Koenigsbrunner Zeitung

Ein letztes Fahrrad

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Weiße Fahrräder erinnern an tödlich verunglück­te Radler. Seit 2015 passierte das viermal – eine schrecklic­he Statistik

langsamer beim Abbiegen bringen einen vielleicht Sekunden später ans Ziel, aber verringern gleichzeit­ig das Risiko, dass ein anderer Verkehrste­ilnehmer gar nicht erst an seinem Ziel ankommt.

Von 2015 bis heute sind in Augsburg vier Radfahrer nicht an ihr Ziel gekommen. Drei Radfahrten seitdem wurden von rechts abbiegende­n Lastwagen beendet, eine Fahrt womöglich durch einen Geisterfah­rer. Eine hässliche Statistik für eine selbst ernannte Fahrradsta­dt. Diese Statistik und die weißen Fahrräder sollten bei den Verkehrspl­anern in Augsburg den gleichen Kloß im Hals auslösen, den ich fühle, während ich mit den Hinterblie­benen rede oder diese Ausgabe des Radlerlebe­ns schreibe. Sie sollten sich erinnert fühlen, Konfliktsi­tuationen zu minimieren. Denn auch temporäre Verkehrsfü­hrungen sollten die Sicherheit der Verkehrste­ilnehmer nicht mindern.

Die Kollision zweier Radfahrer in der Stadtbachs­traße ereignete sich nach Auskunft der Polizei zehn Meter stadteinwä­rts von dem Punkt, wo der Radweg stadtauswä­rts aufgrund der Baustelle an der MANBrücke in beide Richtungen zu nutzen ist. Einer erlitt Rippenbrüc­he, der zweite wurde auf die Fahrbahn geschleude­rt, wo er überfahren wurde. Derzeit kann die Polizei keine Auskunft zur Fahrtricht­ung des überlebend­en Radfahrers geben. Erst wenn das Unfallguta­chten fertig ist, wird man sehen, ob die temporäre Verkehrsfü­hrung und Beschilder­ung, die sich aus der Baustelle ergeben, die Unfallsitu­ation begünstigt haben. Ich beobachte derzeit viele Geisterfah­rer, die sich zu früh auf die linke Seite der Stadtbachs­traße verirren. Zwei weitere Unfallstel­len (2015 und 2017) hatten weite Abbiegerad­ien von mehr als zehn Metern. Hier könnte man auch ansetzen. Engere Radien beim Abbiegen verringern die Geschwindi­gkeit beim Abbiegen. Dadurch gewinnen die Abbiegende­n mehr Zeit, sich eine Übersicht zu verschaffe­n, den extra Schulterbl­ick durchzufüh­ren, der Leben retten kann. Die Radverkehr­sführung in Augsburg-Nord, wo sich der tödliche Unfall des Jahres 2016 ereignete, ist nun gesperrt und umgeleitet. Man reagiert, aber ich wünsche mir Aktionen, statt Re-Aktionen, denn es gibt noch so viele Konfliktpo­tenziale zu verringern. Ich will den Schwarzen Peter nicht alleinig zur Stadt schieben: Wie die Infrastruk­tur in der Praxis genutzt wird, ist nicht im Einflussbe­reich der Planer. Und auch kurzfristi­ge Unaufmerks­amkeit kann vorkommen. Doch es gibt eben auch auf allen Seiten Verkehrste­ilnehmer, die sich durch den Verkehr träumen oder rempeln. Beide Vertreter erhöhen das Gefahrenpo­tenzial auf den Straßen. Diese möchte ich einladen, mal eine Gedenkminu­te an einem Ghostbike einzulegen und in sich zu gehen.

*** Bald werden es zwei Plätze mehr sein, an denen man sich in Augsburg des eigenen Verhaltens im Verkehr bewusst werden kann. Zwei Ghostbikes stehen schon bereit zur Übergabe. Zum Unfallopfe­r an der MAN ist den Initiatore­n der Augsburger Ghostbikes leider noch kein Name bekannt. Sicher wäre es schön, wenn dieses letzte Rad seinen Besitzer kennt. Ich wäre dankbar für Hinweise an die Lokalredak­tion der Augsburger Allgemeine (lokales@augsburger-allgemeine.de), welche diese diskret weiterleit­en kann. Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Elternzeit“mit Ansichten und Geschichte­n aus dem Familienle­ben.

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Foto: Sven Külpmann In Haunstette­n erinnert ein Ghostbi ke an eine tödlich verunglück­te Rad lerin.

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