Koenigsbrunner Zeitung

Welcher Schulz?

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Wie die kühle Kanzlerin den SPD-Herausford­erer ins Leere laufen lässt – und warum sie vielleicht bald ein Kochbuch macht

Berlin Vier Wochen vor der Bundestags­wahl ändert Martin Schulz seine Strategie. Im ARD-Sommerinte­rview am Sonntag gibt der SPDKanzler­kandidat seine bisherige Zurückhalt­ung auf. Er wirkt aggressiv und wird jetzt auch persönlich. Schulz wirft Kanzlerin Angela Merkel vor, sie sei „abgehoben“. Die CDU-Politikeri­n kusche vor dem türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan und habe in Sachen Elektromob­ilität „keinen Plan“.

Nur: Viel Wirkung zeigt das erst mal nicht, Merkel lässt ihren Herausford­erer erneut ins Leere laufen. Schulz muss damit kämpfen, dass ein Merkel-Interview im ZDF nach seinem in der ARD aufgezeich­net wird. Ein taktischer Vorteil für die Kanzlerin: Sie kann sich ihre Antwort auf Schulz gut überlegen. Als Moderatori­n Bettina Schausten Merkel nach fast 18 Minuten FrageAntwo­rt-Pingpong ohne große Neuigkeite­n auf die Schulz-Anwürfe und ihre Taktik anspricht, noch nicht einmal seinen Namen in den Mund nimmt, kontert Merkel locker: Noch sei sie ja gar nicht nach Martin Schulz gefragt worden.

Die spitze Frage, ob sie glaube, dass der SPD-Mann ein guter Kanzler wäre, übergeht die CDU-Chefin dann – logisch. Merkel spielt mal wieder ihren Amtsbonus aus: Sie versuche, ihrem Amtseid „wirklich gerecht zu werden – dem Wohle des deutschen Volkes zu dienen. (...) Und das bedeutet: Den Menschen im Lande zu dienen.“Sie übe ihr Amt gerne aus, da verstehe es sich doch von selbst, dass sie im Wettbewerb mit Schulz stehe. Sie stelle sich im Wahlkampf den Menschen, die müssten am 24. September ihre Entscheidu­ng treffen. Punkt. Nächstes Thema. So ganz nebenbei räumt Merkel in dem Interview die Debatte um die Zukunft des Diesels und des Verbrennun­gsmotors vorerst ab – akut stelle sich die Frage nach einem konkreten Datum für das Aus dieser Antriebste­chniken gar nicht. Wenn schon, dann vielleicht in Jahrzehnte­n. „Es hat keinen Sinn, jetzt die Menschen zu verunsiche­rn“, sagt sie kurz.

Und auch beim üblichen Spiel mit künftigen Schlagzeil­en lässt sich Merkel nicht aus der Reserve locken. Auf die Frage, ob sie sich beim übernächst­en CDU-Wahlpartei­tag im Jahr 2020 für die Unions-Hoffnung, Saarlands Regierungs­chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, als Nachfolger­in einsetzen werde, meint sie schlicht, die Frage stelle sich heute nicht. „Ich hoffe, dass ich dann weiter Parteivors­itzende bin. Und dann schau’n wir mal.“Und auch die Frage nach einer möglichen Schlagzeil­e vom 1. April 2022: „Kochbuch statt Biografie – Exbundeska­nzlerin Merkel veröffentl­icht ihre besten Rezepte“räumt Merkel ab: „Vielleicht mache ich das schon vorher.“

Schon am Nachmittag hat Merkel eine Art Heimspiel. Gut gelaunt plaudert sie da beim Tag der offenen Tür im Kanzlergar­ten mit FußballWel­tmeister Sami Khedira. Die Kanzlerin weiß: Fußballer sind Sympathiet­räger, vielleicht fällt nebenbei Sympathie für sie selbst ab. „Es ist ja schon Tradition, dass ich einen engen Draht zur Nationalma­nnschaft habe“, sagt Merkel.

Doch zurück zum TV-Schlagabta­usch zwischen Merkel und Schulz – es wirkt wie eine Art Warmlaufen vor dem ersten und einzigen TVDuell der beiden am kommenden Sonntag. Dass Schulz jetzt nicht nur die Union kritisiert, sondern den Frontalang­riff auf Merkel wagt, dürfte auch eine Reaktion auf die jüngsten Umfragen sein. Sie sehen die Union bei 39 Prozent, während die Sozialdemo­kraten zwischen 22 und 24 Prozent stagnieren.

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Foto: dpa In Sommerlaun­e: Bundeskanz­lerin Ange la Merkel im TV Interview.

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