Gemeinden fühlen sich „verschaukelt“
Die jüngsten Entwicklungen rund um die Lärmschutzzonen des Flugplatzes Lechfeld sorgen für Diskussionen.
Die jüngsten Entwicklungen rund um die Lärmschutzzonen des Flugplatzes Lechfeld sorgen für Diskussionen. Welche Auswirkungen das auf Bürger und Kommunen hat und wie emotional Bürgermeister zum Teil darauf reagieren
Lechfeld Mit ungewöhnlich emotionalen Worten und völligem Unverständnis spricht Grabens Bürgermeister Andreas Scharf über die neuesten Entwicklungen rund um die Lärmschutzzonen am Militärflugplatz Lechfeld. „Das ist ein Beispiel, wie eine Gemeinde verschaukelt wird“, sagt er zur Informationspolitik zu diesem Thema und den Folgen für das Lechfeld. Ursprünglich sollten diese Zonen spätestens zum 1. September 2018 neu geregelt werden. Doch die Aufhebung der engeren Lärmschutzzone wegen der möglichen Stationierung von Flugzeugen des Typs A400M im Fliegerhorst Lechfeld soll nun bis zum 1. September 2023 ausgesetzt werden. Sowohl Scharf als auch seine Amtskollegen Simon Schropp, Rudolf Schneider und Rupert Fiehl sehen diese Entwicklung kritisch.
Doch was ist in den vergangenen Wochen und Monaten passiert, dass die Gemüter auf dem Lechfeld derart bewegt? Die jetzt existierenden Lärmschutzbereiche auf dem Lechfeld basieren auf Fakten von 1976, die im Jahr 1992 angepasst wurden. Die Basis dieser Berechnungen bilden demnach Starfighter und Tornados. Mit der Einführung der Lärmschutzzone C, niedergeschrieben in einer Verordnung des Regionalen Planungsverbandes, sollte der Schutz der Bürger erhöht werden. Vor vier Jahren wurde in der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern festgestellt, nach dem das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm einen ausreichenden Schutz der Bürger gewährleiste, sobald aufgrund des Gesetzes ein Lärmschutzbereich festgesetzt sei. Diese Übergangsregelung sollte bis zum 1. September 2018 gelten. Doch daraus wird wohl nichts, wie aus einem Schreiben der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hervorgeht. Dort steht: „Zur Vermeidung einer Steuerungslücke beabsichtigt die Staatsregierung (...), die Frist bis 1. September 2023 zu verlängern.“Warum genau diese Frist um fünf Jahre verlängert wird, ist für Scharf nicht nachzuvollziehen. „Die Begründung hinsichtlich der Prüfung anderer militärischer Nutzung des Platzes und der Stationierung der Transportflugzeuge macht mich schon nervös“, sagt Scharf.
Graben Für Grabens Bürgermeister Scharf war es „wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk“, als er im Dezember 2016 aufgerufen wurde, eine Stellungnahme zu einem Entwurf der Neuordnung der Lärmschutzbereiche zu verfassen, welche den Kasernenzaun als Grenze der Lärmschutzzone 2 auf Grundlage des Gesetzes definiert. Durch eine solche Neuordnung würden viele Privatimmobilien in Lagerlechfeld laut Scharf finanziell aufgewertet. Die bestehende Lärmschutzzone 2 läuft derzeit noch durch Lagerlechfeld, das wäre in Zukunft nicht mehr der Fall gewesen. Eine Nachfrage der Gemeinde beim Verteidigungsministerium be- antwortete Staatssekretär Markus Grübel Mitte April, dass derzeit keine konkreten Planungen für die Stationierung des A400M vorlägen, allerdings aber bereits erste Überlegungen zur Nutzung des Flugplatzes als „logistischer Hub“für 13 Transportmaschinen in internationaler Kooperation bestünden. „Den Bürgern ist eine Neubelebung des Flugbetriebes nicht mehr zu vermitteln. Ebenso wird durch das Vorgehen der Staatsregierung unsere kommunale Entwicklung massiv behindert“, ist Scharf empört. „Der Neubau des Edeka ist nicht in Gefahr, die weiteren Aktivitäten zum Lückenschluss mit der bestehen Gemeinde liegen jetzt erst mal auf Eis.“Scharf würde es genügen, wenn die Lärmschutzzone C wie ursprünglich geplant aufgehoben wird.
