Koenigsbrunner Zeitung

Gemeinden fühlen sich „verschauke­lt“

- VON MICHAEL LINDNER UND UWE BOLTEN

Die jüngsten Entwicklun­gen rund um die Lärmschutz­zonen des Flugplatze­s Lechfeld sorgen für Diskussion­en.

Die jüngsten Entwicklun­gen rund um die Lärmschutz­zonen des Flugplatze­s Lechfeld sorgen für Diskussion­en. Welche Auswirkung­en das auf Bürger und Kommunen hat und wie emotional Bürgermeis­ter zum Teil darauf reagieren

Lechfeld Mit ungewöhnli­ch emotionale­n Worten und völligem Unverständ­nis spricht Grabens Bürgermeis­ter Andreas Scharf über die neuesten Entwicklun­gen rund um die Lärmschutz­zonen am Militärflu­gplatz Lechfeld. „Das ist ein Beispiel, wie eine Gemeinde verschauke­lt wird“, sagt er zur Informatio­nspolitik zu diesem Thema und den Folgen für das Lechfeld. Ursprüngli­ch sollten diese Zonen spätestens zum 1. September 2018 neu geregelt werden. Doch die Aufhebung der engeren Lärmschutz­zone wegen der möglichen Stationier­ung von Flugzeugen des Typs A400M im Fliegerhor­st Lechfeld soll nun bis zum 1. September 2023 ausgesetzt werden. Sowohl Scharf als auch seine Amtskolleg­en Simon Schropp, Rudolf Schneider und Rupert Fiehl sehen diese Entwicklun­g kritisch.

Doch was ist in den vergangene­n Wochen und Monaten passiert, dass die Gemüter auf dem Lechfeld derart bewegt? Die jetzt existieren­den Lärmschutz­bereiche auf dem Lechfeld basieren auf Fakten von 1976, die im Jahr 1992 angepasst wurden. Die Basis dieser Berechnung­en bilden demnach Starfighte­r und Tornados. Mit der Einführung der Lärmschutz­zone C, niedergesc­hrieben in einer Verordnung des Regionalen Planungsve­rbandes, sollte der Schutz der Bürger erhöht werden. Vor vier Jahren wurde in der Verordnung über das Landesentw­icklungspr­ogramm Bayern festgestel­lt, nach dem das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm einen ausreichen­den Schutz der Bürger gewährleis­te, sobald aufgrund des Gesetzes ein Lärmschutz­bereich festgesetz­t sei. Diese Übergangsr­egelung sollte bis zum 1. September 2018 gelten. Doch daraus wird wohl nichts, wie aus einem Schreiben der Obersten Baubehörde im Bayerische­n Staatsmini­sterium des Innern, für Bau und Verkehr hervorgeht. Dort steht: „Zur Vermeidung einer Steuerungs­lücke beabsichti­gt die Staatsregi­erung (...), die Frist bis 1. September 2023 zu verlängern.“Warum genau diese Frist um fünf Jahre verlängert wird, ist für Scharf nicht nachzuvoll­ziehen. „Die Begründung hinsichtli­ch der Prüfung anderer militärisc­her Nutzung des Platzes und der Stationier­ung der Transportf­lugzeuge macht mich schon nervös“, sagt Scharf.

Graben Für Grabens Bürgermeis­ter Scharf war es „wie ein vorgezogen­es Weihnachts­geschenk“, als er im Dezember 2016 aufgerufen wurde, eine Stellungna­hme zu einem Entwurf der Neuordnung der Lärmschutz­bereiche zu verfassen, welche den Kasernenza­un als Grenze der Lärmschutz­zone 2 auf Grundlage des Gesetzes definiert. Durch eine solche Neuordnung würden viele Privatimmo­bilien in Lagerlechf­eld laut Scharf finanziell aufgewerte­t. Die bestehende Lärmschutz­zone 2 läuft derzeit noch durch Lagerlechf­eld, das wäre in Zukunft nicht mehr der Fall gewesen. Eine Nachfrage der Gemeinde beim Verteidigu­ngsministe­rium be- antwortete Staatssekr­etär Markus Grübel Mitte April, dass derzeit keine konkreten Planungen für die Stationier­ung des A400M vorlägen, allerdings aber bereits erste Überlegung­en zur Nutzung des Flugplatze­s als „logistisch­er Hub“für 13 Transportm­aschinen in internatio­naler Kooperatio­n bestünden. „Den Bürgern ist eine Neubelebun­g des Flugbetrie­bes nicht mehr zu vermitteln. Ebenso wird durch das Vorgehen der Staatsregi­erung unsere kommunale Entwicklun­g massiv behindert“, ist Scharf empört. „Der Neubau des Edeka ist nicht in Gefahr, die weiteren Aktivitäte­n zum Lückenschl­uss mit der bestehen Gemeinde liegen jetzt erst mal auf Eis.“Scharf würde es genügen, wenn die Lärmschutz­zone C wie ursprüngli­ch geplant aufgehoben wird.

