Ende der Minutenzählerei
Mit der Pflegereform hat die Koalition ein Großprojekt abgeliefert, das vielen Betroffenen helfen soll
Der Weg zur Pflegereform war steinig und lang – mehr als zehn Jahre mühte sich die Politik, ohne dass der große Wurf gelang. Doch in der Großen Koalition packten CDUBundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach die Dinge beherzt und ohne großes Parteiengezänk an. Viele Experten bescheinigen der schließlich am 1. Januar 2017 in Kraft getretenen Reform, handwerklich sauber gemacht und zukunftsfest zu sein.
Nach mehr als 20 Jahren wurde die alte Pflegeversicherung auf neue Beine gestellt. Nun soll die berüchtigte Minutenzählerei einer Pflege nach der Devise „Hauptsache satt und sauber“der Vergangenheit angehören. Zu den knapp drei Millionen Menschen, die zuvor Leistungen aus der Pflegeversicherung bezogen, kamen nun geschätzt rund 500 000 neue Anspruchsberechtigte hinzu. Denn Menschen mit geistigen oder psychischen Einschränkungen wie etwa Demenz werden nun Patienten mit körperlichen Gebrechen gleichgestellt.
Mit Inkrafttreten der Reform wurden aus den bislang drei Pflegestufen fünf Pflegegrade gemacht. Damit soll eine deutlich differenziertere Einstufung möglich sein, die den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen besser gerecht wird. Entscheidend ist dabei, wie selbstständig jemand seinen Alltag meistern kann. Gutachter der Krankenkassen entscheiden nach einem deutlich umfangreicheren Katalog von Kriterien, wie viel Pflege ein Bedürftiger benötigt.
Die geänderte Einstufung erfolgte nach dem Prinzip, dass niemand schlechtere Leistungen erhalten darf als bisher. Pflegedienste werden außerdem stärker kontrolliert, Pflegekräfte besser bezahlt. Zudem werden für deutlich mehr pflegende Angehörige Rentenbeiträge aus der Pflegeversicherung entrichtet. Das alles kostet mehr Geld, von fünf Milliarden Euro zusätzlich im Jahr ist die Rede. Zur Finanzierung wurden die Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,2 Punkte auf 2,55 Prozent – für Kinderlose auf 2,8 Prozent – angehoben.
Die Umstellung verlief vergleichsweise reibungslos: Die Zahl der Widersprüche gegen Neueinstufungen hält sich in Grenzen. Verbraucherschützer berichten jaber, dass manche Pflegeheime und -dienste ihre Preise im Zuge der neuen Gesetze erhöht haben.
Auch nach der großen Reform fehlt im Pflegebereich weiterhin Personal, Pflegeberufe gelten noch immer als schlecht bezahlt und wenig attraktiv. Um dies zu ändern, beschloss die Koalition vor wenigen Wochen auch die Reform der Pflegeausbildung. Statt bisher separater Berufsausbildungen für Alten-, Kranken- oder Kinderkrankenpfleger soll es ab 2020 eine zweijährige allgemeine Pflegeausbildung geben. Im dritten Jahr können die angehenden Pfleger entweder die allgemeine Ausbildung fortsetzen oder sich spezialisieren. Die bisher teils üblichen Schulgelder für die Pflegeausbildung sollen entfallen.