Wie die Kripo die Autoschieber überwachte
Fahnder aus Augsburg und Bayreuth klären Diebstähle mit einem Schaden von über 500000 Euro. Im Prozess gegen einen Kopf der Bande zeigt sich: In anderen Bundesländern war der Einsatz der Ermittler nicht so groß
Wenn Autodiebe in Hamburg oder Berlin teure Karossen stehlen, dann haben sie in aller Regel wenig zu befürchten. Die Aufklärungsquote solcher Diebstähle liegt in diesen Städten gerade mal bei sieben beziehungsweise zehn Prozent. Anders in Bayern. Hier geht die Polizei offenbar besonders engagiert zu Werke und kann in fast 60 Prozent aller Fälle einen Tatverdächtigen ermitteln. Warum das so ist, offenbarte ein Prozess gegen zwei Mitglieder einer polnischen Autoschieberbande vor der Zehnten Strafkammer beim Landgericht. Kripobeamten in Bayreuth und Augsburg gelang es 2014, insgesamt 17 Autodiebstähle mit einem Schaden von fast einer halben Million Euro im ganzen Bundesgebiet aufzuklären.
Zwei Ermittler schilderten jetzt als Zeugen, wie sie der Bande das Handwerk legten, die auch in Augsburg drei hochwertige Fahrzeuge mithilfe des „Schlüsseltricks“verschwinden ließ. Kripo-Fahnder müssen viel Geduld und einen langen Atem haben. Wie die Täter, so nutzen auch die Ermittler die moderne Funktechnik. Nach einem Diebstahl im oberfränkischen Hof wertete die Kripo die Daten von Handys aus, die in den Funkzellen rund um den Tatort benutzt worden waren. Sie konzentrierte sich auf drei polnische Mobiltelefone, mit denen zur Tatzeit kommuniziert wurde. Per richterlichem Beschluss wurden diese Handys fortan drei Monate lang abgehört, die Gespräche mithilfe von Dolmetschern übersetzt.
So konnten die Ermittler genau die Wege der Diebe von der Einreise aus Polen über Berlin zu den einzelnen Tatorten verfolgen. Und sie hörten mit, wie die gestohlenen Autos von einem sogenannten Pilotfahrer, der vorneweg fuhr, über die Autobahn gelotst wurden, um mögliche Polizeikontrollen zu umgehen. „Der Pilotfahrer gab Anweisungen, wann überholt und wie schnell ge- fahren werden sollte, ob Ruhe herrschte, wann die Autobahn verlassen werden sollte“, schilderte der Bayreuther Kripobeamte, 37, vor Gericht die Arbeitsweise der Autoschieber, die verdeckt observiert wurden. Nach und nach konnten zahlreiche Verdächtige gestellt werden. Die wanderten freilich nicht immer in Untersuchungshaft.
Zum Schein ließ man sie teilweise nach der Vernehmung wieder laufen, gab ihnen ihre Handys zurück. Und hörte sie weiter ab. Die Bayreuther Ermittler konnten schließlich auch zahlreiche Fälle klären, die im norddeutschen Raum lagen. Doch die dortigen Kripo-Dienststellen hatten offen bar wenig Interesse, die Fälle weiter beweiskräftig zu bearbeiten. Das wurde im Prozess deutlich. Die Bayreuther schlossen sich schließlich mit den Augsburger Kollegen kurz, nachdem die Bande auch hier im August 2014 aktiv wurde. Gemeinsam arbeiteten die Beamten engagiert daran, weitere zurückliegende Fälle im gesamten Bundesgebiet aufzuklären. Sie werteten die Bilder von Überwachungskameras der bestohlenen Autohäuser aus, suchten sogar im Internet im sozialen Netzwerk Facebook nach passenden Gesichtern. Und wurden fündig.
Der jetzt beim Augsburger Landgericht angeklagte polnische Jurist Tomasz S., 40, hatte sein Konterfei auf Facebook veröffentlicht. So konnte seine Identität festgestellt
Wie das Internet bei der Tätersuche half
werden. Die Augsburger Kriminalpolizei übernahm schließlich den gesamten Ermittlungskomplex. Weil sich die Handys der Täter bei den bundesweiten Diebestouren in immer neue Funkzellen einloggten, konnten regelrechte Bewegungsprofile erstellt werden. „Und wir konnten Rückschlüsse ziehen, wer zur selben Zeit mit wem in den verschiedenen Fahrzeugen saß“, berichtete der Augsburger Ermittler, 47, dem Gericht.
Die erfolgreiche Ermittlungsarbeit kostet Tomasz S. (Verteidiger: Moritz Bode), der als einer der Köpfe der Bande gilt, nun für längere Zeit die Freiheit. Die 10. Strafkammer unter Vorsitz von Wolfgang Natale verurteilte ihn zu sechs Jahren und zehn Monaten Gefängnis. Das Verfahren gegen den zweiten Angeklagten, dem lediglich zwei Fälle zur Last gelegt werden, dauert noch an. Etliche Mitglieder der Bande sind bereits bei anderen Prozessen verurteilt worden.