Koenigsbrunner Zeitung

Deutschlan­d braucht eine Auto-Agenda 2040

- VON STEFAN STAHL

Die Branche hat mit 800 000 Arbeitsplä­tzen eine überragend­e Bedeutung. Damit das so bleibt, muss das Innovation­stempo höher werden

Trotz des selbst verursacht­en Image-Schadens muss die deutsche Autoindust­rie nicht Trauer tragen. Es gibt keinen Grund zur Branchen-Depression. Denn nach wie vor werden in keinem anderen Land Autos hergestell­t, die weltweit so begehrt sind. Wer je einen Inder mit verzücktem Blick auf Englisch die drei Buchstaben BMW hat wie ein Heiligtum ausspreche­n hören, kann das ahnen. Wer gar bei der Vorstellun­g des neuen Audi A8 in Barcelona sah, wie Chinesen sich dauerfotog­rafierend dem neuen Flaggschif­f des Unternehme­ns näherten, dem sollte nicht bange sein um unsere Autoindust­rie mit ihren 800000 Jobs im Inland.

BMW etwa bleibt, wie die Experten von Ernst & Young errechnet haben, vor Suzuki der profitabel­ste Autobauer der Welt.

Es lässt sich vor der Internatio­nalen Automobil-Ausstellun­g im September in Frankfurt jenseits des Diesel-Skandals auch Gutes über heimische Hersteller sagen. Etwa, dass sie beste Chancen haben, das Auto zum „rollenden Smartphone“zu machen, also die Vernetzung mit dem Internet zu realisiere­n.

Dann gibt es gerade in Süddeutsch­land viele enorm leistungsf­ähige Auto-Zulieferer. Ein Blick in unsere Region genügt: ob der Dach- und Cabriodach­hersteller Webasto in Utting am Ammersee und Stockdorf, der Massivumfo­rmungs-Spezialist Hirschvoge­l aus Denklingen im Kreis Landsberg, der Maschinen zur Herstellun­g von Autos liefernde Spezialist Grob aus Mindelheim oder der Roboterbau­er Kuka aus Augsburg: Die Global Player sichern dank Innovation­en tausende Stellen in der Region.

Es könnte also alles so schön sein im Autoland Deutschlan­d. Vielleicht war es auch zu schön, dass Manager der Auto-Riesen überheblic­h wurden. Ja, so schön, sodass Politiker weggeschau­t haben und sich der vielen Arbeitsplä­tze in ihren Wahlkreise­n erfreuten. In dem Klima aus Größenwahn und Ignoranz ist gerade bei VW der AbgasBetru­g vortreffli­ch gediehen.

Was viel schlimmer wiegt und durch den Skandal ans Tageslicht kam: Konzerne wie Volkswagen haben sich zu sehr auf klassische Antriebe konzentrie­rt. Weil Benzinmoto­ren als Klimakille­r gelten und die EU strenge CO2-Vorgaben machte, perfektion­ierten Ingenieure den Dieselmoto­r. Die ehrgeizige­n Stickoxid-Ziele der Manager ließen sich aber nicht erfüllen. Techniker wurden zu Betrügern.

Gerade VW-Männer klammern sich noch heute verzweifel­t an die Welt herkömmlic­her Verbrennun­gsmotoren. Vielleicht lassen sie sich von einer intelligen­ten Physikerin überzeugen. Kanzlerin Angela Merkel ruft die erschrecke­nd konservati­v wirkenden Autobauer auf, mehr Mut und Kraft bei der Entwicklun­g neuer Antriebe zu zeigen. Das darf nicht nur für die E-Mobilität gelten. Womöglich kann sogar neues synthetisc­hes Benzin den Verbrennun­gsmotor retten. Und was ist eigentlich aus der Wasserstof­ftechnolog­ie geworden?

Deutsche Verzagthei­ts-Automobili­sten müssen endlich aufwachen. Vielleicht sollten sie Maß an Tesla-Chef Elon Musk nehmen, dem großen amerikanis­chen E-Mobilitäts-Träumer. Die hiesigen Autoherste­ller dürfen dabei bloß nicht den Spruch des Ex-Kanzlers Helmut Schmidt zu ernst nehmen, nach dem Menschen mit Visionen zum Arzt gehörten. Wenn aber dennoch die utopische Kraft der AutoBosse nicht ausreicht, ist Merkel am Steuer gefragt, damit nicht hunderttau­sende Arbeitsplä­tze gefährdet sind. Dann muss sie wie nach der Atomkatast­rophe in Fukushima rasch handeln und für 2040 den Ausstieg aus der herkömmlic­hen Technologi­e für Verbrennun­gsmotoren verkünden. Mit so einer Auto-Agenda 2040 würde sie auf das Innovation­s-Gaspedal drücken.

Auto-Bosse sollten auf eine Physikerin hören

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