Von Zauberbergen und Bücherbergen
Maria Vesperbild Wilhelm Imkamp verlässt Maria Vesperbild. Das Echo in den Medien deutet an, dass diese Zäsur weit über den Wallfahrtsort im Südosten des Kreises Günzburg hinausreicht. In diesem Interview spricht der Wallfahrtsdirektor über Bücher und darüber, was er in fast 30 Jahren in Maria Vesperbild verändert hat. Am Anfang stand dabei unter anderem eine ungewöhnliche Begegnung mit einer Kuh. Imkamp deutet seine Pläne an – und natürlich, dass Bücher auch künftig für ihn eine wichtige Rolle spielen werden.
Im Januar steht Ihnen ein größerer Umzug bevor. Auch mit Blick auf Ihre Bücher wird das ja durchaus ein Kraftakt. Wie viele Bücher haben Sie hier in Ihren Räumlichkeiten? Imkamp: Ich weiß nicht, wie viele es genau sind. Aber es sind etwa 900 laufende Meter, im Keller, im ersten Stock und hier oben bei mir. Ich muss noch abklären, wie ich das alles unterbringe.
Direkt vor Ihnen liegt reichlich Lesestoff. Was lesen Sie gerade? Imkamp: Unter anderem das neueste Werk von Hermann Schwedt über die Römische Inquisition zwischen 1601 und 1700. Ein glänzendes Buch.
Ein Buch war für Sie in frühen Jahren gewissermaßen lebensprägend – der berühmte Roman „Der Zauberberg“von Thomas Mann. Warum „Der Zauberberg“? Imkamp: Ich habe als Schüler in den Sommerferien in der Bibliothek der Benediktinerabtei Maria Laach gearbeitet. Ich wurde mit „Naturalien“bezahlt. Als Lohn habe ich Unterkunft und Verpflegung, aber vor allem auch immer wieder Bücher bekommen. Sicherlich folgenreich war die Lektüre von Thomas Manns „Der Zauberberg“. In diesem Roman spielt der Jesuit Naphta mit seinem Bezug auf die Schrift über „Die Verachtung der Welt“von Papst Innocenz III. eine hoch spannende Rolle. 1968 habe ich das Werk in Maria Laach exzerpiert. 15 Jahre später habe ich über Innozenz III. (1198 bis 1216 Papst) promoviert.
Blicken wir kurz in den „Zauberberg“hinein. Im Mittelpunkt steht Hans Castorp, ein „einfacher junger Mensch“. Er „reiste im Hochsommer von Hamburg, seiner Vaterstadt, nach Davos-Platz im Graubündischen. Er fuhr auf Besuch für drei Wochen“. Es wurden bekanntlich am Ende sieben Jahre für ihn auf dem „Zauberberg“. Ist Maria Vesperbild gewissermaßen Ihr „Zauberberg“? Imkamp: Ich kam 1988 nach Maria Vesperbild, und es sind bei mir ja jetzt fast 30 Jahre geworden. Ich kannte Maria Vesperbild schon, bevor ich hierherkam. Ich habe damals sofort gespürt, dass der Gesamteindruck viel tiefer geht, als die Summe der künstlerischen Einzelheiten rechtfertigen würde. Maria Vesperbild hat mich „verzaubert“, viel mehr als der Zauberberg, und sehr nachhaltig. Und ich habe rasch erkannt: Maria Vesperbild – das ist dein Leben!
Warum nun Ihre Bitte an den Bischof, von Ihren Pflichten als Wallfahrtsdirektor entbunden zu werden? Imkamp: Der Entschluss, um die Entbindung zu bitten, ist mir natürlich sehr schwergefallen. Bei der Organisation eines Wallfahrtsortes wie Maria Vesperbild ist aber Präsenz sehr wichtig. 28 Jahre lang war ich hier sehr präsent. Nun merke ich jedoch leider allmählich auch, wie wichtig es ist, eine gute ärztliche Versorgung in der Nähe zu haben, besonders wenn man ein so schlechter Autofahrer ist wie ich. Ich habe bemerkt, dass ich nicht mehr das leisten kann, was ich leisten möchte. Man sollte gehen, solange man noch gehen kann.
Wohin gehen Sie? Imkamp: Eine hauptamtliche Funktion werde ich nicht mehr übernehmen. Ich hoffe, dass ich wieder etwas länger am Stück in Rom sein kann, und ich möchte auch wieder mehr wissenschaftlich arbeiten.
