Ein Radweg, auf dem „Geisterradler“erlaubt sind
Wegen Bauarbeiten an der Lechbrücke müssen Fahrradfahrer zwischen MAN und Brückenende in zwei Richtungen einen Weg nutzen. Das sorgt für Diskussionen und soll künftig immer möglich sein
Es ist eine Stelle, die viele Radler als unübersichtlich und gefährlich empfinden. Von einem „Kuddelmuddel“spricht Harald Siedler, dessen Strecke hier entlang führt, will er in die Innenstadt. Von „lauter unangenehmen Punkten“spricht Ute König, die hier täglich zur Arbeit radelt. Besonders zu Stoßzeiten sei es schlimm, etwa morgens, wenn neben den Berufsverkehr auch viele Schüler unterwegs sind. Es geht um eine prominente Baustelle in Augsburg, um die Erneuerung der MAN-Brücke. Eine „bedeutende innerstädtische Radhauptverbindung“, die Teile Lechhausens, die Firnhaberau und die Hammerschmiede an die Innenstadt anbinde, wie es in einer Beschlussvorlage für den Bauausschuss des Stadtrates heißt.
Seit 2016 wird die Brücke über den Lech nach 50 Jahren Nutzungsdauer saniert; im März dieses Jahres wurde mit dem zweiten Bauabschnitt begonnen. Für Verkehrsteilnehmer bedeutet dies, dass sie sich umstellen müssen. Autofahrer haben seit der Vollsperrung der südlichen Brückenhälfte im März nur noch eine Fahrspur pro Richtung zur Verfügung. Für Radler ist die Lage ein wenig komplizierter.
Fußgänger und Radfahrer, die stadtauswärts unterwegs sind, benutzen von der Abzweigung Sebastianstraße (MAN-Kreuzung) kommend, wie bisher, zunächst den getrennten Geh- und Radweg auf der Südseite der Stadtbachstraße. Auf Höhe der Ampel bei der Einfahrt zur MAN müssen sie die Straßenseite wechseln, wollen sie über die Brücke. Weiter geht es in dem Fall auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg, auf dem auch in Gegenrichtung Radverkehr zugelassen wurde. Radler sind also von da an stadtauswärts als legale „Geisterradler“auf der linken Straßenseite unterwegs. Eine ungewöhnliche Situation in einem Land, in dem eigentlich Rechtsverkehr gilt.
Nicht jeder Radler ist mit der Situation glücklich. Einer schreibt auf Facebook gar, den Abschnitt zu fahren, sei der „blanke Horror“. In den Blickpunkt rückte die Straße zuletzt, weil sich auf ihr ein folgenschwerer Unfall ereignet hatte: Am vergangenen Samstag waren auf Höhe des MAN-Parkplatzes offen- bar zwei Radler zusammengestoßen. Einer von ihnen stürzte nach Auskunft der Polizei auf die Straße, wo er von einem Auto erfasst wurde. Der Radfahrer erlag später seinen schweren Verletzungen.
Ob die Verkehrsführung in dem Zusammenhang überhaupt eine Rolle spielte, ist allerdings unklar: Zum genauen Unfallhergang, teilt die Polizei mit, gebe es noch keine weiteren gesicherten Erkenntnisse. So weiß man nicht, ob die Radler im Gegenverkehr oder beim Überholen kollidierten, ob sie mit angeschaltetem Licht fuhren oder nicht. Der andere unfallbeteiligte Radfahrer hat sich nach Polizeiangaben bislang noch nicht geäußert.
Viele Radfahrer sehen ohnehin vor allem einen anderen Punkt als gefährlich an: Wer stadtauswärts über die Brücke will, muss auf der linken Straßenseite die Einmündung zur Berliner Allee queren. Von dort aus fahren wiederum viele Autos auf die Stadtbachstraße in Richtung Innenstadt – und müssen beim Abbiegen auf Radler achten, die sowohl von links als auch von rechts die Straße queren. Viele Autofahrer, sagt Radfahrer Harald Siedler, schauten aus Gewohnheit nur nach links und rechneten nicht damit, dass auch von der anderen Seite jemand komme. Auch Ute König hat ähnliche Beobachtungen gemacht.
Seit März hat die Polizei zwölf Unfälle in der Stadtbachstraße erfasst, bei denen Radfahrer beteiligt waren. Die meisten davon in dem Bereich, wo die Berliner Allee auf die Straße führt. Auf der Brücke über den Lech passierte in dem Zeitraum lediglich ein Unfall mit Beteiligung von Radfahrern, der der Polizei gemeldet wurde.
Aus dem Baureferat der Stadt heißt es, es habe „diverse Beschwerden bezüglich der Auffahrtsrampe der Berliner Allee“gegeben, es gebe sie auch immer noch. Die Stadt habe aber reagiert. So habe man das Verkehrszeichen, das auf eine Gefahrenstelle hinweist, um ein Blinklicht ergänzt und ein Stoppschild anstelle eines Vorfahrt-gewähren-Schildes aufgestellt. Langfristig will die Stadt an der Lösung mit dem „Zweirichtungsradweg“festhalten, auch nach dem Ende der Bauarbeiten.
Auf diesem Weg soll der Unfallschwerpunkt an der Einmündung entschärft werden. Eben weil hier häufig „Geisterradler“unterwegs seien, etwa Beschäftigte der MAN, die in die Firnhaberau oder die Hammerschmiede wollen, geht die Stadt davon aus, durch Umbauten die Unfallzahlen senken zu können. Auch an der Berliner Allee sollen kommendes Jahr zwischen Brückenund Stadtbachstraße Radwege entstehen. Kosten: 1,2 Millionen Euro.