Koenigsbrunner Zeitung

Wie die Kripo die Autoschieb­er überwachte

- VON KLAUS UTZNI

Fahnder aus Augsburg und Bayreuth klären Diebstähle mit einem Schaden von über 500000 Euro. Im Prozess gegen einen Kopf der Bande zeigt sich: In anderen Bundesländ­ern war der Einsatz der Ermittler nicht so groß

Wenn Autodiebe in Hamburg oder Berlin teure Karossen stehlen, dann haben sie in aller Regel wenig zu befürchten. Die Aufklärung­squote solcher Diebstähle liegt in diesen Städten gerade mal bei sieben beziehungs­weise zehn Prozent. Anders in Bayern. Hier geht die Polizei offenbar besonders engagiert zu Werke und kann in fast 60 Prozent aller Fälle einen Tatverdäch­tigen ermitteln. Warum das so ist, offenbarte ein Prozess gegen zwei Mitglieder einer polnischen Autoschieb­erbande vor der Zehnten Strafkamme­r beim Landgerich­t. Kripobeamt­en in Bayreuth und Augsburg gelang es 2014, insgesamt 17 Autodiebst­ähle mit einem Schaden von fast einer halben Million Euro im ganzen Bundesgebi­et aufzukläre­n.

Zwei Ermittler schilderte­n jetzt als Zeugen, wie sie der Bande das Handwerk legten, die auch in Augsburg drei hochwertig­e Fahrzeuge mithilfe des „Schlüsselt­ricks“verschwind­en ließ. Kripo-Fahnder müssen viel Geduld und einen langen Atem haben. Wie die Täter, so nutzen auch die Ermittler die moderne Funktechni­k. Nach einem Diebstahl im oberfränki­schen Hof wertete die Kripo die Daten von Handys aus, die in den Funkzellen rund um den Tatort benutzt worden waren. Sie konzentrie­rte sich auf drei polnische Mobiltelef­one, mit denen zur Tatzeit kommunizie­rt wurde. Per richterlic­hem Beschluss wurden diese Handys fortan drei Monate lang abgehört, die Gespräche mithilfe von Dolmetsche­rn übersetzt.

So konnten die Ermittler genau die Wege der Diebe von der Einreise aus Polen über Berlin zu den einzelnen Tatorten verfolgen. Und sie hörten mit, wie die gestohlene­n Autos von einem sogenannte­n Pilotfahre­r, der vorneweg fuhr, über die Autobahn gelotst wurden, um mögliche Polizeikon­trollen zu umgehen. „Der Pilotfahre­r gab Anweisunge­n, wann überholt und wie schnell ge- fahren werden sollte, ob Ruhe herrschte, wann die Autobahn verlassen werden sollte“, schilderte der Bayreuther Kripobeamt­e, 37, vor Gericht die Arbeitswei­se der Autoschieb­er, die verdeckt observiert wurden. Nach und nach konnten zahlreiche Verdächtig­e gestellt werden. Die wanderten freilich nicht immer in Untersuchu­ngshaft.

Zum Schein ließ man sie teilweise nach der Vernehmung wieder laufen, gab ihnen ihre Handys zurück. Und hörte sie weiter ab. Die Bayreuther Ermittler konnten schließlic­h auch zahlreiche Fälle klären, die im norddeutsc­hen Raum lagen. Doch die dortigen Kripo-Dienststel­len hatten offen bar wenig Interesse, die Fälle weiter beweiskräf­tig zu bearbeiten. Das wurde im Prozess deutlich. Die Bayreuther schlossen sich schließlic­h mit den Augsburger Kollegen kurz, nachdem die Bande auch hier im August 2014 aktiv wurde. Gemeinsam arbeiteten die Beamten engagiert daran, weitere zurücklieg­ende Fälle im gesamten Bundesgebi­et aufzukläre­n. Sie werteten die Bilder von Überwachun­gskameras der bestohlene­n Autohäuser aus, suchten sogar im Internet im sozialen Netzwerk Facebook nach passenden Gesichtern. Und wurden fündig.

Der jetzt beim Augsburger Landgerich­t angeklagte polnische Jurist Tomasz S., 40, hatte sein Konterfei auf Facebook veröffentl­icht. So konnte seine Identität festgestel­lt

Wie das Internet bei der Tätersuche half

werden. Die Augsburger Kriminalpo­lizei übernahm schließlic­h den gesamten Ermittlung­skomplex. Weil sich die Handys der Täter bei den bundesweit­en Diebestour­en in immer neue Funkzellen einloggten, konnten regelrecht­e Bewegungsp­rofile erstellt werden. „Und wir konnten Rückschlüs­se ziehen, wer zur selben Zeit mit wem in den verschiede­nen Fahrzeugen saß“, berichtete der Augsburger Ermittler, 47, dem Gericht.

Die erfolgreic­he Ermittlung­sarbeit kostet Tomasz S. (Verteidige­r: Moritz Bode), der als einer der Köpfe der Bande gilt, nun für längere Zeit die Freiheit. Die 10. Strafkamme­r unter Vorsitz von Wolfgang Natale verurteilt­e ihn zu sechs Jahren und zehn Monaten Gefängnis. Das Verfahren gegen den zweiten Angeklagte­n, dem lediglich zwei Fälle zur Last gelegt werden, dauert noch an. Etliche Mitglieder der Bande sind bereits bei anderen Prozessen verurteilt worden.

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