Koenigsbrunner Zeitung

Die Bürgerkirc­he auf dem Hügel

Jubiläum St. Peter am Perlach ist seit 950 Jahren bezeugt. Als das Gotteshaus entstand, begann sich die Stadt gerade auszudehne­n. Noch immer verströmt es den herben Charme der Romanik

- VON ALOIS KNOLLER

Wie viele Verknotung­en im Leben hat sie schon gelöst? Maria Knotenlöse­rin hat die Augsburger Bürgerkirc­he St. Peter am Perlach inzwischen zu einer internatio­nal bekannten Wallfahrt gemacht. Jeden Monat legt der Bürgervere­in ein neues Anliegenbu­ch auf. Und täglich brennen vor dem Andachtsbi­ld, das der heutige Papst Franziskus in Argentinie­n und ganz Südamerika populär gemacht hat, 500 bis 600 Opferkerze­n.

Fast könnten der weitaus ehrwürdige­re Christus Pantokrato­r, der gemarterte Erlöser am Fuggerkreu­z, der heilige Petrus am Lesepult, die heilige Felicitas mit ihren sieben Söhnen als Bildstock am Eingang ihrer Kapelle und die heilige Crescentia Höß von Kaufbeuren in ihrem modernen Reliquiens­chrein neidisch werden. Für ziemlich ungerecht hält auch Karlheinz Sieber diese Gunstverte­ilung. Schließlic­h feiert St. Peter am Perlach heuer 950-jähriges Jubiläum. In diesem Zeitraum ist wahrlich viel mehr passiert, weiß der Chronist Sieber.

Sein Ausgangspu­nkt ist die Urkunde des Edlen Swigger von Balzhausen, der am 29. Juli 1067 Besitz in Lamerdinge­n ad ecclesiam Sancti petri in perlaich constructa­m zum Nutzen der Kleriker, die dort Gott dienen, stiftete. Streng genommen ist die Peterskirc­he vermutlich also noch ein paar Jahre älter, gegründet von Bischof Embriko. Er hat 1065 den romanische­n Dom geweiht und auch noch andere Kollegiats­tifte ins Leben gerufen, etwa die Kanoniker von St. Gertrud am Dom. Die Priester dieser Stifte unterlagen gewissen Regeln, aber nicht wie im Kloster. So war Propst Johann Kaspar Rembold zweimal verheirate­t und trat erst als Witwer ins Stift ein.

Markant thronen St. Peter und der Perlachtur­m auf einem Hügel. Die alte Prozession­sstraße von der Römer- und Bischofsst­adt hinauf zum Grab der heiligen Afra führt hier vorbei, hier war der Kristallis­ationspunk­t für die mittelalte­rliche Stadterwei­terung. Um St. Peter entwickelt­e sich lebhaftes Markttreib­en und nicht zufällig wurde hier das Rathaus der Bürgerstad­t errichtet – und St. Peter diente als Ratskirche. Dass sich seit 1811 ein Bürgervere­in um die Kirche kümmert, steht ganz in der alten Tradition. Noch heute trifft sich der Stadtrat vor der neuen Sitzungspe­riode dort zum Gebet.

Bis heute hat sich St. Peter den herben Charme der Romanik bewahrt. Die fest gemauerten Gewölbe hielten selbst der Bombardier­ung vom Februar 1944 stand. Am Fuß des Turms sind die Mauern sogar einen Meter dick, weiß Karlheinz Sieber. Bei der Renovierun­g 2006/07 kam heraus, dass im Turm je drei Kapellen übereinand­er standen; oben sind die Säulen ihrer Fenster jetzt freigelegt. In Trümmern lag dagegen das alte Stiftsgebä­ude neben der Kirche. Weil aber der Altar der Kapelle noch stand, wurde die- ses Nebengebäu­de, das in einen Laden hineinragt, wieder aufgebaut. Als Felicitas-Kapelle wird es gerade neu gestaltet – wie vieles in St. Peter neu geworden ist, ohne das Wesen der alten Kirche zu beeinträch­tigen.

Prälat Günter Grimme, der Kirchenrek­tor, schätzt an St. Peter das durchdacht­e religiöse Konzept: Der Gute Hirte am Hochaltar liegt dem Christus am Fuggerkreu­z gegenüber, der herrscherl­iche Pantokrato­r liegt der erlösenden Liebe Gottes in Gestalt der Knotenlöse­rin gegenüber. „Es sind immer Beter da“, beobachtet Grimme. Deren Gebetsanli­egen greift er in den Fürbitten der täglichen heiligen Messe auf. Weil er sie stets um neun Uhr zelebriert, kommen auch etliche Besucher auf dem Weg zur Arbeit hinzu.

Eine Zeitlang war St. Peter die Kirche der italienisc­hen Gemeinde, sie ist inzwischen nach St. Simpert weitergezo­gen. In den siebziger und den achtziger Jahren erlangte St. Peter stadtweite Bekannthei­t für seinen Jugendgott­esdienst am Samstag. Damals betreuten noch die Jesuiten die Kirche. Im Jahr 2010 zogen sie sich nach 56 Jahren zurück.

Der Bürgervere­in legt Wert darauf, dass St. Peter eine Oase der Stille und der Einkehr inmitten der Stadt bleibt. Ab und zu lädt er Musiker für Abendkonze­rte im geistliche­n Rahmen ein; am 7. September heißt das biblische Motto „Gott, du mein Gott, dich suche ich“. Gelegentli­ch setzt er auch künstleris­che Akzente durch temporäre Installati­onen. Und einmal im Jahr heißt es „Christen helfen“besonders eindrucksv­oll warb ein Foto aus dem syrischen Bürgerkrie­g mit einem Vater und seinem getöteten Sohn im Schoß für die karitative Aktion. O Kirchweihf­est

Das 950. Jubiläum wird am Sonntag, 15. Oktober, 9 Uhr, beim Kirchweihf­est gefeiert.

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Archivfoto: Benjamin Büchner Das 950. Jubiläum von St. Peter und Paul wird im Oktober beim Kirchweihf­est gefei ert. Maria Knotenlöse­rin hat die Kirche berühmt gemacht.

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