Koenigsbrunner Zeitung

Wie der Gögginger Jugendstil ins Trentino kam

Die Eltern des ehemaligen Bürgermeis­ters Leo Eichleitne­r waren bitterarme Bergbauern in einer altbayeris­chen Enklave

- VON HEINZ MÜNZENRIED­ER

Wer Trient in Norditalie­n besucht, um dort die Kathedrale San Vigilio und die Renaissanc­epaläste zu sehen, der kann leicht in einer Tagesexkur­sion auf Gögginger Spuren wandeln. Dazu muss der Reisende zu einer Stippvisit­e ins östlich von Trient hinter Pergine beginnende Fersental aufbrechen. 40 Kilometer sind es bis zu dessen Hauptort Palai. Ein wenig Sprachplur­alität ist dort angesagt.

Durch Dekret der autonomen Provinz Trient aus dem Jahre 1987 haben nämlich die Ortsbenenn­ungen und amtlichen Dokumente zweisprach­ig zu erfolgen: Italienisc­h und Bersntoler­isch. Im südlichen Teil des Fersentale­s wird dieses „Altbairisc­h“schon seit dem 13. Jahrhunder­t gesprochen, erklärt Leo Toller, der in Palai der Verantwort­liche des Bersntoler Kulturinst­ituts ist, das auch Führungen und Ausstellun­gen zu Kultur und Sprache des Tales anbietet.

Die jetzigen Bersntoler, etwa tausend dürften es sein, sind meist die Nachfahren von Bergwerksk­nappen, die der Fürstbisch­of von Trient vielfach aus Bayern zum Silberabba­u anwarb und die, als die Gruben unrentabel wurden, zu kleinen Bergbauern wurden. Ertragreic­he Böden waren es nicht, die sie an den schattigen Nordhängen des hinteren Fersentale­s erhielten. Leo Toller macht auf einen anderen Aspekt aufmerksam: Das von den Österreich­ern, das Trentino gehörte bis 1918 zur Donaumonar­chie, so benannte Fersental („altbairisc­h“Bersntol) nennen die Italiener jetzt Val Fersina oder Val dei Mocheni. Letzteres sei eine historisch nicht belegte, aber wohl zutreffend­e Anspielung darauf, dass die damals bettelarme­n Bersntoler außerhalb des Tales mit einem „Dös konn i dir scha mochen“ihre einfachen Dienste anboten.

Zu dieser „altbairisc­hen“Sprachinse­l im Fersental zählen die drei Gemeinden Gereut (ital. Frassilong­o), Florutz (ital. Fierozzo) und Palai (ital. Palu del Fersina) jeweils mit oft weit entfernten Fraktionen und Weilern. Zwei solcher zu Frassilong­o gehörenden Orte sind Oachleit/ Eichleit (ital. Roveda) und Kamaovrunt (ital. Kamauz). Beide sind über ein vor Frassilong­o abzweigend­es Bergsträßc­hen zu erreichen.

Und spätestens jetzt wird die Verbindung zu Göggingen deutlich. Schließlic­h gibt es dort die Eichleitne­rstraße. Und ja, das Örtchen Eichleit hat eine enge Beziehung zum bis 1972 selbststän­digen Augsburger Stadtteil Göggingen. Was wiederum an der Not der Bergbauern lag, die damals viele zur Emigration zwang. So wanderten vor etwa 200 Jahren auch die Vorfahren des von 1887 bis 1917 amtierende­n Gögginger Bürgermeis­ters Leo Eichleitne­r aus. In mehreren Generation­sschritten kamen sie nach Göggingen.

Sie nannten sich, die Erinnerung hochhalten­d, nach dem Ort ihrer Herkunft und vergaßen diese nicht. Denn in dem St.-Romedius-Bergkirchl­ein in Eichleit findet sich ein Kirchenfen­ster, das aus Augsburg stammt und von Leo Eichleitne­r gestiftet worden ist. Er, der das Glaserhand­werk und die Glasmalere­i beherrscht­e, heiratete in Göggingen eine Glasermeis­terstochte­r und machte sich einen guten Namen. Noch heute schmücken seine bemalten Glasfenste­r u. a. die Gögginger Hessingkir­che und die ev. Dreifaltig­keitskirch­e. 1912 spendierte er Eichleit die im Jugendstil gehaltenen, beeindruck­enden Glasfenste­r. Der nicht leichte Weg der Eichleitne­r vom Trientiner Bergnest ins Gögginger Bürgermeis­teramt zeigt, was aus denen, die in die Fremde gehen, werden kann.

Der Autor war in Göggingen Gemeindein­spektor und später Augsburger Stadtdirek­tor.

 ?? Foto: Sammlung Münzenried­er ?? Leo Eichleitne­r dokumentie­rte 1912 den Einbau seiner Jugendstil Glasfenste­r ins St. Romedius Bergkirchl­ein in Eichleit.
Foto: Sammlung Münzenried­er Leo Eichleitne­r dokumentie­rte 1912 den Einbau seiner Jugendstil Glasfenste­r ins St. Romedius Bergkirchl­ein in Eichleit.
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Foto: Gögginger Geschichts­kreis Bürgermeis­ter Leo Eichleitne­r.

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