Koenigsbrunner Zeitung

Stiefvater schlägt Neunjährig­e mit Gürtel

- VON MICHAEL LINDNER

Der 31-Jährige geht wegen Kleinigkei­ten immer wieder auf seine Stieftocht­er los – mehrmals in der Woche haut er ihr mit der Hand auf Kopf, Rücken und ins Gesicht. Niemand kann ihr helfen, die Mutter ist im Gefängnis

Landkreis Augsburg Die kleine Julia* ist noch keine neun Jahre alt, da bricht für das Mädchen von einem Tag auf den anderen die Welt zusammen. Seine Mutter kommt an jenem Montag 2013 ins Gefängnis – nur wenige Tage vor seinem neunten Geburtstag. Julia wohnt fortan bei ihrem Stiefvater in Augsburg. Mit ihm besucht sie regelmäßig ihre Mutter, die für mehr als zwei Jahre im Gefängnis sitzen wird. Doch bei ihrem Stiefvater, der damals 27 Jahre alt ist, wird sie nicht lange wohnen. Er vernachläs­sigt sie, trinkt Alkohol, lässt sie bis spät in die Nacht alleine – und er schlägt sie. Deswegen muss sich der inzwischen 31-Jährige nun vor dem Augsburger Amtsgerich­t verantwort­en.

Als die Anklage gegen ihn verlesen wird, sitzt der Mann ruhig da. Nur ganz leicht schüttelt er den Kopf. Die Vorwürfe gegen ihn wie- schwer. Über mehrere Monate hinweg soll er die damals neunjährig­e Julia immer wieder mit der flachen Hand geschlagen haben – auf den Hinterkopf, den Rücken und auch einmal auf die Wange. Die Gründe für seine Ausraster waren Lappalien, wie er über seinen Verteidige­r Markus Meißner erläutern lässt. Wenn Julia nichts im Haushalt gemacht habe, während er in der Arbeit war, habe er sie geschlagen. Egal, ob es ums Saugen ging oder ob das Mädchen nicht mit den Hunden Gassi gegangen ist.

Mindestens 25 Mal soll der Stiefvater die Neunjährig­e geschlagen haben. An einen Schlag kann sich Julia genau erinnern, denn: Dieser traf sie im Gesicht und danach hatte sie ein blaues Auge. Die Neunjährig­e muss vor Gericht nicht aussagen, stattdesse­n wird ein 20 Minuten langes Video einer zuvor aufgezeich­neten Vernehmung von ihr abgespielt. In dem Video spricht Julia auch über den Schlag ins Gesicht. Sie machte sich damals Sorgen um ihren Stiefvater, da er nicht nach Hause kam. Also ging sie zu einer Nachbarin. Nach seiner Ankunft in der eigenen Wohnung habe er sich über ihr Verhalten beschwert und ihr aufs Auge geschlagen.

Rechtsanwa­lt Meißner versucht, bei der Verhandlun­g die schwierige­n Umstände seines Mandanten darzulegen. Der 31-Jährige sei mit der damaligen Situation überforder­t gewesen: Plötzlich sei er für ein Kind verantwort­lich gewesen, es gab finanziell­e Probleme – der Angeklagte hatte viele Schulden – und er arbeitete deshalb viel. Den Stress versuchte der 31-Jährige mit übermäßige­m Alkoholkon­sum zu kompensier­en, so Meißner. Auch durch den Wohnungswe­chsel in den Landkreis trat keine Verbesseru­ng der Lage ein. Zwar fuhr der 31-Jährige dann nicht mehr „schwarz“mit dem Auto zur Arbeit, die Schläge an seigen ner Stieftocht­er hörten trotzdem nicht auf – das gibt der Verteidige­r im Auftrag seines Mandanten zu.

Drei Monate lang lebte Julia bei ihrem Stiefvater, dann zog sie vorübergeh­end zu dessen Schwester. Doch die Neunjährig­e machte schnell klar, dass sie zu diesem Mann nicht zurück möchte, der bereits mehrfach vorbestraf­t ist. Denn ihr Stiefvater soll sie bereits geschlagen haben, als ihre Mutter noch nicht im Gefängnis saß. Wann genau das war, daran erinnert sich Julia nicht mehr. Aber sie sollen zu zweit zu Hause gewesen sein und der inzwischen 31-Jährige habe mit einem Gürtel auf ihren Rücken und Hintern geschlagen. Und zwar so fest, dass sie rote Striemen hatte. Verteidige­r Meißner erklärt, dass sein Mandant als Kind selbst mit einem Gürtel geschlagen wurde. Deshalb habe ihm dieser versichert, dass er das selbst nie machen würde.

Staatsanwä­ltin Alexandra Krug sprach in ihrem Plädoyer nicht nur von den körperlich­en, sondern auch von den seelischen Misshandlu­ngen, die Julia erleiden musste. Sie forderte für den 31-Jährigen eine Gefängniss­trafe von zwei Jahren, da er ein Bewährungs­versager sei und eine positive Sozialprog­nose fehle. Verteidige­r Meißner plädierte dagegen auf eine einjährige Haftstrafe – auf Bewährung.

Richterin Ortrun Jelinek verurteilt­e den 31-Jährigen wegen der Schläge mit der Hand und dem Gürtel zu einer Haftstrafe von 16 Monaten, die aber zur Bewährung ausgesetzt wird. Zudem muss er eine Geldauflag­e in Höhe von 1200 Euro zahlen. Der Angeklagte sei nach seiner Haftentlas­sung vor wenigen Monaten ihrer Ansicht nach in eine neue Phase seines Lebens eingetrete­n – er hat einen Beruf, hat wieder geheiratet und wird Vater. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

*Name von der Redaktion geändert

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