Der Gemeinderat verabschiedete ein Papier an die Staatsregierung, in dem jegliche militärische Nutzung, die eine Erweiterung der gesetzlichen Lärmschutzzonen 1 und 2 zur Folge hat, abgelehnt wird. Ebenso wird Einspruch gegen die Verlängerung der Übergangsfrist der nach Landesentwicklungsplan definierten Lärmschutzzone C durch die Staatsregierung bis 2023 erhoben.
Klosterlechfeld Klosterlechfelds Bürgermeister Rudolf Schneider spricht von „einem größeren Entwicklungsbereich“für seine Gemeinde, vorausgesetzt die Lärmschutzzonen würden verkleinert. Im Norden der Tankstellensiedlung würde so in Klosterlechfeld ein kleines, etwa 4000 Quadratmeter großes Baugebiet entstehen können. Das ist aber nun nicht der Fall. Doch diese Entscheidung einfach so hinnehmen möchte Schneider nicht. Er denkt offen darüber nach, ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren zu beantragen. Dies ist ein langwieriges und kompliziertes Verfahren, dass sich bis zu zwei Jahre hinziehen könnte. Ein solcher Antrag sei vor wenigen Jahren beim Baugebiet am Wacholderweg positiv ausgefallen. „Der Siedlungsdruck wächst überall auf dem Lechfeld. Wir haben bei uns kaum Flächen, deswegen müssen wir sie auch optimal für eine Wohnbebauung nutzen“, sagt Schneider.
Schneider schätzt die Chance, dass das Lechfeld bei der Stationierung von 13 Transportflugzeugen des Typs A400M zum Zuge kommt, als relativ groß ein: „Der Flugplatz ist infrastrukturell hervorragend ausgestattet, und viele Steuergelder sind dort hineingeflossen.“Mit einer Entscheidung rechnet er aber erst im nächsten Jahr.
Untermeitingen Bürgermeister Simon Schropp spricht von massiven Einschränkungen für seine Gemeinde: „Am Lechring wäre nun Ende, wenn die jetzigen Lärmschutzzonen bestehen bleiben.“Würde allerdings die Zone C komplett verschwinden und sich die Zonen 1 und 2 auf ein „drastisches Maß“zurückziehen, so Schropp, dann hätte Untermeitingen eine uneingeschränkte Bebauung. „Wo soll ich bauen, wenn ich solche Einschränkungen habe und keinerlei Entwicklung Richtung Osten habe?“, fragt Schropp. Grundstückskäufe wären aus seiner Sicht deshalb eine Investition ins Blaue und im schlimmsten Fall totes Kapital. Ein angedachtes Baugebiet nördlich der Kinosiedlung erscheint zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich. Auswirkungen auf eventuelle Stichstraßen in der Nebenerwerbssiedlung haben die Lärmschutzzonen laut Bürgermeister dagegen keine. Lediglich beim Bebauungsplan seien nun deutlich weniger Festlegungen möglich.
Einer möglichen Ansiedlung des A400M steht er nicht negativ gegenüber – unter einer Voraussetzung: Die Überprüfung der Lärmschutzzonen müsste parallel laufen und nicht erst in fünf oder sechs Jahren.
Kleinaitingen Die Lärmschutzzonen würden Kleinaitingens Bürgermeister Rupert Fiehl im Rahmen von Bebauungsgebieten nur in geringem Umfang einengen. Trotzdem empfindet er das „Hickhack um den A400M“merkwürdig. Wirklich willkommen seien die Transportflugzeuge aus seiner Sicht nirgends. „Es ist nicht ausschlaggebend, ob wir dafür oder dagegen sind. Wir spielen da eher eine tertiäre Rolle“, sagt Fiehl. Dass Bürger mit Initiativen auf eine mögliche Stationierung des A400M auf dem Lechfeld reagieren, sei für Fiehl durchaus denkbar.
Hansjörg Durz Der Bundestagsabgeordnete kann die Enttäuschung der Lechfeldgemeinden verstehen: „Bis vor Kurzem konnten die Bürgermeister davon ausgehen, dass das Verfahren zur Neufestsetzung zeitnah abgeschlossen wird und damit die Kommunen eine entsprechende Perspektive haben.“Eine Tendenz bei der Neuberechnung der Lärmschutzzonen könne er derzeit nicht erkennen. »Kommentar