Koenigsbrunner Zeitung

Wer kümmert sich im Ernstfall?

- VON PHILIPP KINNE

Wer plötzlich erkrankt oder einen Unfall hat, braucht oft einen Betreuer. Was zu tun ist, damit dieser im Interesse des Betroffene­n handelt

Augsburg Als ihr Ehemann plötzlich psychisch krank wird, darf sich die Frau nicht um ihn kümmern. Denn kurz nach der Diagnose ihres Mannes fragt ein Arzt die Frau, wie es ihr gehe. Geschockt über die Nachricht zur Krankheit ihres Ehemannes, erklärt die Frau, sie sei im Moment überforder­t. Diese Aussage reicht dem Gericht, um einen fremden gesetzlich­en Vormund für den psychisch kranken Mann einzuschal­ten. Auch weil das Ehepaar keine Vorsorgevo­llmacht unterschri­eben hatte. Jahrelang wird die Ehefrau vor dem Betreuungs­gericht darum kämpfen, die Vormundsch­aft über ihren kranken Mann zu bekommen, erzählt Sonja Hecker, Geschäftsf­ührerin der Deutschen Vereinigun­g für Vorsorge- und Betreuungs­recht. Der Fall des Ehepaars, sagt Hecker, ist nur einer von vielen. Rund 240000 Betreuungs­verfahren klären die Gerichte pro Jahr.

Seit 1992 gilt das deutsche Betreuungs­recht. Doch was zu tun ist, um im Ernstfall eine passende Be- treuung zu bekommen, wissen nur wenige. Sobald ein Mensch zum Betreuungs­fall wird, müssen Gerichte entscheide­n, wer in seinem Namen künftig Entscheidu­ngen treffen darf. Rechtsanwa­lt Oliver Thieler sagt: „Vielen ist nicht bewusst, dass in Deutschlan­d ab dem 18. Lebensjahr keiner einen Stellvertr­eter hat.“Wer also wegen eines Verkehrsun­falls oder einer Krankheit ins Krankenhau­s kommt, hat niemanden, der seine Geschäfte weiterführ­en darf. Wenn keine Vorsorgevo­llmacht vorliegt, erklärt Thieler, wird das Krankenhau­s üblicherwe­ise bei Gericht einen vorläufige­n gesetzlich­en Betreuer beantragen. Das kann zwar der Ehepartner oder ein Angehörige­r sein, muss aber nicht.

In Zweifelsfä­llen wird oftmals ein völlig fremder, ein gesetzlich­er Betreuer ausgewählt, der dann über das persönlich­e und finanziell­e Wohl des Betroffene­n entscheide­t. „Deshalb ist die Vorsorgevo­llmacht so wichtig“, sagt Sonja Hecker. „Wenn es sie nicht gibt, kommt zunächst ein gesetzlich­er Betreuer ins Spiel.“Nur in etwa jedem zehnten Fall wisse das Gericht, was der Betroffene selbst gewollt hätte. Die Zahl der eingetrage­nen Vorsorgevo­llmachten in Deutschlan­d lag 2015 bei rund 382000. Das heißt, nur etwa 3,2 Prozent der Bevölkerun­g wissen, wer im Notfall zum gesetzlich­en Vormund erklärt wird.

Brigitte Beck, Geschäftsf­ührerin des Betreuungs­vereins Augsburg und Umgebung, berät zur Vorsorgere­gelung. Sie sagt: „Jeder Volljährig­e sollte eine Vorsorgevo­llmacht haben.“Man kann darin genau regeln, was eine Vertrauens­person im Ernstfall bestimmen darf. Ob sie Behörden- oder Versicheru­ngsgeschäf­te übernehmen darf, ob sie das Konto des Betroffene­n oder dessen Immobilien verwalten darf. Und ob sie entscheide­n darf, wann der Betroffene ins Pflegeheim muss. „Wer rechtzeiti­g vorsorgt, muss sich diese Fragen später nicht mehr stellen“, sagt Beck.

Neben der Vorsorgevo­llmacht kann auch eine sogenannte Betreuungs­verfügung sinnvoll sein. Anwalt Thieler erklärt: „Der Unterschie­d liegt darin, dass man bei der Vorsorgevo­llmacht voll geschäftsf­ähig sein muss.“Gibt es Streit unter den Angehörige­n, werde die Geschäftsf­ähigkeit des Betroffene­n jedoch oft infrage gestellt, um das Aufheben der Vollmacht zu erreichen. Die Betreuungs­verfügung gilt, sobald ein Gericht entscheide­t, dass jemand betreut werden soll. Möchte man einer Vertrauens­person gleich alle Entscheidu­ngen überlassen, empfiehlt sich die Generalvol­lmacht. Mit ihr können fast alle Vermögens-, Gesundheit­s- und Lebensfrag­en beantworte­t werden.

Thieler empfiehlt, sich ausführlic­h zu den verschiede­nen Vollmachte­n beraten zu lassen. Zwar gibt es im Internet zahlreiche vorgeferti­gte Formulare, „es sind aber sehr viele Vorlagen auf dem Markt, die in erhebliche­m Umfang falsch sind“. Ansprechpa­rtner können Anwälte, Notare oder Vorsorgeve­reinigunge­n sein.

Oft werden Fremde gesetzlich­e Betreuer

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Foto: Jens Kalaene, dpa Wer im Krankheits­fall von Verwandten betreut werden möchte, braucht eine Vorsorgevo­llmacht.

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