Auf Bewährung
Porträt Wie Daniela Husseneder von einer der besten Billardspielerinnen der Nation zur Kripo-Chefin in Memmingen wurde. Allerdings wird sie hier nur sechs Monate bleiben. In dieser Zeit will sie sich beweisen
Ich bin richtig neidisch auf die Kollegen, die sie tragen.“
Daniela Husseneder „Bis dahin gab es den Gedanken – ,Ich und Polizei‘ – bei mir gar nicht“
Memmingen Daniela Husseneder ist auf Bewährung in Memmingen. Denn sie soll bei der Kriminalpolizei, die auch für das gesamte Unterallgäu zuständig ist, ihre Qualitäten als Chefin unter Beweis stellen. Im Rahmen einer sogenannten Führungsbewährung will sie sechs Monate lang zeigen, dass sie die Richtige für höhere Aufgaben ist – es geht um die goldenen Sterne auf der Schulter. Doch Memmingen ist für Husseneder mehr als nur Arbeit: Ich bin begeistert von diesem Städtchen“, sagt die 40-Jährige, deren Stammdienststelle in München ist. Ihr gefällt es so gut, dass sie manchmal am Wochenende hierbleibt, obwohl sie nach wie vor eine Wohnung in der Landeshauptstadt hat. Zudem geht sie oft zu Fuß zur Arbeit – und das selten auf dem gleichen Weg. So lernt sie neue Ecken kennen. In Memmingen wohnt Husseneder übrigens in der Nähe des Gefängnisses – was unter ihren Kollegen für Lacher sorgte.
Am Arbeitsplatz bei der Kripo angekommen, pflegt sie ihren eigenen Führungsstil. Dazu gehört, dass sie sich mit allen 60 Kollegen duzt. „Ich sehe keinen Nachteil darin“, sagt sie. Das gelte auch, wenn schwierige Entscheidungen anstehen. Ihre Führungsbewährung sorgt für ein Kuriosum: Bei ihren Kommissariatsleitern prangen mehr silberne Sterne auf der Schulter als bei ihr – wenn sie Uniform tragen. Denn bei der Kripo arbeiten die Beamten in zivil. „Normalerweise gehe ich in Hosenanzügen zur Arbeit“, sagt sie. Doch finde sie die neuen blauen Polizei-Uniformen chic. „Ich bin richtig neidisch auf die Kollegen, die sie tragen“, sagt sie.
Für jemanden, der die Karriereleiter so zügig hinaufsteigt, ist Husseneders Weg zur Polizei ungewöhnlich. Denn sie beendete die Schule nicht als Überfliegerin, sondern verließ das Gymnasium mit Mittlerer Reife. Grund war ein Hobby, in das sie ihre gesamte Energie investierte: Billard. „Ich habe mir mit 18 dann eine Frist von fünf Jahren gesetzt, in der ich sehen wollte, ob ich das hauptberuflich machen kann“, erzählt Husseneder. Doch der Sport entwickelte sich in Europa nicht wie erhofft. Es entstand keine Szene, in der ein Leben davon möglich gewesen wäre. Obwohl sie 1999 Europameisterin im Neun-Ball-Billard wurde, entschied sie ein Jahr später, einen Beruf zu lernen. Eine Mitspielerin, hauptberuflich bei der Polizei, brachte sie auf die Idee. „Bis dahin gab es den Gedanken – ’Ich und Polizei’ – bei mir gar nicht“, sagt Husseneder. Doch dann war sie Feuer und Flamme. Sozusagen als Abschied von ihrer Billard-Karriere unternahm sie eine Reise in die USA, wo der Sport mehr Anklang findet. Prompt lernte sie dort eine neue Leidenschaft kennen: Sie unternahm einen Helikopterflug über den Grand Canyon. „Aber ich
habe fast nichts vom Canyon gesehen, weil ich nur zugesehen habe, was der Pilot macht.“Das passte zusammen, denn bereits als Kind wollte sie lieber mit Flugzeugen als mit Puppen spielen.
Heute darf sie Hubschrauber vom Typ Hughes 300 fliegen. „Aber das ist ein kostenintensives Hobby“, sagt sie und schickt schmunzelnd hinterher: „In München gibt man das Geld ja eher fürs Wohnen aus.“