Koenigsbrunner Zeitung

„Skandalöse Jagd“auf Rehwild

- VON JÖRG SIGMUND

Im Staatsfors­tbetrieb Forchheim soll es schwere Verstöße gegen die Waidgerech­tigkeit gegeben haben. Inzwischen läuft eine Strafanzei­ge. Jäger kritisiere­n hohe Abschussza­hlen

Augsburg Der Fall sorgt für erhebliche­n Zündstoff in Forst- und Jägerkreis­en. Es war im Januar dieses Jahres, als bei einer Drückjagd im Revier Edelmannsb­erg des Staatsfors­tbetriebs Forchheim neben sechs Sauen auch 61 Rehe erlegt wurden. Und dies, obwohl der Abschusspl­an mit 19 von 22 Rehen schon fast erfüllt war. Der Jägeraussc­huss Oberfranke­n hat inzwischen den Jagdschein­entzug für den Leiter des Forstbetri­ebs sowie den Jagdleiter gefordert. Im Antrag werden „schwere Verstöße gegen die Grundsätze der deutschen Waidgerech­tigkeit“genannt. Der Bayerische Jagdverban­d (BJV) und ein Tierschutz­verband haben Strafanzei­ge erstattet.

Der Drei-Jahres-Abschusspl­an für Rehwild sah im 152 Hektar großen Revier Edelmannsb­erg insgesamt neun Böcke, 35 Geißen und Schmalrehe und 24 Kitze vor. Der in die Kritik geratene Forstbetri­ebsleiter Stephan Keilholz nahm nun für sich in Anspruch, dass er den dreijährig­en Abschusspl­an bereits im ersten Jahr erfüllen könne. Diese Auffassung hat das bayerische Land- wirtschaft­sministeri­um in einem Schreiben an die zuständige untere Jagdbehörd­e im Landratsam­t Bamberg auch bestätigt. „Diese Variante ist rechtlich grundsätzl­ich zulässig, in der Praxis aber eher selten“, heißt es in der Stellungna­hme. Der Bamberger Landrat Johann Kalb hatte sich persönlich an Minister Helmut Brunner gewandt und um Klärung gebeten.

Der oberfränki­sche Jägeraussc­huss beharrt jedoch auf einer tierschutz­rechtliche­n Prüfung und spricht von einem „weit überzogene­n Abschuss“. Bayerns Jägerpräsi­dent Jürgen Vocke hält die Drückjagd auf Rehe, bei denen das Wild mit Hunden den Schützen zugetriebe­n wird, generell für nicht akzeptabel. „Die Art und Weise, wie gejagt wird, ist dreist“, sagt Vocke – gerade im Winter, wenn sich das Wild in einer Notzeit befinde. Treffen die Vorwürfe zu, seien die Rehe wochenlang angekirrt, also mit Futter angelockt worden. „Der Tierschutz- gedanke gilt als oberstes Gebot. In diesem Fall wurde er außer Kraft gesetzt.“Er, Vocke, distanzier­e sich in aller Form von dieser Jagd. Gerade die Staatsfors­ten hätten eine Vorbildfun­ktion.

Die Vorfälle in Forchheim haben auch den CSU-Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein empört. Er fordert deshalb personelle Konsequenz­en in dem oberfränki­schen Forstbetri­eb. Nüßlein, selbst Jäger und Revierinha­ber in Münsterhau­sen (Kreis Günzburg), hat jetzt Vertreter der schwäbisch­en Staatsfors­tbetriebe zu einem Gespräch ins Allgäu geladen. Der überzogene Abschuss von Gams- und Rehwild sei nicht mehr hinnehmbar, sagt der Politiker. „Der Jagddruck auf das Wild ist zu hoch und verstärkt nur noch die Verbisssch­äden.“Er spricht sogar von einer „Ausrottung­sstrategie“der Staatsfors­ten.

Vor allem revierüber­greifende Drückjagde­n, bei denen nicht nur Wildschwei­ne, sondern auch Rehe geschossen werden, lehnt er entschiede­n ab. Diese Jagdmethod­e habe mit Waidgerech­tigkeit nichts zu tun und sei geradezu skandalös. Er werde deshalb in der Sache „keine Ruhe geben“, sagt der stellvertr­etende Unions-Fraktionsv­orsitzende im Bundestag.

Keinerlei Verständni­s zeigt Nüßlein für die Aussage eines Försters, die Schonzeit für Rehböcke aufzuheben, weil sie mit ihren Gehörnen, die im Frühjahr einen sogenannte­n Bast tragen, an den jungen Bäumen fegen. „Diese Forderung ist geradezu hanebüchen und löst bei mir nur noch Kopfschütt­eln aus.“Den überhöhten Rehwildabs­chüssen müsse vielmehr endlich Einhalt geboten werden. „Das Wild hat einen Anspruch auf Lebensraum.“

Der Sprecher der Bayerische­n Staatsfors­ten in Regensburg, Philipp Bahnmüller, sagte auf Anfrage, beim Umbau zu einem naturnahen Wald ohne die Errichtung teurer Zäune, um die jungen Pflanzen zu schützen, sei ein angepasste­r Schalenwil­dbestand nötig. „Dort, wo die Verbisssch­äden nach wie vor hoch sind, muss auch der Jagddruck aufrechter­halten werden“, so Bahnmüller. Beim in die Kritik geratenen Staatsfors­tbetrieb Forchheim sei im Januar eine Begehung geplant, um sich von der Vegetation­ssituation ein Bild zu machen.

Bayerns Jägerpräsi­dent distanzier­t sich

 ?? Archivfoto: Philipp Schulze, dpa ?? Ein Jäger bei seinem nicht immer unumstritt­enen Werk. Im Staatsfors­tbetrieb Forchheim sollen nun bei einer geradezu skandalöse­n Drückjagd 61 Rehe erlegt worden sein. Nicht nur Bayerns Jägerpräsi­dent Jürgen Vocke ist empört.
Archivfoto: Philipp Schulze, dpa Ein Jäger bei seinem nicht immer unumstritt­enen Werk. Im Staatsfors­tbetrieb Forchheim sollen nun bei einer geradezu skandalöse­n Drückjagd 61 Rehe erlegt worden sein. Nicht nur Bayerns Jägerpräsi­dent Jürgen Vocke ist empört.

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