Koenigsbrunner Zeitung

Zum Äffchen-Kauf in die Annastraße

So mancher BH glich in den 60ern einer schusssich­eren Weste. In der Augsburger Innenstadt konnte man darüber hinaus so einiges kaufen. Ein Bummel in die Vergangenh­eit

- VON SILVANO TUIACH

Wenn Beppo Bartenschl­ager aus der Bäckergass­e, der sich als „Visionär“bereits 1960 hat einfrieren lassen, heute wieder zum Leben erweckt werden würde, hätte er große Schwierigk­eiten, die Augsburger Innenstadt wiederzuer­kennen. Der alte „Kö“mit dem legendären Pilz, beliebter Treffpunkt ganzer Schüler-Generation­en, ist verschwund­en. Mit ihm die alten Straßenbah­nen und der Zeitungski­osk im Pilz.

Der Beppo würde sich daran erinnern, dass viele Augsburger vor Weihnachte­n dem Polizisten, der auf der Westseite des Kö auf einem kleinen Sockel stand, Geschenke hinlegten. Da unser Beppo noch einen Stabmixer sucht, sagt er sich: „Da schau ich mal ins Zentralkau­fhaus, in das Kellergesc­hoss“oder „Ich gehe zu Neckermann“(heute Karstadt). Oder er geht vielleicht gleich zu Siller & Laar (damals die erste Adresse für Haushaltsg­eräte). Und wenn er auch da nicht fündig wird, zu „Merkur“. An der Bürgermeis­ter-Fischer-Straße stand vor dem „Neckermann“das alte schöne Schulgebäu­de des Stetten-Instituts. Und vis-à-vis des Osteingang­s des „Merkur“die Confiserie „Johann Becker“, die jedwede Schleckere­i in Schokolade­nform zu bieten hatte. Schokolade und viele Kuchen und Torten gab es auch im „Café Drexl“. Der Besitzer, ein Kunstfreun­d, ließ schon damals frühe Hochkaräte­r der modernen Kunst an den Wänden aufhängen.

Aber zurück zum Eingang der Annastraße, schon damals – auch wenn da noch die Autos parkten – die Einkaufsme­ile der Augsburger. Auf der linken Seite der „Western– store“, wo es die ersten Jeans gab, und schräg gegenüber „Spielwaren „Theiner, ein Dorado für die Kinder. Daneben die Modeboutiq­ue Karo, die bewies, dass Augsburgs Männer nicht nur die klassische Feinripp-Unterhose von Schiesser (Modell „Walter“– hieß wirklich so) trugen, sondern schon feine Slips, vorwiegend in Dunkelbrau­n, Marke „Eminence“. Doch der traditione­lle Augsburger Kunde besuchte eher die „Kaufhalle“. Für die Frauen gab es lachsfarbe­ne Riesen-BHs, die über die Festigkeit einer schusssich­eren Weste verfügten. Wer hier nicht fündig wurde, ging zu Woolworth, das der Augsburger aber hartnäckig „Wollworrt“aussprach.

Beim Dehner am Martin-LutherPlat­z gab es nicht nur Blumen, sondern auch eine große Tierabteil­ung mit einem heute unvorstell­baren Angebot an Kleintiere­n. Wenn mich nicht alles täuscht, hat einer meiner Schulfreun­de Ende der 60er Jahre zwei Äffchen dort gekauft! Hundert Meter weiter nördlich das altehrwürd­ige „Kröll & Nill“. Der Schaufenst­ergestalte­r hieß damals noch „Dekorateur“und die Schaufenst­er von „Kröll & Nill“zeigten, dass die „Dekorateur­e“dort richtige Künstler waren. Mitte der 60er Jahre begann sich in Augsburg Modebewuss­tsein zu entwickeln. Weg von der „Stoffhose“und den „Haferlschu­hen“. Bei „Schuh Stoll“am Ende der Annastraße gab es damals schon Schuhe aus Italien. Und „Salamander“gab es auch.

Wenn Beppo Bartenschl­ager auf der Suche nach seinem Stabmixer noch keinen Erfolg gehabt hat, geht er jetzt zu „Attinger“– aber auch der gehört schon längst der Vergangenh­eit an. Die modebewuss­te Dame, die „Bella Figura“machen wollte, kleidete sich natürlich bei „Fischer“ein. Aber auch die kurze Maxstraße und Karolinens­traße waren reich an Warenangeb­oten. Nur um einige zu nennen: „Dr. Sohn“, „Leder Spring“, „FischSchöp­pler“– und nurmehr „Schuh Beitelrock“hält sich wie ein Fels in der Brandung.

Und wenn Beppo Bartenschl­ager ein Feinschmec­ker gewesen wäre, suchte er jetzt das „Hochcafé“(ganz hoch oben an der Ecke des Perlachber­gs), denn hier gab es damals schon Schnecken und Froschsche­nkel. Aber Benno war eher ein Freund von Schaschlik und Schnitzel. Ja unser Beppo, ginge er nach fast 60 Jahren wieder durch die Innenstadt, wäre er irritiert, dass er so wenig Augschburg­er auf der Straße sieht und so wenig Augschburg­erisch hört. Da hört man jetzt Beppo vor sich hin murmeln: „Das ist ja das reinste babylonisc­he Sprachenge­wirr, vielleicht hätte ich mich doch nicht auftauen lassen sollen.“

ODer Autor Silvano Tuiach ist Jahrgang 1950. Er wuchs in Augsburg und Steppach auf, heute lebt er in Neusäß. Der Kabarettis­t ist auch als Herr Ranz mayr bekannt, einem „Augschburg­er“in Reinform. Regelmä ßig ist er auch bei Hitradio rt1 zu hören. Ranzmayrs Fangemeind­e dort ist groß.

 ?? Foto: Sammlung Häußler ?? Diese alte Postkarte zeigt den Königsplat­z um 1960. Der „Pilz“, ein Kiosk, war einst Treffpunkt für ganze Schüler Generation­en, erinnert sich Autor Silvano Tuiach.
Foto: Sammlung Häußler Diese alte Postkarte zeigt den Königsplat­z um 1960. Der „Pilz“, ein Kiosk, war einst Treffpunkt für ganze Schüler Generation­en, erinnert sich Autor Silvano Tuiach.
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