Zwei Frauen, ein Projekt
Sopran-Shootingstar Hanna-Elisabeth Müller hatte eigene Vorstellungen von ihrer ersten Solo-CD. Platten-Labels schreckte das ab. Dann lernte sie die Augsburgerin Iris Steiner kennen
Einem breiteren Publikum bekannt geworden ist Hanna-Elisabeth Müller im vergangenen Januar. Da sang die Sopranistin beim Eröffnungskonzert der Hamburger Elbphilharmonie in Beethovens 9. Sinfonie, ein Engagement, zu dem sie quasi über Nacht gekommen war als Einspringer für eine erkrankte Kollegin. Fernsehsender übertrugen weithin das Ereignis aus dem spektakulären neuen Konzertsaal.
Wem die Stimme der jungen Sängerin gefiel und wer sich deshalb nach einer Platte von ihr umsah, der blickte jedoch bis vor Kurzem ins Leere. Was insofern ungewöhnlich ist, als Hanna-Elisabeth Müller in der Sängerszene schon seit einiger Zeit keine Unbekannte mehr ist. 2014 gelang ihr der Durchbruch bei den Salzburger Osterfestspielen, die Zeitschrift Opernwelt kürte sie zur Sängerin des Jahres, an der Bayerischen Staatsoper war sie in verschiedenen Partien zu erleben, inzwischen hat sie sogar Engagements an der Mailänder Scala und an der Met in New York. Dass da noch kein Plattenlabel angesprungen war, ist auch deshalb ungewöhnlich, weil Müller nicht nur sehr gut singt, sondern überdies – wichtig im heutigen Klassikbusiness – eine attraktive Erscheinung ist.
Nun aber steht die erste Solo-CD der 32-Jährigen in den Regalen. Unter dem Titel „Traumgekrönt“versammelt die Platte Lieder von Strauss, Berg und Schönberg. Dass die CD überhaupt entstand, geschah mit Augsburger Hilfe, denn Produzentin ist Iris Steiner.
Vor zwei Jahren hatte die Augsburgerin den Tipp bekommen, sich die Sängerin doch mal anzuhören. Die Fachfrau für Kultur-PR fuhr nach Amsterdam, wo Hanna-Elisabeth Müller als Sophie im „Rosenkavalier“auftrat. Im Gespräch mit der Sängerin stellte sich rasch heraus, dass Müller gerne ein CD-Programm aufnehmen würde, dass es wohl auch schon die ein oder andere Sondierung zu Klassik-Labels gegeben hatte – dass Müller aber eine Platte nur dann aufnehmen wollte, wenn sie, die Sängerin, das künstlerische Heft in der Hand behielte.
Was im Klartext hieß: Das Programm bestimmte sie – keine Opernschlager, sondern eine ausge- feilte Folge von Liedern; und nicht irgendeinen Klavierbegleiter zur Seite – sondern Juliane Ruf, mit der sie seit Langem Liederabende gibt. Bedingungen einer jungen Sängerin, auf die sich niemand einlassen wollte. Iris Steiner aber sagte: „Dann mache eben ich die Produktion.“
Gesagt, getan. Steiner sah sich nach einem Aufnahmestudio um, zog letztlich doch ein Label an Land, buchte Hotelzimmer für die Zeit der Aufnahme in Berlin, kümmerte sich vor allem um die finanzielle Seite der Produktion. Müller lernte sie dabei als eine Perfektionistin kennen, die ihre ganz eigenen Vorstellungen hat. Das ist der Platte anzusehen: Kein Cover, das eine Sängerin in Walle-Robe und DivenPose zeigt; sondern eines, das auch die Neuveröffentlichung einer Popsängerin zieren könnte.
Dass der Sängerin viel am Erscheinungsbild ihrer ersten CD lag, zeigt auch ein anders Detail. Im Booklet stößt man auf die Werbeseite einer Augsburger Uhrenmanufaktur – ein Bild von Hanna-Elisabeth Müller mit dem Satz, die Sängerin trage hier „das von ihr designte Modell“. Ein erfundener Werbespruch? „Von wegen“, sagt Iris Steiner. Hanna-Elisabeth Müller sei eigens nach Augsburg gekommen und habe der Uhrenschmiede ihre Vorstellungen dargelegt.
Für Steiner war es das erste Mal, dass sie ein solches CD-Projekt als Produzentin begleitete, Wiederholung vorerst nicht in Sicht. Umso mehr freut sie sich, dass „Traumgekrönt“bereits erste hervorragende Kritiken eingefahren hat. Kein Wunder: Beim Hören erliegt man schnell der in den anspruchsvollen Strauss-Liedern durchweg homogen geführte Stimme, ihrer Mühelosigkeit und Wärme, aber auch der geschmackvollen Ausdifferenzierung der Stimmungen. Eine Sängerin, von der man noch manches hören wird; und eine CD, die heraussticht aus der Flut schnell herbeigezimmerter Standardproduktionen.
OTraumgekrönt ist beim Label Belve dere erschienen.