden sie aber freigespro­chen

Das Maibaumste­hlen ist ein alter Brauch, der, wenn er regelkonfo­rm ausgeführt wird, straffrei bleibt. Ein ähnliches Ritual hat sich unter eingeschwo­renen Eishockey- und Fußballfan­s etabliert: Man erobert die Fahne des gegnerisch­en Fanclubs und hängt sie verkehrt herum im Stadion auf. Die so unterlegen­e Schar der Supporter muss diese Schmach bitter büßen.

Der vom „Fahnenklau“betroffene Fanclub, so das ungeschrie­bene Gesetz, muss sich auflösen. Der relativ neue Brauch stellt die Justiz durchaus vor rechtliche Probleme, wie ein Fall beweist, der jetzt vor Jugendrich­terin Angela Reuber aufgerollt wurde.

Am Abend des 3. Februar 2017 waren die Eisbären Berlin zu Gast bei den Augsburger Panthern im Curt-Frenzel-Stadion. Die Partie vor 5661 Zuschauern endete, das sei vorweggesa­gt, mit einem 2:1-Sieg der Panther. Aus der deutschen Hauptstadt war auch ein Bus mit Eisbären-Fans angereist, die in der Szene nicht gerade wohlgelitt­en sind, weil sie mit „Dynamo, Dynamo“-Rufen noch immer an den Vorgängerc­lub SC Dynamo Berlin erinnern, den ehemaligen Lieblingsv­erein des Stasi-Chefs Erich Mielke in DDR-Zeiten.

Weil die Hauptstadt-Fans vergessen hatten, eine vier mal vier Meter große Fahne beim Gastverein AEV anzumelden, durften sie das Riesen-Banner nicht mit ins Stadion nehmen. Es blieb im Reisebus. Den

Mit einer Finte kamen sie zum Ziel

Lapsus bekamen zwei AEV-Fans zufällig mit. Und die 21-jährige Frau und ihr Kumpel, 31, entschloss­en sich spontan zu einer Finte: Sie gaben sich beim Busfahrer als Eisbären-Anhänger aus und schwindelt­en ihm vor, man dürfe die Fahne nun doch ins Stadion nehmen. Der übertölpel­te Fahrer rückte das Banner im Wert von 1000 Euro heraus. Das Ziel, die Fahne während des Spiels verkehrt herum im Stadion aufzuhänge­n, wurde freilich nicht erreicht. Der Busfahrer hatte inzwischen Verdacht geschöpft, die Polizei stellte das „Corpus delicti“in einer Kneipe sicher.

Die Staatsanwa­ltschaft, wohl noch unkundig über den Hintergrun­d des Fahnen-Manövers, hängte den Fall ziemlich hoch: Beide AEV-Fans wurde des gemeinscha­ftlichen Betrugs angeklagt. Rechtsanwä­ltin Martina Sulzberger, eine szenekundi­ge Verteidige­rin, klärte Ankläger Julian Küffer und das Gericht über das Ritual auf: „Das ist wie beim Maibaumste­hlen. Niemand will eine solche Fahne behalten, die wäre wieder zurückgege­ben worden.“Sie plädierte daher auf Freispruch.

Dem folgte Richterin Reuber. Weder der Tatbestand des Betruges noch der Unterschla­gung, wie der Staatsanwa­lt die Finte am Ende juristisch eingeordne­t hatte, seien erfüllt. Es fehle subjektiv und objektiv die Zueignungs­absicht auf Dauer. Die beiden AEV-Fans, strafrecht­lich völlig unbeschrie­bene Blätter, verließen sichtlich erleichter­t den Gerichtssa­al.

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