Sie haben hier in der Wallfahrtskirche einiges verändert … Imkamp: Ich kann mich erinnern, dass einmal eine Kuh vor der Kirche lag, als ich hierherkam. Im Lauf der Jahre wurden die Außenanlagen völlig neu gestaltet. Es gibt Lautsprecher und Monitore zur Übertragung der heiligen Messe. Die Verlegung der Kreisstraße, die Kirchenvorplatzgestaltung, der Bau von Pilger- und Priesterhaus, die behutsame Renovierung und Erweiterung der Grotte, der Nachbau unserer Wallfahrtskirche im Legoland. Bei all diesen Maßnahmen wurde darauf geachtet, die Kontinuität des bestehenden Wallfahrtsensembles zu wahren. Seit Langem gibt es eine intensive Verbindung zwischen Ihnen und dem Haus Thurn und Taxis. Darüber wird in der Bevölkerung durchaus kontrovers diskutiert. Was bedeutet diese Verbindung für Sie und die Wallfahrt? Imkamp: Die Fürstin ist eine sehr wichtige Botschafterin für die Wallfahrt. Ihre Werbung für Maria Vesperbild ist großartig: Denken Sie beispielsweise an die Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“, da hat sie in ihrem Lied auch Maria Vesperbild erwähnt. Und ich freue mich sehr, dass sie jedes Jahr am 15. August mit der Marianischen Frauenkongregation Regensburg, die sie gegründet hat, nach Maria Vesperbild kommt.
Wie geht es weiter in Maria Vesperbild? Imkamp: Mein Nachfolger, der bischöflich geistliche Rat Erwin Reichart, kommt aus dem Allgäu, er ist in der Region verwurzelt. Ich denke, dass in Maria Vesperbild jetzt eher eine Phase der Konsolidierung ansteht und die Wallfahrt gewissermaßen wetterfest gemacht werden muss. Mit dem Krisengerede habe ich mir immer schwergetan. In meinem Priesterleben waren die Kirchen nie leer. Wichtig ist, dass die Kirche immer mit ihrer Botschaft unterscheidbar ist, sie muss sich von ihrer Umgebung abheben. Sprüche wie „nahe am Menschen“sind schnell dahingesagt. Am nächsten sind die Geistlichen den Menschen im Beichtstuhl.
Interview: Peter Bauer
Herkunft Wilhelm Imkamp ist am 27. September 1951 am Nieder rhein geboren. Der Sohn von Wilhelm und Fine Imkamp wuchs in Kalden kirchen (der Ort zählt heute rund 10 000 Einwohner) auf. Sein Vater war Tabak und Kaffeefabrikant.
Priesterweihe Imkamp studierte in Rom, dort wurde er 1976 von Josef Kardinal Höffner zum Priester geweiht.
Ehrenprälat Seit 1988 ist er Direk tor des Wallfahrtsortes Maria Ves perbild, der sich seitdem zu einem der bedeutendsten Wallfahrtsorte Deutschlands entwickelte. 1983 wurde Imkamp Consultor der Heiligsprechungskongregation. 2009 wurde er vom Papst zum Con sultor der Gottesdienstkongregation ernannt. Imkamp wurde 1986 zum Päpstlichen Ehrenkaplan (Monsig nore) ernannt. 2006 folgte die Ernen nung zum Päpstlichen Ehrenpräla ten, 2012 die Ernennung zum Aposto lischen Protonotar und die Ernen nung zum „Capellán de Merito con Placa“des Constantinischen Or dens vom heiligen Georg (spanischer Zweig). 2013 wurde Imkamp Mit glied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Imkamp gilt seit Jahrzehnten als entschiedener Kritiker des „Moder nismus“in der katholischen Kirche. Seine Positionen sorgen oft für kon troverse Debatten.
Nachfolge An der Spitze der Wall fahrt wird es zum Jahreswechsel 2017/18 einen Wechsel geben. Imkamp verlässt Maria Vesperbild aus „gesundheitlichen Gründen“. Imkamps Nachfolger ist der 63 jährige Erwin Reichart, zuletzt De kan des Dekanates Kaufbeuren und seit dem Jahr 1988 Pfarrer in Ebers bach. (pb)
Wallfahrtsdirektor Imkamp erinnert sich an seine Anfänge in Maria Vesperbild. Diese Pläne hat er