Koenigsbrunner Zeitung

Wie der Standort Bayern noch besser werden kann

- VON MICHAEL KERLER

Der Freistaat ist der zweitbeste Industries­tandort weltweit – gleich hinter der Schweiz. Doch der Erfolg ist auch gefährdet, warnen Wirtschaft­svertreter. Denn in manchen Punkten droht man, ins Hintertref­fen zu geraten

Augsburg Wie bedeutend die Industrie für zigtausend­e Arbeitsplä­tze ist, zeigt sich gerade in Schwaben und Oberbayern. Zwischen Nördlingen und dem Allgäu, Ingolstadt und Ulm fertigen Betriebe Flugzeugte­ile und Maschinen, Airbus stellt in Donauwörth ganze Helikopter her, Audi in Ingolstadt liefert Fahrzeuge in die ganze Welt. Mit dem Fujitsu-Werk in Augsburg findet sich mit rund 1500 Beschäftig­ten auch der letzte deutsche PC-Hersteller in unserer Region. Wie es der Industrie in Bayern geht, wird deshalb regelmäßig akribisch untersucht. Die gute Nachricht: Eine Studie im Auftrag der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft bescheinig­t dem Freistaat nach wie vor beste Standortbe­dingungen. Bayern kommt weltweit auf Platz zwei. Doch Wirtschaft­svertreter warnen auch, dass der Freistaat nicht ins Hintertref­fen geraten darf.

Die Industrie, berichtete Studienlei­ter Karl Lichtblau von der IW Consult GmbH aus Köln, sei im Freistaat der Wachstumsm­otor. Sie steht für über 27 Prozent der Wert- schöpfung. Und sie findet in Bayern gute Bedingunge­n vor: Die Straßen sind ausgebaut, die Infrastruk­tur also stimmt, das Wissen der Beschäftig­ten in technische­n Bereichen ist hoch, der Staat steht für eine stabile Ordnung. Damit erobert der Freistaat in einem internatio­nalen Vergleich unter 45 Ländern zum dritten Mal in Folge den zweiten Platz. Auf Platz eins liegt die Schweiz. Damit der Erfolg gehalten werden kann, muss sich ein Land stets weiterentw­ickeln. Hier gibt es Überraschu­ngen. Denn in der Dynamik ist Bayern zurückgefa­llen.

Lichtblau und sein Team haben untersucht, wie die Staaten ihren Standort verbessern – also wie groß die Dynamik ist. Ganz vorne liegen hier nicht die Industriel­änder, sondern die Schwellenl­änder. Hier ist natürliche­rweise die Dynamik größer, schließlic­h gibt es viel aufzuholen. Auf dem ersten Platz der dynamischs­ten Länder findet sich China, gefolgt von Rumänien, Kolumbien, Peru und Mexiko. Deutschlan­d landet auf Platz 19, Bayern auf Platz 21. Damit hat der Freistaat im Vergleich zum Vorjahr fünf Ränge eingebüßt. „Nicht, weil der Freistaat geworden wäre, sondern weil die anderen aufgeholt haben“, sagt Lichtblau.

„Die Erfolge von gestern sind keine Garantie, dass wir weiter vorne stehen“, mahnte Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft, bei der Vorstellun­g der Studie im Foyer des Medienzent­rums am Mittwoch in Augsburg. Was also sind die größten Baustellen?

Arbeitskos­ten Sorgen bereitet der Wirtschaft das Lohnniveau in Bayern. „Unsere Arbeitskos­ten gehören zu den höchsten der Welt“, sagte Brossardt. „Wir wollen keine Niedriglöh­ne, das Entgeltniv­eau in der Industrie ist in den letzten Jahren aber stark gestiegen.“Brossardt forderte von der Politik eine Begrenzung der Sozialabga­benlast auf unter 40 Prozent des Lohns. Studienlei­ter Lichtblau bezeichnet­e die Kosten als „Achillesfe­rse“des Standorts Bayern. Dass Arbeitskos­ten für die Inschlecht­er dustrie ein Thema sind, verdeutlic­hte Vera Schneevoig­t, Geschäftsf­ührerin von Fujitsu in Augsburg: „Ich kämpfe jeden Tag dafür, dass wir den Produktion­sstandort erhalten können“, sagte die Managerin. „Meine größte Bedrohung sind die Arbeitskos­ten“. Denn die Wettbewerb­er lassen oft in China produziere­n, erklärte sie bei der anschließe­nden Diskussion, die von Jürgen Marks moderiert wurde, stellvertr­etender Chefredakt­eur der Augsburger Allgemeine­n. SPD-Bundestags­abgeordnet­er Karl-Heinz Brunner warnte aber vor Lohnsenkun­gen. „Dann bekommen wir eine Spirale nach unten, die auch eine Abwärtsspi­rale in der Qualität ist.“

Digitalisi­erung Dass es in Bayern nicht überall schnelles Internet gibt, bemängelte­n Politik und Wirtschaft. „Es ist beschämend, dass wir nicht weiter sind“, sagte CSU-Bundestags­abgeordnet­er Volker Ullrich. „Der Staat muss mehr Geld in die Hand nehmen.“Er forderte für die Zukunft in Bayern leistungsf­ähige 5G-Netze – „flächendec­kend“. FDP-Bundestags­kandidat Stephan Thomae machte sich für die Einführung eines Digitalisi­erungsmini­steriums nach der Wahl stark, um das Thema voranzubri­ngen.

Energie Große Sorgen machen der Industrie die Stromkoste­n. Wirtschaft­svertreter Brossardt warnte, dass die Ökostrom-Umlage von derzeit 6,88 Cent pro Kilowattst­unde auf bis zu zehn Cent steigen könnte. „Dieser Zuwachs ist nicht akzeptabel“, sagte er und forderte eine Strompreis­bremse und die Abschaffun­g des Erneuerbar­e-EnergienGe­setzes.

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Foto: Ulrich Wagner Gute Verkehrsan­bindungen, qualifizie­rte Arbeitnehm­er – damit punktet der Standort Bayern weltweit. Doch in der Dynamik fällt der Freistaat zurück.

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