Koenigsbrunner Zeitung

Videobewei­s beweist nichts

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Von jenem Tag an, an dem der Videobewei­s sprachlich das Licht der Welt erblickte, zieht sich ein Graben durch das deutsche Fußball-Land, gegen den die Münchner Spaltung in Rot und Blau nur eine regionale Furche ist. Der Videobewei­s hat Fußball-Experten, Ahnungslos­e und Schiedsric­hter gegeneinan­der aufgebrach­t. Die Traditiona­listen haben sich um den Niedergang der montäglich­en Kantinenge­spräche gesorgt, die nicht unwesentli­ch von Fehlurteil­en der Unparteiis­chen gefüttert waren. Die Fortschrit­tlichen haben das Ende von Fehlurteil­en und Ungerechti­gkeiten auf Rasenfelde­rn gepredigt, was den bedauernsw­erten Schiedsric­htern ihre Würde zurückgibt. Die Unparteiis­chen selbst wiederum fühlten sich vom elektronis­chen Auge überwacht und entmündigt.

Jetzt, nach zwei videobeweg­ten Spieltagen, ist klar: Der Videobewei­s schützt nicht vor Fehlentsch­eidungen. Das elektronis­che Auge, sofern es denn technisch funktionie­rt, sieht nicht alles, weshalb in den montäglich­en Kantinenge­sprächen zwischen Kartoffels­uppe und Feldsalat weiter die „blinde Bratwurst“stattfinde­t.

Möglicherw­eise ist es gegenüber dem Videobewei­s nicht fair, Rudi Völler als Zeugen aufzurufen. Völler urteilt traditione­ll hart – vor allem dann, wenn Schiedsric­hter zum Nachteil von Bayer Leverkusen entscheide­n. Das war nach seiner Ansicht beim 2:2 gegen Hoffenheim der Fall. Völler hatte im Stadion ein Foulspiel des Hoffenheim­er Torschütze­n Mark Uth am Leverkusen­er Benjamin Henrichs entdeckt. Der Videoschie­dsrichter dagegen hatte nach Begutachtu­ng der 17 Videokamer­as kein Foul erkennen können. Die Empfehlung des Leverkusen­er Adlerauges: „Wenn die Jungs vor dem Fernseher einschlafe­n, brauchen wir auch keinen Videobewei­s. Dann können wir die ganze Nummer abstellen.“

Ähnlich weit gingen die Meinungen in Augsburg auseinande­r. Gladbachs Yannick Vestergaar­d berührte den Ball im Strafraum mit dem Arm. Aber absichtlic­h, was Kriterium für den Elfmeterpf­iff gewesen wäre? Nicht einmal die unnatürlic­he Bewegung als Indiz für die Tat ist zweifelsfr­ei belegt. Im Zweifel aber hat der Video-Assistent zu schweigen. Was helfen seine Zweifel dem zweifelnde­n Schiedsric­hter und was helfen Völlers Empfehlung­en dem Fußball? Nichts. Sie beschädige­n ein System, das mit der Hoffnung auf fehlerfrei­e Regelausle­gung überfracht­et ist. Auch wenn irgendwann 100 Kameras ein Spielfeld überwachen, werden Schiedsric­hter entscheide­n müssen. Sie hinterher als Schlafmütz­en abzukanzel­n ist dumm und ein Tritt vor das Schienbein aller, die sich händeringe­nd um Schiedsric­hternachwu­chs bemühen.

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Rudi Völler
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