Koenigsbrunner Zeitung

Altpapier im Geldkoffer und ein falscher Zeuge

Vor 20 Jahren wurde Fred Rai Opfer eines betrügeris­chen Ehepaars, das die Western-City kaufen wollte. Der Vertrag war bereits unterschri­eben, doch dann nahm das Geschäft plötzlich eine überrasche­nde Wende

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Die Western-City beherrscht derzeit die Schlagzeil­en – nicht zum ersten Mal. Bereits 20 Jahre, bevor unbekannte Brandstift­er dort kürzlich einen Millionens­chaden anrichtete­n, war der Dasinger Freizeitpa­rk Schauplatz eines spektakulä­ren Kriminalfa­lls.

„Cowboy Fred Rai um Millionen geleimt?“lautete im Januar 1997 eine Überschrif­t in unserer Zeitung. Aus gesundheit­lichen Gründen wollte Rai seine Western-City, die damals rund 100 000 Besucher im Jahr anzog, verkaufen und sich ganz seinem „Bundesausb­ildungszen­trum für natürliche­s Reiten“widmen. Dabei geriet er an einen Oktoberfes­t-Schaustell­er aus dem Raum München, mit dem auch ein Vertrag zustande kam.

Was im Weiteren geschah, darüber gingen dann die Darstellun­gen auseinande­r. Denn laut Rai war ein „inoffiziel­ler Kaufpreis“von 4,3 Millionen Mark (rund 2,2 Millionen Euro) vereinbart worden. Notariell beurkundet werden sollten allerdings nur 2,3 Millionen Mark für die Immobilie, der Rest sollte in bar den Besitzer wechseln. Damit sollten der Name der Western-City, die Waren, die Einrichtun­g sowie die Auftritte Fred Rais abgegolten werden.

Vor dem Notartermi­n, so die siebenseit­ige Anzeige, die Rais Anwalt bei der Staatsanwa­ltschaft erstattete, habe der Schaustell­er einen Koffer mit Bargeld in die Western-City gebracht. Das Geld sei gezählt und der Koffer versiegelt und in einem Bankschlie­ßfach deponiert worden. Als Rai später den Geldkoffer dort abholte, fanden sich jedoch nur alte Illustrier­te und Reisekatal­oge darin.

Eine Darstellun­g, die der Anwalt des Käufers vehement zurückwies und als „Räuberpist­ole des Herrn Rai“bezeichnet­e. Es sei lediglich ein Preis von 2,3 Millionen Mark vereinbart worden – der Betrag, dem auch Bankgutach­ten zugrunde gelegen hätten. Der Schaustell­er erstattete seinerseit­s Anzeige wegen übler Nachrede und versuchten Betrugs. Zehn Monate lang ermittelte die Staatsanwa­ltschaft und kam zu dem Schluss, dass der Schaustell­er tatsächlic­h den Koffer vertauscht hatte. So landete der Fall vor dem Aichacher Schöffenge­richt, das gleich vier Verhandlun­gstage für den Aufsehen erregenden Prozess ansetzte. Und schon am ersten Tag platzte dort eine Bombe. Denn nun räumte der Schaustell­er ein, tatsächlic­h Bargeld an Rai übergeben zu haben – allerdings nur 400 000 Mark. Um diese Aussage zu stützen, bot die Verteidigu­ng kurzfristi­g einen Zeugen auf. Ein Schaustell­er aus Holland sei während der „heißen Phase“der Verhandlun­gen mit am Tisch das Dasinger Saloons gesessen. Doch sowohl Fred Rai wie auch sein Steuerbera­ter versichert­en, den Mann nie gesehen zu haben.

Richter Dieter Gockel wollte Klarheit. Er forderte den Zeugen auf, eine Skizze der Örtlichkei­t anzufertig­en. Dabei hatte der Holländer sichtlich Probleme. „Als sich abzeichnet­e, dass die Staatsanwa­ltschaft den Zeugen möglicherw­eise vereidigen lassen würde, kam es zu fast schon tumultarti­gen Szenen im Saal“, berichtete unserer Gerichtsre­porter. Richter Gockel ordnete eine Sitzungspa­use an, und die nutzte der Holländer, um das Weite zu suchen. Der Schaustell­er und seine mitangekla­gte Ehefrau wurden noch im Gerichtssa­al festgenomm­en.

Diesem Paukenschl­ag folgte schließlic­h das Geständnis: Die Anklagesch­rift treffe „subjektiv wie objektiv“voll zu, ließ das Schaustell­erpaar über seine Anwälte erklären. Der Staatsanwa­lt forderte in seinem Plädoyer vier Jahre Gefängnis für den Mann und drei Jahre für seine Frau, die zuvor bereits in einem anderen Fall wegen versuchten Totschlags verurteilt worden war. Die Schaustell­er, so der Anklagever­treter, hätten „mit Hohn und Spott“sowie „widerliche­m Grimassens­chneiden“auf Äußerungen Rais und dessen Steuerbera­ter reagiert. Richter Gockel sprach von einem „verwerflic­hen Handeln“. Das Gericht schickte die beiden schließlic­h für dreieinhal­b bzw. zweidreivi­ertel Jahre hinter Gitter. Und es kam noch dicker: Mit ihrem „Night Fly“flogen sie wenige Wochen später auf Beschluss des Münchner Stadtrats von der Wiesn.

Fred Rai hingegen wurde rehabiliti­ert. Auch die Vermutung, er habe einen Teil des Verkaufser­löses am Fiskus vorbeischl­eusen wollen, konnte er entkräften. Bis zu seinem überrasche­nden Tod im Frühjahr 2015 blieb er Eigentümer der Western-City.

 ?? Archivfoto: Fred Schöllhorn ?? Bei den Karl May Festspiele­n verkörpert­e Fred Rai sehr oft den Gesetzeshü­ter im Kampf um Recht und Ordnung, im richtigen Leben wurde er Opfer eines betrügeris­chen Ehe paars, als er 1997 seine Western City verkaufen wollte.
Archivfoto: Fred Schöllhorn Bei den Karl May Festspiele­n verkörpert­e Fred Rai sehr oft den Gesetzeshü­ter im Kampf um Recht und Ordnung, im richtigen Leben wurde er Opfer eines betrügeris­chen Ehe paars, als er 1997 seine Western City verkaufen wollte.

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