Ein Paradebeispiel für Tradition
Der Landgasthof Zum grünen Kranz in Großaitingen ist seit 150 Jahren im Besitz der Familie Weis. Bewährtes bewahren, aber für Neues offen sein, lautet das Erfolgsrezept. Mit einem Nachfolger wird es trotzdem schwer / Serie (6)
Großaitingen Tradition ist für Bernhard Weis wichtig. Der Landgasthof Zum grünen Kranz in Großaitingen sei aber trotz seiner Historie immer eine Stätte der Veränderung gewesen, meint der Inhaber. Deshalb gelte es, Tradition zu bewahren und Werte zu erhalten. Er wolle im gastronomischen Bereich eine Symbiose aus Tradition und modernem Zeitgeist herstellen, sagt Weis. Dazu gehöre es, Klassiker wie schwäbischen Zwiebelrostbraten, Schnitzel oder hausgemachte Kartoffelrösti anzubieten, aber auch ausgefallenere Gerichte zu servieren.
Der Grüne Kranz ist ein Paradebeispiel für Tradition. Er zählt zu den ältesten Gebäuden des Ortes. Die Giebelinschrift des stattlichen zweigeschossigen Satteldachhauses weist auf das Erbauungsjahr 1660 hin. Zu jener Zeit wird die brandenburgische Souveränität Preußens bestätigt. In Frankreich heiratet König Ludwig XIV. die spanische Infantin Maria Theresia. Die Toilette mit Wasserspülung setzt ihren Siegeszug von Frankreich aus fort. Es ist das Geburtsjahr von „Robinson Crusoe“-Autor Daniel Defoe.
Seit 1867 prägt die Familie Weis den Gasthof. Damals erwarb Aloys Weis aus Schwabmünchen das Anwesen. Er zahlte 13850 Gulden. Seitdem ist das Haus in Familienbesitz. „Zur damaligen Brauerei gehörten auch die großen dreigeschossigen Lagerkeller in der Frühlingstraße“, sagt der heutige Inhaber. Seitdem hat sich viel getan. In den vergangenen fünf Jahrzehnten wurde der Gasthof mehrfach umgebaut, saniert und neu gestaltet. Im Februar 2010 übernahm Bernhard Weis die Leitung von seinem Bruder. Oftmals genüge ein Blick auf Vergangenes, um wichtige Erkenntnisse zu gewinnen, resümiert der jetzige Wirt. Im Klartext: Wichtig sei, das zu bewahren, was sich bewährt hat.
Bernhard Weis kennt die Gastroszene von der Pike auf, ist mit und in der Gastronomie aufgewachsen. Er ist gelernter Restaurantfachmann und Barkeeper. „Gerade bei unserem traditionsreichen Unternehmen ist es wichtig, sich immer wieder neu zu erfinden“, sagt er. Früher sei der Grüne Kranz eines der ersten Restaurants in Süddeutschland mit Induktionsherden gewesen.
Dieser Spagat zwischen Tradition und Umsetzung neuer Ideen sei einer der Erfolgsfaktoren des Gasthofs. „Hinzu kommen die persönliche Betreuung der Gäste, die langjährige gastronomische Erfahrung, das ansprechende Preis-LeistungsVerhältnis und die ausreichende Kapazität für Familien-, Firmen- und Weihnachtsfeiern“, sagt Weis. Gern besucht werde auch der Biergarten unter den fünf alten Kastanienbäumen. Dieses Rundumangebot ziehe Gäste vor allem aus Augsburg und der Region, aber auch aus Landsberg, Bad Wörishofen und vom Ammersee an, erzählt Weis.
Der Landgasthof ist zudem eine beliebte Anlaufstelle für Radfahrer, die an der Wertach unterwegs sind, und für Biker. Für Erstere hat er eine eigene „E-Bike-Tankstelle“eingerichtet. „Unsere Berufssparte lebt von Ideen und qualitativ Hochwertigem“, sagt er. „Produkte aus der Tiefkühlkost oder der Tüte haben bei uns nichts verloren.“Sehr wohl aber Auszeichnungen. 2014 hat der Landgasthof den ersten Platz beim „Gastronomiepreis Bayern“erhalten sowie den renommierten Gastro-Diamant Europa für Servicequalität und Gastfreundschaft.
Ob der Nachwuchs von Bernhard Weis eines Tages den Traditionsbetrieb fortführt? Der Wirt winkt ab. „In der Gastronomie gehören Arbeitszeiten von zwölf Stunden zum Alltag.“Freie Wochenenden sind Mangelware. Hinzu komme die Schwierigkeit, Fachkräfte zu finden. Nach einer Pause meint er: „Die Familientradition deutscher Gasthöfe stirbt langsam.“Der Grüne Kranz werde zwar als Restaurant weiterleben, aber irgendwann wohl unter indischer oder italienischer Flagge. Nach einer kurzen Pause ergänzt er: „Da bin ich zu sehr Realist.“