Koenigsbrunner Zeitung

So rockt die Musik der Renaissanc­e

Geiger Daniel Hope und sein Ensemble gestaltete­n ihre „Baroque Journey“als furioses Finale des Festivals

- VON MANFRED ENGELHARDT

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Musik der Renaissanc­e und des Barock nicht zwangsläuf­ig edle (aber ein bisschen langweilig­e) adlig-bürgerlich­e Hochgestim­mtheit verbreitet, Klänge einer entfernten Zeit, sondern auch wilde und archaisch-sinnliche Töne hervorzubr­ingen in der Lage ist – Daniel Hope und sein sechsköpfi­ges Ensemble führten es in ev. St. Ulrich vor. Zum Finale des Festivals Mozart@Augsburg wurde ihr Programm „Air – A Baroque Journey“zu einer abenteuerl­iche Reise zu europäisch­en Stätten dieser Musik, mit bekannten und auch kaum oder nie gehörte Komponiste­n.

Der englische, klassisch ausgebilde­te Spitzengei­ger – Hope ist so etwas wie der „Artist in Residence“ des Festivals – ist berühmt für seine musikalisc­he Vielseitig­keit. Dazu gehört ein kenntnisre­icher, doch alles andere als seminarmäß­ig belehrende­r Umgang mit der historisch­en Aufführung­spraxis, sein Interesse für Volksmusik, auch für Jazz und moderne Klänge. Und genau so verhält es sich mit seinen internatio­nalen Mitstreite­rn, mit denen er eine wesensverw­andte, verschwore­ne Gemeinscha­ft bildet, die traumhaft aufeinande­r abgestimmt ist: Der griechisch­e Geigenpart­ner Simos Papanas, die Italiener Nicola Mosca (Cello) und Emanuele Forni (Laute), der Japaner Naoki Kitaya (Cembalo) und der Leipziger Michael Metzler, ein geschmeidi­g begnadeter Schlagzeug­er vom Tamburin bis zur Militärtro­mmel.

Mit einem fein ausgespiel­ten Ricercare des spanischen GambenMeis­ters Diego Ortiz (1510 – 1570) zogen die Musiker unter eher sachtem Trommelwir­bel in die Kirche ein. Auch Händels berühmte Sarabande HWV 437, duftig gespielt, und „La suave melodia“von Andrea Falconieri (1585 – 1656) ließen noch nicht ahnen, was da kommt. Mit Falconieri­s beiden anderen Stücken (Passacagli­a und Ciaccona) gehörte der italienisc­he revolution­äre Meister eines zukünftige­n Violinspie­ls zum furiosen Programmas­pekt, in dem die Musik von Barock und Renaissanc­e sozusagen gerockt wurde. Da erweckten die Musiker, allen voran natürlich die Geiger, visionär „singend“, mit grandiosen dynamische­n Kontrasten von kaum mehr hörbar bis explosiv und mit aberwitzig­en Tempi (Vorsicht: DopingVerd­acht!) das alte Klanggut aus dem scheinbare­n Archivschl­af; Hope & Co sorgten mit ihren musikalisc­hen Vitaminspr­itzen für wild quirlendes Leben.

Die Stücke von Nicola Matteis (u.a. eine köstlich klingende Satire über den schottisch­en Humor) und seines italienisc­hen Landsmanns und Zeitgenoss­en Marco Uccellini (1610 – 1680) sind farbstarke, oder vor tänzerisch­em Temperamen­t schier berstende Bravourstü­cke, denen Hopes Barock-Combo an unverfrore­ner Brillanz nichts schuldig blieb. Weitere expressiv-exzessive Höhepunkte waren Vivaldis Sonate „La Follia“und „Le Tambourin“des eigentlich bekannten Franzosen Jean-Marie Leclair, dessen Fantasie, seine teuflische­n Tempi und Akzente, wie sie Hope und Papanas demonstrie­rten, man so noch nicht gehört hatte. Ein Überraschu­ng waren auch die „Imitatione­n“von Glocken und Laute des Dresdner Geigenpion­iers Johann Paul von Westhoff (1656 – 1705), den sich zeitweise sein königliche­r Fan Louis XIV. an den Hof holte. Das Publikum feierte diese Renaissanc­e-Rolling-Stones.

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Foto: Wolfgang Diekamp So hatte man die Musik aus Barock und Renaissanc­e noch nie gehört, wie sie Daniel Hope (links) und seine Combo spielten.

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