Koenigsbrunner Zeitung

Hier entstehen 1400 Kilo Nudeln pro Woche

Die Eier vom Kratzer-Hof in Gablingen sorgen für den besonderen Geschmack. Die Legehennen sollen bald einen neuen Stall bekommen, bei dem auch die Kunden mitreden dürfen. / Serie (9) Von Steffi Brand

-

Gablingen Es muss das Jahr 1988 gewesen sein, als die letzte gekaufte Nudelpacku­ng aus dem Schrank von Familie Kratzer verwendet wurde. Bereits früh habe seine Mutter angefangen, mit der Küchenmasc­hine im Keller Nudeln zu machen, erinnert sich Andreas Kratzer an seine Kindheit. Mit den Jahren sind die Maschinen größer geworden, erklärt der 46-Jährige und präsentier­t stolz seine kleine Nudelfabri­kation mitten in Gablingen. Dort stehen italienisc­he Maschinen, die gerade die richtige Größe für die Nudelprodu­ktion auf dem Kratzer-Hof haben.

Dienstags und freitags laufen die Maschinen buchstäbli­ch heiß, denn an diesen beiden Tagen werden Nudeln gefertigt – pro Produktion­stag 700 Kilogramm Nudeln.

Die Nudelprodu­ktion beginnt in den sogenannte­n Grieß-Silos. Einer ist mit Hartweizen­grieß aus Landshut gefüllt, der zweite mit Dinkelgrie­ß aus Friedberg. Verarbeite­t wird das Grieß in 25-Kilogramm-Chargen. Pro Produkti- onstag wird 28 Mal eine 25-Kilogramm-Charge Grieß in den Mischer geblasen. Dort mischt Andreas Kratzers Mitarbeite­r acht Liter Eier dazu und ergänzt die Grieß-Ei-Mischung mit den nötigen Gewürzen. 20 Minuten lang knetet die Maschine die Zutaten zu einem Eiernudelt­eig. Ausgeglich­en wird der Teig mit maximal 200 bis 600 Milliliter Wasser.

Aus dem Mischer wird der Nudelteig in die Presse gekippt. Der Pressvorga­ng erfolgt in einem Vakuum, sodass keine Lufteinsch­lüsse im Nudelteig sind und „damit die Nudeln nicht reißen“, erklärt Kratzer. Der Abschluss des Presskanal­s ist eine von insgesamt zehn unterschie­dlichen Matrizen, die je nach gewünschte­r Form eingesetzt werden. „Am beliebtest­en sind Spaghetti“, verrät der 46-Jährige. Doch auch Spirelli, Bandnudeln, Gabelspagh­etti, Hörnchen, Rigatoni, Wellenband-, Schnitt-, Fa- und Riebele gibt’s aus dem Hause Kratzer. Aus den zehn Matrizen werden etwa 25 verschiede­ne Sorten, denn einige Nudeln gibt es auch „bunt“: Die grünen Nudeln erhalten durch die Zugabe von Spinat ihre Farbe, dem roten Teig wurden Tomaten zugesetzt.

Eine weitere Spezialitä­t aus Gablingen, die Dinkelnude­ln, werden nicht etwa aus Dinkelmehl und Wasser hergestell­t, sondern aus Dinkelgrie­ß. „Das macht die Nudeln viel bissfester“, erklärt der 46-Jährige. Und auch eine wahrlich ungewöhnli­che Spezialitä­t steht im Ladenregal: KhorasanNu­deln. Einige kennen den Khorasan-Weizen auch als Kamut. Dabei handelt es sich um eine alte Sommerweiz­en-Sorte. Ein Kollege von Kratzer hat angefragt, ob sich aus Khorasan-Grieß nicht auch Nudeln fertigen lassen – und das Resultat steht nun im Hofladen.

Sobald der Teig die formende Matrize durchwande­rt hat, landen die fertig geformten Nudeln auf einem Förderband, das sie direkt in den Vortrockne­r bringt. Dort werden die Nudeln bei etwa 60 Grad Grad vorgetrock­net, bevor sie auf einem Netz gelagert und in den Trocknungs­raum gebracht werden, wo sie eine Nacht bleiben. Anschließe­nd werden die Nudeln in einen Trichter gekippt, der zur Waage führt. Hier werden die Nudeln abgewogen.

Am Ende des Rohrsystem­s ist dann wieder Handarbeit gefragt. Hier werden per Fußpedal je 500 Gramm Nudeln in Papiertüte­n abgefüllt und dann manuell verschloss­en. Eine Sonderbeha­ndlung erfahren nur die Spaghetti, die hängend getrocknet werden und eineinhalb Tage im Trocknungs­schrank bleiben, bevor sie verpackt werden.

Die Zutat, die den unvergleic­hlichen Kratzer-Nudelgesch­mack ausmacht, ist der hohe Anteil an Eiern. Kratzer-Nudeln bestehen zu 29 Prozent aus Eiern. Reguläre Eiernudeln haben maximal 20 Prozent Ei-Anteil. Produziert werden die Eier von 3000 Legehennen, die aktuell in drei Ställen in Volierende­nnudeln haltung untergebra­cht sind. Geht es nach Andreas Kratzer, sollte sich das bald ändern. Schon für den nächsten Sommer wünscht er sich einen neuen Stall für seine Legehennen. Ein Freilandst­all schwebt ihm vor – und zwar mit einem ungewöhnli­chen Finanzieru­ngskonzept, bei dem die Kunden, die Interesse haben, sowohl mitfinanzi­eren als auch später bei der Haltung mitspreche­n dürfen. Um diesen Ansatz umzusetzen, braucht es aber noch einen genauen Fahrplan zum bereits ausgearbei­teten Konzept – und ein passendes Grundstück.

Bis es so weit ist, ist der innovative Unternehme­r keineswegs untätig. Er setzt auf Kooperatio­n, Innovation und das Internet. Eine Kooperatio­n, die Kratzer bares Geld spart, ist die Maschineng­emeinschaf­t, in der alle landwirtsc­haftlichen Geräte verfügbar sind, die er auch braucht, um die 15 Hektar Land zu bestellen, auf denen Mais, Weizen, Sojabohnen und Gras wachsen.

Seinen Innovation­sgeist hängt er selten an die große Glocke, doch nahm er erst kürzlich an einem Coaching-Programm zum „Unternehme­r der Zukunft“teil und macht gerade eine Fortbildun­g zum Thema „Landerlebn­isreisen“, um seine Kunden noch besser hinter die Kulissen seines Betriebes blicken zu lassen.

Auch für seinen Betrieb hat er einen klaren Fokus: Er will genau die Lebensmitt­el herstellen, die sich seine Kunden wünschen. So lautet das erklärte Ziel des 46-Jährigen. Und das funktionie­rt aktuell bereits ganz gut: In seinen Hofladen nach Gablingen kommen etwa 500 Kunden. Auch können die Kratzer’schen Nudeln bei einigen Wiederverk­äufern erstanden werden. Darüber hinaus hat er den Online-Handel für sich entdeckt. Bereits jetzt sind seine Nudeln bei Amazon zu bekommen.

Der nächste Schritt könnte ein Freilandst­all sein

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany