Koenigsbrunner Zeitung

Freiwillig in der Psychiatri­e

Eine Studentin arbeitet neben ihrem Studium in einem Münchner Klinikum. Das ist oft anstrengen­d, aber es gibt auch andere Momente

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Die Arbeit in einer Psychiatri­e hat Tabea Reiter (Name geändert) bereits als Schülerin fasziniert. „Ich wollte zum einen schon immer was mit Menschen machen. Zum anderen war ich früh mit psychisch Kranken umgeben. Mein erster Freund war Borderline­r.“Deshalb hat sie einen ungewöhnli­chen Studentenj­ob angenommen.

Ihr erstes Praktikum machte die Studentin der Erziehungs­wissenscha­ften an der Uni Augsburg in München – in der Drogenstat­ion des Isar-Amper-Klinikums MünchenOst. Da war sie 18 Jahre alt. „Anfangs habe ich auch nicht gedacht, dass ich das packe, denn ich bin ein emotionale­r Mensch.“Dann aber begann Tabea Reiter regelmäßig dort zu arbeiten.

Inzwischen ist sie in der Aufnahmest­ation der Klinik tätig, sieben Mal im Monat, jeweils von 16 bis 21 Uhr. Sie betreut die Patienten, die sich selbst einliefern oder eingewiese­n werden. „Ich nehme die Daten auf und kümmere mich in der Überprüfun­gszeit bis zum ersten Gespräch mit den Ärzten“, erklärt sie. Dabei erlebt sie durchaus Extremsitu­ationen.

Da war zum Beispiel dieses Mädchen: Borderline­rin. Kurz verlässt Tabea Reiter sie, kümmert sich um die anderen Patienten, es wollen ja oft zehn auf einmal versorgt werden. Schon erzählt die junge Frau, sie habe sich jetzt „den Druck genommen“. Tabea Reiter zieht ihr die Jacke aus und die blutigen Arme kommen zu Vorschein. „Bei solchen Szenen denkst du natürlich ab und zu noch zu Hause drüber nach.“

Dazu kommen an manchen Tagen Beleidigun­gen von psychisch angeschlag­enen Patienten und das Risiko, angespuckt zu werden. Gerade bei jungen Frauen wie Tabea Reiter spiele zudem Sexismus eine Rolle. Von Personen, die unter Alkoholein­fluss in die Klinik eingeliefe­rt werden, müsse man sich schon manchmal Kommentare anhören, die unter die Gürtellini­e gehen, erzählt die 21-Jährige schulterzu­ckend. Deshalb erzählt sie ihre Geschichte auch nicht unter ihrem richtigen Namen. Ein Schutz, wie sie sagt.

Warum sich die Studentin der Erziehungs­wissenscha­ften an der Uni Augsburg das antut? „Ich wollte nicht im Drogeriema­rkt oder so jobben, sondern etwas machen, was mir sowohl im Studium als auch später im Beruf weiterhilf­t. Ich weiß jetzt, dass ich auf jeden Fall im klinischen Bereich tätig sein möchte.“

Ihren Nebenjob in der psychiatri­schen Einrichtun­g empfindet Tabea Reiter als Bereicheru­ng, auch und gerade in ihrem Alltag. Sie sei seitdem in der Lage, anderen offener zu begegnen, habe keine Berührungs­angst gegenüber Unbekannte­n, sei schlicht lockerer geworden. „Ich unterhalte mich inzwischen ganz ungezwunge­n auch mit Fremden, das hätte ich mich früher nicht getraut.“Gleichzeit­ig kann sie so einen Job nicht jedem empfehlen. Man muss mit Menschen umgehen können und wollen. Darf nicht dazu neigen, den Patienten gegenüber überheblic­h zu sein. Stattdesse­n könne man mit den Insassen auch mal gemeinsam lachen. Das sei besser, als sie mitleidig anzusehen, das helfe niemandem weiter.

„Außerdem darfst du nicht gleich Angst bekommen, wenn ein Patient behauptet, dass da jemand an der Zimmerdeck­e hängt.“Und selbst an einer Depression leiden sollte man in diesem Job nicht. Die Leute, denen die Studentin sich während ihrer Schicht zuwendet, kommen in Ausnahmesi­tuationen. Sie sind oft ganz unten angekommen. Da gebe es auch nichts zu beschönige­n, sagt die 21-Jährige. Es sind Drogenabhä­ngige, Alkoholike­r, verwirrte Ältere, Menschen, die nicht mehr leben wollen. Erfolgserl­ebnisse in so einer Klinik seien nicht alltäglich, sagt die Studentin. „Aber es gibt sie eben doch. Und es ist schön zu sehen, dass die Patienten froh sind, dort zu sein und dass man ihnen hilft“, sagt Tabea Reiter und lächelt.

 ?? Symbolfoto: Hermann Ernst ?? Ihr erstes Praktikum machte Tabea Reiter in der Drogenstat­ion des Isar Amper Klinikums (hier ein Symbolbild). Nun jobbt sie in der Aufnahmest­ation der Klinik.
Symbolfoto: Hermann Ernst Ihr erstes Praktikum machte Tabea Reiter in der Drogenstat­ion des Isar Amper Klinikums (hier ein Symbolbild). Nun jobbt sie in der Aufnahmest­ation der Klinik.
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Studentin Tabea

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