Altpapier im Geldkoffer und ein falscher Zeuge
Vor 20 Jahren wurde Fred Rai Opfer eines betrügerischen Ehepaars, das die Western-City kaufen wollte. Der Vertrag war bereits unterschrieben, doch dann nahm das Geschäft plötzlich eine überraschende Wende
Friedberg Die Western-City beherrscht derzeit die Schlagzeilen – nicht zum ersten Mal. Bereits 20 Jahre, bevor unbekannte Brandstifter dort kürzlich einen Millionenschaden anrichteten, war der Dasinger Freizeitpark Schauplatz eines spektakulären Kriminalfalls.
„Cowboy Fred Rai um Millionen geleimt?“lautete im Januar 1997 eine Überschrift in unserer Zeitung. Aus gesundheitlichen Gründen wollte Rai seine Western-City, die damals rund 100 000 Besucher im Jahr anzog, verkaufen und sich ganz seinem „Bundesausbildungszentrum für natürliches Reiten“widmen. Dabei geriet er an einen Oktoberfest-Schausteller aus dem Raum München, mit dem auch ein Vertrag zustande kam.
Was im Weiteren geschah, darüber gingen dann die Darstellungen auseinander. Denn laut Rai war ein „inoffizieller Kaufpreis“von 4,3 Millionen Mark (rund 2,2 Millionen Euro) vereinbart worden. Notariell beurkundet werden sollten allerdings nur 2,3 Millionen Mark für die Immobilie, der Rest sollte in bar den Besitzer wechseln. Damit sollten der Name der Western-City, die Waren, die Einrichtung sowie die Auftritte Fred Rais abgegolten werden.
Vor dem Notartermin, so die siebenseitige Anzeige, die Rais Anwalt bei der Staatsanwaltschaft erstattete, habe der Schausteller einen Koffer mit Bargeld in die Western-City gebracht. Das Geld sei gezählt und der Koffer versiegelt und in einem Bankschließfach deponiert worden. Als Rai später den Geldkoffer dort abholte, fanden sich jedoch nur alte Illustrierte und Reisekataloge darin.
Eine Darstellung, die der Anwalt des Käufers vehement zurückwies und als „Räuberpistole des Herrn Rai“bezeichnete. Es sei lediglich ein Preis von 2,3 Millionen Mark vereinbart worden – der Betrag, dem auch Bankgutachten zugrunde gelegen hätten. Der Schausteller erstattete seinerseits Anzeige wegen übler Nachrede und versuchten Betrugs. Zehn Monate lang ermittelte die Staatsanwaltschaft und kam zu dem Schluss, dass der Schausteller tatsächlich den Koffer vertauscht hatte. So landete der Fall vor dem Aichacher Schöffengericht, das gleich vier Verhandlungstage für den Aufsehen erregenden Prozess ansetzte. Und schon am ersten Tag platzte dort eine Bombe. Denn nun räumte der Schausteller ein, tatsächlich Bargeld an Rai übergeben zu haben – allerdings nur 400 000 Mark. Um diese Aussage zu stützen, bot die Verteidigung kurzfristig einen Zeugen auf. Ein Schausteller aus Holland sei während der „heißen Phase“der Verhandlungen mit am Tisch das Dasinger Saloons gesessen. Doch sowohl Fred Rai wie auch sein Steuerberater versicherten, den Mann nie gesehen zu haben.
Richter Dieter Gockel wollte Klarheit. Er forderte den Zeugen auf, eine Skizze der Örtlichkeit anzufertigen. Dabei hatte der Holländer sichtlich Probleme. „Als sich abzeichnete, dass die Staatsanwaltschaft den Zeugen möglicherweise vereidigen lassen würde, kam es zu fast schon tumultartigen Szenen im Saal“, berichtete unserer Gerichtsreporter. Richter Gockel ordnete eine Sitzungspause an, und die nutzte der Holländer, um das Weite zu suchen. Der Schausteller und seine mitangeklagte Ehefrau wurden noch im Gerichtssaal festgenommen.
Diesem Paukenschlag folgte schließlich das Geständnis: Die Anklageschrift treffe „subjektiv wie objektiv“voll zu, ließ das Schaustellerpaar über seine Anwälte erklären. Der Staatsanwalt forderte in seinem Plädoyer vier Jahre Gefängnis für den Mann und drei Jahre für seine Frau, die zuvor bereits in einem anderen Fall wegen versuchten Totschlags verurteilt worden war. Die Schausteller, so der Anklagevertreter, hätten „mit Hohn und Spott“sowie „widerlichem Grimassenschneiden“auf Äußerungen Rais und dessen Steuerberater reagiert. Richter Gockel sprach von einem „verwerflichen Handeln“. Das Gericht schickte die beiden schließlich für dreieinhalb bzw. zweidreiviertel Jahre hinter Gitter. Und es kam noch dicker: Mit ihrem „Night Fly“flogen sie wenige Wochen später auf Beschluss des Münchner Stadtrats von der Wiesn.
Fred Rai hingegen wurde rehabilitiert. Auch die Vermutung, er habe einen Teil des Verkaufserlöses am Fiskus vorbeischleusen wollen, konnte er entkräften. Bis zu seinem überraschenden Tod im Frühjahr 2015 blieb er Eigentümer der Western-City.