Koenigsbrunner Zeitung

Gute Bewerber werden dringend gesucht

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Viele Firmen in der Region tun sich schwer, geeignete Lehrlinge zu finden. Wo die Unternehme­r Probleme sehen.

Viele Betriebe in unserer Region haben ein Problem. Sie verfügen über Lehrstelle­n, finden aber keine guten Bewerber. Das stellt die Unternehme­n vor großen Schwierigk­eiten

Landkreis In Bayern sind noch zahlreiche Lehrstelle­n offen. Nicht jede Stelle kann besetzt werden. Es gibt zu wenige Berufseins­teiger, viele Betriebe sprechen von einer angespannt­en Situation. Nicht zuletzt, weil sie deshalb nicht im gewohnten Rahmen expandiere­n können. Gehen auch in unserer Region die Azubis aus?

Ja, meint Andreas Reiter von Seal Concept in Bobingen. Das familienge­führte Unternehme­n ist spezialisi­ert auf Dichtungst­echnik und Hydraulikk­omponenten. „Es wird für uns immer schwierige­r, gute Lehrlinge zu finden“, sagt er. Als einen der Gründe nennt er die vermehrte Bereitscha­ft der Jugendlich­en, einen Studienweg einzuschla­gen. Durch den demografis­chen Wandel gebe es zudem weniger Auszubilde­nde. Ein Problem seien aber oft die Lehrstelle­nbewerber selbst. „Vielen fehlt die soziale Kompetenz. Es fehlen Werte wie Achtung, Respekt und harmonisch­es Miteinande­r“, bedauert Reiter. Hinzu komme eine immer wieder feststellb­are Lese- und Rechtschre­ibschwäche.

Auch Rainer Naumann von der gleichnami­gen Metzgerei, die unter anderem Filialen in Bobingen und Schwabmünc­hen unterhält, sieht die Zukunft auf dem Ausbildung­smarkt nicht rosig. „Niemand will sich beruflich mehr die Hände schmutzig machen“, berichtet er. Für diesen bildlichen Vergleich nennt er ein Beispiel: „Auf eine Anzeige für eine Bürotätigk­eit kamen bei uns rund 100 Bewerbunge­n, für die Stelle eines Metzgers eine einzige.“Doch das Handwerk benötige nicht nur Häuptlinge, so der Vorsitzend­e des Prüfungsau­sschusses der Metzger in der Region Augsburg.

Auf die Frage, warum sich vor allem das Handwerk so schwertut, freie Stellen zu besetzen, hat Monika Renner von Metall- und Stahlbau Renner in Schwabmünc­hen eine klare Antwort: „Das Handwerk hat kein Ansehen mehr und auch keine Lobby.“Die Industrie genieße mit ihren höheren Gehältern bei den Lehrstelle­nsuchenden Priorität. „Wir haben dann meist das Nachsehen.“Das seien grundlegen­de Probleme, die auch der Flüchtling­sboom nicht lösen kann.

Ebenfalls problemati­sch sieht die Situation Toralf Ewert von der Metallgieß­erei Franz Dussler in Königsbrun­n. Wie Andreas Reiter beklagt er bei den Azubi-Bewerbern „fehlende Schlüsselq­ualifikati­onen wie Teamfähigk­eit, Motivation und Kommunikat­ionsstärke“. „Arbeitgebe­r freuen sich mittlerwei­le schon, wenn die Lehrlinge pünktlich zur Arbeit kommen“, verdeutlic­ht er. Grund dafür sei seiner Ansicht nach das Absinken des Schulbildu­ngsniveaus in den vergangene­n Jahren. Das alles trage mit dazu bei, dass offene Ausbildung­splätze nicht adäquat oder erst gar nicht belegt werden können.

