Aufschieben oder angehen?
Heute ist wieder einer dieser Tage: Ich habe die Nase so richtig voll, denn ich brauche einfach mal meine Ruhe. Meine Symptome zeigen mir, was mich gerade aufregt. In solchen Fällen belästige ich gerne meine Umwelt mit meinen Leiden, dann kümmern sich alle um mich. Das kennst du auch, oder? Bestimmt hast du mal eine Krankheit als Ausrede benutzt, um dich vor einer Probe oder einer unangenehmen Aufgabe zu drücken. Blöd ist nur, dass es nichts nützt. Denn das Problem ist nur aufgeschoben und nicht aufgehoben – aber: Meine Pause ist gesichert. Leidvolles Gesicht und Triefnase beeindrucken doch jeden, oder? So ernte ich eimerweise Mitleid und schnäuze mehrere Packungen Taschentücher voll. Besser geht es mir dann leider auch nicht.
Im Gegenteil: Das Mitleidsgetue schwächt mich. Liebe in Reinform ist mir eigentlich lieber. Zärtlichkeit und gute Fürsorge bauen mich körperlich und seelisch wieder auf. So kann ich mit neuer Kraft an mein ungeliebtes Thema rangehen.
Und jetzt verrate ich euch auch, was mich so nervt. Ich wünsche mir von ganzem Herzen ein Leben ohne Behinderung. Aber das ist nicht möglich. Was soll ich eurer Meinung nach tun? Ich war verzweifelt, aber das bringt nichts. Abgelenkt habe ich mich, auch das bringt nichts. Letzten Endes habe ich allen die Ohren vollgejammert, bis keiner mehr was mit mir zu tun haben wollte.
Guter Rat ist teuer, das ist bekannt. Aber zum Glück gibt es für Ratlose eine Anlaufstelle: Pro Familia. Dort renne ich hin, wenn es mir schlecht geht. Ich hatte sagenhaftes Glück, auf eine tolle Frau zu stoßen. Seitdem ich dort bin, habe ich viel mehr Selbstwertgefühl. Nicht sofort, aber im Laufe der Zeit. Sich bewusst zu machen, was eigentlich los ist, hilft sagenhaft gut. Die Lösung müsst ihr dann selber finden.
OFranziska Ottlik ist 23 Jahre alt und von Geburt an schwerbehindert. Sie ist halbseitig gelähmt und kann nicht spre chen, sondern nur Laute von sich ge ben. In unserer Kolumne schreibt Franzis ka über ihren Alltag mit Behinderung. Wer mehr über sie erfahren will, schaut auf ihren Blog: www.franziskaott lik.wordpress.com.