Gegner wollen „Wahnsinns Trasse“ausbremsen
Anlässlich der Bundestagswahl informiert das Aktionsbündnis darüber, wie die Parteien das umstrittene Verkehrsprojekt beurteilen. Ein Experte erklärt Hintergründe und gibt Tipps für das weitere Verfahren
Mering/Königsbrunn Die Augsburger Osttangente ist das größte und umstrittenste Verkehrsprojekt der Region. Zur Bundestagswahl stellte deswegen das Aktionsbündnis Keine Osttangente (A–KO) die Positionen der Parteien zu dem Verkehrsprojekt vor. Referent Werner Reh, verkehrspolitischer Sprecher des Bundes Naturschutz (BUND), zeigte auf, wie die Bürger noch Möglichkeiten haben, Einfluss zu nehmen.
Große Hoffnung setzt das Aktionsbündnis auf das Raumordnungsverfahren. Eine Gesetzesänderung vom Mai dieses Jahres sehen die Straßenbaugegner als Ansatzpunkt, um die autobahnähnliche Trasse doch noch zu verhindern. Diese Chance zu nutzen, riet Referent Werner Reh bei einer Infoveranstaltung in Mering vor 90 Zuhörern. Er erklärte, dass im Gesetz eine Öffentlichkeitsbeteiligung im Raumordnungsverfahren zwingend vorgeschrieben sei. Am wirkungsvollsten ist es seiner Einschätzung nach, Alternativvorschläge einzubringen.
Denn entscheidend sei in der neuen Gesetzesfassung die Formulierung, dass auch „ernsthaft in Betracht kommende Standort- und Trassenalternativen“geprüft werden müssen. Reh deutet diese Passage so, dass auch Alternativvorschläge von Bürgern genau untersucht werden müssen. „Und wenn sie das nicht machen, ist das ein Ansatzpunkt zu klagen.“
Eine Zuhörerin wollte wissen, ob eine Alternative auch sein könnte, gar nicht zu bauen. Reh sagte, diese Nulllösung müsse das Straßenbauamt ohnehin prüfen. Er riet den Gegnern jedoch zu einer anderen Strategie. Angesichts der Verkehrsbelastung der Anwohner in Friedberg und Kissing könnte es sinnvoll sein, kleine Ortsumgehungen vorzuschlagen, die nicht so viel Verkehr anziehen wie die große Osttangente als Transitstrecke. „Wenn das nicht geprüft wird, hat man einen ganz guten Klagegrund. Das landet am Ende beim Europäischen Gerichtshof. Und davor haben die Verantwortlichen Angst.“
Laut Christoph Eichstaedt vom Staatlichen Bauamt wird das Raumordnungsverfahren frühestens 2019 beginnen. Die Gesetzesneuerung spielt für ihn kaum eine Rolle. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung sei ohnehin vorgesehen und eine Prüfung verschiedener Trassenvarianten Pflicht. „Die Trasse, die überall diskutiert wird, ist erst mal eine Idee“, sagt Eichstaedt. Und auch, wenn direkt aus der Bevölkerung Vorschläge möglich sind: „Grundlegend unterschiedliche Varianten gibt es nicht viele mögliche“, sagte er. Gerade wenn man Einzelumfahrungen von Friedberg und Kissing fordere und dazu eine Stärkung von Chippenham-Ring und AIC 25 nehme – „dann ist das kein so großer Unterschied mehr zu dem, was wir jetzt in unserem Vorschlag haben“, sagt Eichstaedt.
Wie berichtet, soll die autobahnähnlich ausgebaute Osttangente die A8 bei Derching mit der B17 bei Königsbrunn verbinden. Das Projekt ist im Bundesverkehrswegeplan enthalten, der im Dezember vergangenen Jahres beschlossen wurde. Dagegen kämpft das Aktionsbündnis. Zu diesem zählen laut Sprecher Wolfhard von Thienen über die Mitgliedsvereine und -organisationen rund 20 000 bis 40 000 Menschen.
Werner Reh kritisierte in seinem Vortrag die Politik von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Zu dessen größten Sünden zählt er, wie sich der aktuelle Bundesverkehrswegeplan entwickelt hat. „Die Ziele waren sehr gut“, betont Reh. Nachzulesen seien hier die Reduktion von Klimagasen und Schadstoffen sowie der Schutz von Natur und Landschaft.
Für die Aufnahme der Straßenbauprojekte sei aber tatsächlich in 90 Prozent der Fälle allein der Zeitgewinn für die Autofahrer ausschlaggebend gewesen. Weiter kritisierte Reh, dass der Bundesverkehrswegeplan nicht berücksichtige, wie sich die Mobilität verändern werde.
Auch die Erkenntnisse aus dem Dieselskandal ändern nach Ansicht Rehs die Ausgangslage für die Osttangente. Denn dadurch müssten deutlich höhere Abgaswerte angesetzt werden. „Eine Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte in Augsburg ist mit der Osttangente nicht darstellbar“, behauptete er.
Wolfhard von Thienen schilderte die Geschichte des Projekts Osttangente und die Arbeit des Aktionsbündnisses. 11000 Protest-Unterschriften hat dieses beim Bundesverkehrsminister übergeben. Über 10 000 Einwände wurden gegen den Bundesverkehrswegeplan erhoben. Aktuell läuft noch eine Beschwerde bei der EU-Kommission und eine beim Petitionsausschuss.
Angesichts der anstehenden Wahl versuchte der Sprecher die Parteien bezüglich der Osttangente zu verorten. Die örtlichen SPD-Bürgermeister, allen voran Manfred Wolf aus Kissing, bezeichnete er als maßgebliche Treiber. Auch im Bundesverkehrsausschuss hätte die SPD das Projekt befürwortet. Allein der örtliche SPD-Bundestagskandidat Herbert Woerlein sehe das Vorhaben kritisch. Bei der CSU habe es vor Ort starke Widerstände gegeben. Den Bundestagsabgeordneten Hansjörg Durz und Landtagsabgeordneten Peter Tomaschko bezeichnete von Thienen als Drahtzieher für die Osttangente. Klar gegen das Großprojekt seien Grüne, ÖDP und Linke. Die FDP habe sich dagegen deutlich „pro Osttangente“positioniert.
Von Thienen ist jedoch der Überzeugung, dass die Osttangente nicht die gewünschte Entlastung bringe. Als vor Kurzem die B2 zwischen Schwabhof und Kissing gesperrt war, führte er deswegen im Ort mit dem Bündnis eine Zählung durch. Demnach hatte der Verkehr von den sonst über 20000 Fahrzeugen um rund die Hälfte abgenommen. Der Rest ist Ziel- und Quellverkehr, der wohl beim Bau einer Osttangente bleiben würde. Diese ziehe dagegen zusätzlichen Verkehr an.
Für ihn ist die Osttangente entscheidend dafür, wie sich die Region entwickelt: „Wird sie eingequetscht zwischen München und Augsburg und einer großen Trasse, die von Gewerbegebieten gesäumt wird – oder bleibt es eine lebenswerte Gegend, in die die Menschen ziehen wollen?“, fasste er zusammen.
„Wird sie eingequetscht zwischen München und Augsburg und einer großen Trasse, die von Gewerbegebieten gesäumt wird – oder bleibt es eine lebenswerte Gegend, in die die Menschen ziehen wollen?“
Wolfhard von Thienen