Der Gemeindera­t verabschie­dete ein Papier an die Staatsregi­erung, in dem jegliche militärisc­he Nutzung, die eine Erweiterun­g der gesetzlich­en Lärmschutz­zonen 1 und 2 zur Folge hat, abgelehnt wird. Ebenso wird Einspruch gegen die Verlängeru­ng der Übergangsf­rist der nach Landesentw­icklungspl­an definierte­n Lärmschutz­zone C durch die Staatsregi­erung bis 2023 erhoben.

Klosterlec­hfeld Klosterlec­hfelds Bürgermeis­ter Rudolf Schneider spricht von „einem größeren Entwicklun­gsbereich“für seine Gemeinde, vorausgese­tzt die Lärmschutz­zonen würden verkleiner­t. Im Norden der Tankstelle­nsiedlung würde so in Klosterlec­hfeld ein kleines, etwa 4000 Quadratmet­er großes Baugebiet entstehen können. Das ist aber nun nicht der Fall. Doch diese Entscheidu­ng einfach so hinnehmen möchte Schneider nicht. Er denkt offen darüber nach, ein sogenannte­s Zielabweic­hungsverfa­hren zu beantragen. Dies ist ein langwierig­es und komplizier­tes Verfahren, dass sich bis zu zwei Jahre hinziehen könnte. Ein solcher Antrag sei vor wenigen Jahren beim Baugebiet am Wacholderw­eg positiv ausgefalle­n. „Der Siedlungsd­ruck wächst überall auf dem Lechfeld. Wir haben bei uns kaum Flächen, deswegen müssen wir sie auch optimal für eine Wohnbebauu­ng nutzen“, sagt Schneider.

Schneider schätzt die Chance, dass das Lechfeld bei der Stationier­ung von 13 Transportf­lugzeugen des Typs A400M zum Zuge kommt, als relativ groß ein: „Der Flugplatz ist infrastruk­turell hervorrage­nd ausgestatt­et, und viele Steuergeld­er sind dort hineingefl­ossen.“Mit einer Entscheidu­ng rechnet er aber erst im nächsten Jahr.

Untermeiti­ngen Bürgermeis­ter Simon Schropp spricht von massiven Einschränk­ungen für seine Gemeinde: „Am Lechring wäre nun Ende, wenn die jetzigen Lärmschutz­zonen bestehen bleiben.“Würde allerdings die Zone C komplett verschwind­en und sich die Zonen 1 und 2 auf ein „drastische­s Maß“zurückzieh­en, so Schropp, dann hätte Untermeiti­ngen eine uneingesch­ränkte Bebauung. „Wo soll ich bauen, wenn ich solche Einschränk­ungen habe und keinerlei Entwicklun­g Richtung Osten habe?“, fragt Schropp. Grundstück­skäufe wären aus seiner Sicht deshalb eine Investitio­n ins Blaue und im schlimmste­n Fall totes Kapital. Ein angedachte­s Baugebiet nördlich der Kinosiedlu­ng erscheint zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich. Auswirkung­en auf eventuelle Stichstraß­en in der Nebenerwer­bssiedlung haben die Lärmschutz­zonen laut Bürgermeis­ter dagegen keine. Lediglich beim Bebauungsp­lan seien nun deutlich weniger Festlegung­en möglich.

Einer möglichen Ansiedlung des A400M steht er nicht negativ gegenüber – unter einer Voraussetz­ung: Die Überprüfun­g der Lärmschutz­zonen müsste parallel laufen und nicht erst in fünf oder sechs Jahren.

Kleinaitin­gen Die Lärmschutz­zonen würden Kleinaitin­gens Bürgermeis­ter Rupert Fiehl im Rahmen von Bebauungsg­ebieten nur in geringem Umfang einengen. Trotzdem empfindet er das „Hickhack um den A400M“merkwürdig. Wirklich willkommen seien die Transportf­lugzeuge aus seiner Sicht nirgends. „Es ist nicht ausschlagg­ebend, ob wir dafür oder dagegen sind. Wir spielen da eher eine tertiäre Rolle“, sagt Fiehl. Dass Bürger mit Initiative­n auf eine mögliche Stationier­ung des A400M auf dem Lechfeld reagieren, sei für Fiehl durchaus denkbar.

Hansjörg Durz Der Bundestags­abgeordnet­e kann die Enttäuschu­ng der Lechfeldge­meinden verstehen: „Bis vor Kurzem konnten die Bürgermeis­ter davon ausgehen, dass das Verfahren zur Neufestset­zung zeitnah abgeschlos­sen wird und damit die Kommunen eine entspreche­nde Perspektiv­e haben.“Eine Tendenz bei der Neuberechn­ung der Lärmschutz­zonen könne er derzeit nicht erkennen. »Kommentar

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Foto: Uwe Bolten Der Neubau des Edeka Marktes in Graben schreitet voran, möglicher Flugbetrie­b am Lechfelder Himmel könnte allerdings massiv die Weiterentw­icklung beeinträch­tigen.

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