Zum Äffchen-Kauf in die Annastraße
So mancher BH glich in den 60ern einer schusssicheren Weste. In der Augsburger Innenstadt konnte man darüber hinaus so einiges kaufen. Ein Bummel in die Vergangenheit
Wenn Beppo Bartenschlager aus der Bäckergasse, der sich als „Visionär“bereits 1960 hat einfrieren lassen, heute wieder zum Leben erweckt werden würde, hätte er große Schwierigkeiten, die Augsburger Innenstadt wiederzuerkennen. Der alte „Kö“mit dem legendären Pilz, beliebter Treffpunkt ganzer Schüler-Generationen, ist verschwunden. Mit ihm die alten Straßenbahnen und der Zeitungskiosk im Pilz.
Der Beppo würde sich daran erinnern, dass viele Augsburger vor Weihnachten dem Polizisten, der auf der Westseite des Kö auf einem kleinen Sockel stand, Geschenke hinlegten. Da unser Beppo noch einen Stabmixer sucht, sagt er sich: „Da schau ich mal ins Zentralkaufhaus, in das Kellergeschoss“oder „Ich gehe zu Neckermann“(heute Karstadt). Oder er geht vielleicht gleich zu Siller & Laar (damals die erste Adresse für Haushaltsgeräte). Und wenn er auch da nicht fündig wird, zu „Merkur“. An der Bürgermeister-Fischer-Straße stand vor dem „Neckermann“das alte schöne Schulgebäude des Stetten-Instituts. Und vis-à-vis des Osteingangs des „Merkur“die Confiserie „Johann Becker“, die jedwede Schleckerei in Schokoladenform zu bieten hatte. Schokolade und viele Kuchen und Torten gab es auch im „Café Drexl“. Der Besitzer, ein Kunstfreund, ließ schon damals frühe Hochkaräter der modernen Kunst an den Wänden aufhängen.
Aber zurück zum Eingang der Annastraße, schon damals – auch wenn da noch die Autos parkten – die Einkaufsmeile der Augsburger. Auf der linken Seite der „Western– store“, wo es die ersten Jeans gab, und schräg gegenüber „Spielwaren „Theiner, ein Dorado für die Kinder. Daneben die Modeboutique Karo, die bewies, dass Augsburgs Männer nicht nur die klassische Feinripp-Unterhose von Schiesser (Modell „Walter“– hieß wirklich so) trugen, sondern schon feine Slips, vorwiegend in Dunkelbraun, Marke „Eminence“. Doch der traditionelle Augsburger Kunde besuchte eher die „Kaufhalle“. Für die Frauen gab es lachsfarbene Riesen-BHs, die über die Festigkeit einer schusssicheren Weste verfügten. Wer hier nicht fündig wurde, ging zu Woolworth, das der Augsburger aber hartnäckig „Wollworrt“aussprach.
Beim Dehner am Martin-LutherPlatz gab es nicht nur Blumen, sondern auch eine große Tierabteilung mit einem heute unvorstellbaren Angebot an Kleintieren. Wenn mich nicht alles täuscht, hat einer meiner Schulfreunde Ende der 60er Jahre zwei Äffchen dort gekauft! Hundert Meter weiter nördlich das altehrwürdige „Kröll & Nill“. Der Schaufenstergestalter hieß damals noch „Dekorateur“und die Schaufenster von „Kröll & Nill“zeigten, dass die „Dekorateure“dort richtige Künstler waren. Mitte der 60er Jahre begann sich in Augsburg Modebewusstsein zu entwickeln. Weg von der „Stoffhose“und den „Haferlschuhen“. Bei „Schuh Stoll“am Ende der Annastraße gab es damals schon Schuhe aus Italien. Und „Salamander“gab es auch.
Wenn Beppo Bartenschlager auf der Suche nach seinem Stabmixer noch keinen Erfolg gehabt hat, geht er jetzt zu „Attinger“– aber auch der gehört schon längst der Vergangenheit an. Die modebewusste Dame, die „Bella Figura“machen wollte, kleidete sich natürlich bei „Fischer“ein. Aber auch die kurze Maxstraße und Karolinenstraße waren reich an Warenangeboten. Nur um einige zu nennen: „Dr. Sohn“, „Leder Spring“, „FischSchöppler“– und nurmehr „Schuh Beitelrock“hält sich wie ein Fels in der Brandung.
Und wenn Beppo Bartenschlager ein Feinschmecker gewesen wäre, suchte er jetzt das „Hochcafé“(ganz hoch oben an der Ecke des Perlachbergs), denn hier gab es damals schon Schnecken und Froschschenkel. Aber Benno war eher ein Freund von Schaschlik und Schnitzel. Ja unser Beppo, ginge er nach fast 60 Jahren wieder durch die Innenstadt, wäre er irritiert, dass er so wenig Augschburger auf der Straße sieht und so wenig Augschburgerisch hört. Da hört man jetzt Beppo vor sich hin murmeln: „Das ist ja das reinste babylonische Sprachengewirr, vielleicht hätte ich mich doch nicht auftauen lassen sollen.“
ODer Autor Silvano Tuiach ist Jahrgang 1950. Er wuchs in Augsburg und Steppach auf, heute lebt er in Neusäß. Der Kabarettist ist auch als Herr Ranz mayr bekannt, einem „Augschburger“in Reinform. Regelmä ßig ist er auch bei Hitradio rt1 zu hören. Ranzmayrs Fangemeinde dort ist groß.