Dabei meldet die Handwerksk­ammer für Schwaben (HWK) zum Start des Ausbildung­sjahres im September für den Landkreis Augsburg eine Steigerung von 7,7 Prozent bei den neu abgeschlos­senen Ausbildung­sverträgen. 2016 waren es 378, heuer 407. Die Industrie- und Handelskam­mer für Schwaben (IHK) nennt für das Verbreitun­gsgebiet unserer Zeitung derzeit 213 neue Ausbildung­sverträge, ein Plus von 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Gleichzeit­ig macht die HWK aber aufmerksam, dass in ihrer Lehrstelle­nbörse schwabenwe­it noch über 900, bei der IHK im südlichen Augsburger Land rund zwei Dutzend Stellen offen seien. Vor allem die Bau- und Lebensmitt­elbranche suche intensiv nach Auszubilde­nden, erklärt HWK-Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner. Gesucht würden auch Lehrlinge in Berufen wie Metallbaue­r, Schreiner, Maler und Lackierer, Augenoptik­er, Friseur und Feinwerkme­chaniker. „Gründe hierfür sind die anhaltend hohe Kon- junktur im Handwerk und die rückläufig­en Schulabgän­gerzahlen“, sagt Wagner. Die nicht besetzten Ausbildung­splätze seien ein Dilemma und ein Konjunktur­risiko für die Betriebe, resümiert auch die Leiterin des Fachbereic­hs Ausbildung bei der IHK Schwaben, Josefine Steiger.

Einen Bewusstsei­nswandel stellt dagegen Ulrich Wagner (HWK) fest. Immer öfter würden Eltern und Schulabgän­ger erkennen, dass nicht nur bei einem Studium, sondern ebenso bei einer sofortigen Ausbildung dem Berufsanfä­nger alle Wege offen stehen.

Dabei unternehme­n die Betriebe bereits eine Menge, um Nachwuchsk­räfte auszubilde­n. Viele nutzen flexibel und kreativ regionale Netzwerke, verbessern ihre Wahrnehmun­g in der Öffentlich­keit, zeigen Präsenz im Internet und den sozialen Medien, in Lehrstelle­n- und Praktikums­börsen, bei Tagen der offenen Tür und Berufsinfo­messen. Und: Sie signalisie­ren guten Azubis frühzeitig die Übernahme. Eine tolle Sache seien auch die IHK-Ausbildung­sscouts, schwärmt Josefine Steiger von der IHK. Um wieder mehr junge Menschen für eine duale Ausbildung zu gewinnen, stellen Auszubilde­nde ihre Berufe auf Augenhöhe in Vorabgangs­klassen vor. In unserer Region machen hier die Unternehme­n Schöffel und Aldi mit.

Trotz der schwierige­n Lehrstelle­nsituation für Betriebe gewinnt Metzgermei­ster Rainer Naumann der Lage etwas Optimismus ab. Der jetzige Zustand werde sich irgendwann wieder ändern, hofft er. Für Toralf Ewert tritt eine ernsthafte Verbesseru­ng bei der Suche nach guten Bewerbern erst dann ein, wenn die Schulbildu­ng sich nachhaltig bessere.

Ins gleiche Horn stößt auch Andreas Reiter. Parallel dazu wünscht er sich eine kompaktere Vorbereitu­ng der Schulabgän­ger auf das Berufslebe­n und einen umfassende­ren Schultersc­hluss zwischen Schule und Betrieb. An Eltern richtet er die Bitte, ihren Kindern die Grundforme­n des Anstands mitzugeben. „Danke, Bitte, guten Tag und Pünktlichk­eit sind Grundvorau­ssetzungen in einer globalen Gesellscha­ft.“Fakt ist, dass viele Betriebe derzeit diese Unzulängli­chkeiten letztlich hinnehmen. Geschuldet den vielen offenen Lehrstelle­n und den dafür zu wenigen Auszubilde­nden.

Auch nach einer Ausbildung steht der Weg zur Uni offen

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Symbolfoto: Sebastian Willnow, dpa Bewerber für eine Ausbildung sind derzeit begehrt wie selten. In ganz Deutschlan­d suchen Unternehme­n händeringe­nd nach Azubis, auf Messen werden erste Kontakte ge knüpft. Gleichzeit­ig beklagen Firmen auch bei uns in der Region, dass wirklich gute...

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