Mit dem Motorrad durch die ganze Welt
Abenteuerlust und Neugierde führen Doris Wiedemann aus Schwabmühlhausen auf alle Kontinente. Sie war als erste Frau im Winter auf dem Dalton Highway unterwegs. Warum die 50-Jährige allein reist
Langerringen Wenn Doris Wiedemann von ihren Reisen zurückkehrt, befinden sich im Gepäck keine Souvenirs, sondern ein Schatz aus unzähligen Begegnungen, denkwürdigen Erlebnissen und interessanten Eindrücken in Hülle und Fülle. „Souvenirs würden viel zu viel wiegen und zu viel Platz wegnehmen“, sagt die zierliche Frau – und lacht. Schließlich ist das Gepäck auf einem Motorrad sehr begrenzt. Denn: Die 50-Jährige aus dem Langerringer Ortsteil Schwabmühlhausen ist nur auf zwei Rädern unterwegs, allein mit ihrer BMW. Oft monatelang. Ihr Ruf ist in der Szene mittlerweile legendär.
So war Wiedemann die erste Frau, die den Mut hatte, den Dalton Highway im Winter mit dem Motorrad zu befahren. Die dreimonatige Reise begann bei 25 Grad plus in Florida und endete bei 52 Grad minus an der Nordküste Alaskas, in Prudhoe Bay. Diese Reise war die erste, die sie in Begleitung unternommen hat. Sonst ist die Frau allein in aller Herren Länder unterwegs. In den USA, Australien, Afrika, Russland, China, Japan, der Mongolei. Nur Südamerika fehlt ihr noch. Dabei muss sie sich voll und ganz auf ihr Gefährt verlassen können. Sie fährt daher vorsichtig und fahrzeugschonend. Doch einmal kam sich die gebürtige Münchnerin und gelernte Betriebswirtin vor wie ein „Sklavenhändler, der seinen treuesten Gefolgsmann verhökert“, als sie ein Motorrad nach monatelanger Reise verkaufen musste.
Viele Pläne macht sie vor einem Aufbruch nicht, „die Reisen entstehen einfach“. Zum Beispiel durch eine „Kaffeeeinladung nach Südkorea“, die ein BMW-Mitarbeiter aussprach. Daraus wurde eine Reise quer durch Russland nach Südkorea, mit Ausflug nach Nordkorea, Weiterreise nach Japan und schließlich eine sechsmonatige Tour durch China. Vor der Abfahrt macht sich Wiedemann nur über Sitten und Bräuche schlau, ansonsten findet sie zu viel Wissen über ein Land nur hinderlich für eigene Eindrücke.
Bei diesen „Er-fahrungen“sammelt sie unzählige Eindrücke von fremden Kulturen und Lebensweisen und zwischenmenschlichen Beziehungen und erfährt viel über Armut, schwierige Situationen, Streitigkeiten, aber auch über Freundschaften, Vertrauen. Besonders beeindruckt ist Wiedemann von der Gastfreundschaft, mit der sie überall willkommen geheißen wird. Einheimische Familien bieten ihr das eigene Zuhause an, andere Motorradfahrer laden sie ein. Unter dem Schutz des Gastrechts fühlt sie sich meist sicher. Dass sie als Frau alleine auf Reisen ist, hat sie bisher meist als Vorteil erlebt: „So kann ich ein bisschen beide Welten, die der Männer und der Frauen, erleben.“Bei privaten Übernachtungen in Familien wird sie in das Alltagsleben der Frauen mit eingebunden. Als Fahrerin eines schweren Motorrads geschieht es häufig, dass sie in die Männerdomäne „Stammtisch“eindringen darf.
Ihre Begegnungen mit anderen Menschen sieht sie nicht einseitig: „Für mich ist das ein Geben und Nehmen.“Sie wird als Gast aufgenommen und revanchiert sich da- mit, den Menschen in abgeschiedensten Dörfern Neues zu bringen, auch ein bisschen Entertainer zu sein. „Die Welt zu bringen, die ich mit dem Motorrad erfahren habe.“
Das Alleinsein sorgt dafür, dass sie sich viel mehr mit Einheimischen oder anderen Reisenden austauscht. „Mit Haut und Haaren“lässt sie sich auf das Land und die Leute ein. Auch auf ein Navi verzichtet sie lieber. Lieber fragt sie nach dem Weg, hört auf den Rat von Einheimischen und „redet“notfalls schon mal mit Händen und Füßen...
Ihre Eltern hätten sie in ihrer Leidenschaft nie gebremst, sagt die Singlefrau, die mit 18 vom Fahrrad aufs Motorrad umgestiegen ist. Auch große Touren sahen die Eltern immer gelassen. Bei ihrer Afrikareise 1997/98 gab es nur einmal im Monat ein Fax nach Hause. Mehr war damals technisch nicht drin. „Heute, gerade mal 20 Jahre später, könnte ich mit einem GPS-Tracker nicht nur meine Eltern, sondern die ganze Welt jede Minute des Tages wissen lassen, wo ich gerade bin.“
Und was war ihre schönste Reise? Antwort: „Jede hat ihren eigenen Reiz.“Am anstrengendsten sei wohl die China-Tour 2004/05 gewesen – aufgrund der fremden Kultur, Sprache, Schrift und auch Denkweise. Neben all der Abenteuerlust und Neugier vergisst Wiedemann aber nie den Spaß am Fahren. Und bei all den Variationen, die sie ausprobiert, Rennstrecken, Geländefahrten oder sogar das Steilwandfahren in „Pitt’s Todeswand“auf dem Münchner Oktoberfest sind es die Begegnungen mit den Menschen, die die Faszination für die Abenteurerin ausmachen. Und sie lässt andere teilhaben: Ihre Erlebnisse hat sie in Büchern veröffentlicht. Und sie berichtet in Vorträgen.
IMehr im Internet www.doris wiedemann.de