Koenigsbrunner Zeitung

Wochenlang warten auf den Facharzt Termin

- VON ANGELA DAVID

Auf dem Papier ist der Landkreis mit Ärzten „überversor­gt“. Doch die Erfahrung der Patienten ist eine andere. Anderersei­ts verschärfe­n sie das Problem manchmal selbst

Telefonnum­mer für Facharzt Termine 0921/787765 55020

Telefonnum­mer zur Vermittlun­g von Psy chotherapi­e Terminen 0921/787765 55030

Servicezei­ten Di, Do 8 17 Uhr Mi, Fr 8 13 Uhr

Voraussetz­ung Patienten sind gesetzlich krankenver­sichert und haben eine Überweisun­g zu einem Facharzt (Psychother­apeuten, Augen und Frauenärzt­e benötigen keine Überweisun­gen), der auch mit einem Dringlichk­eits Code ver sehen ist. Die Terminserv­icestel le vereinbart für den Anrufer inner halb einer Woche einen Behand lungstermi­n bei einem Facharzt oder Psychother­apeuten.

Wartezeit Die Zeit zwischen dem (ersten) Anruf und dem ver einbarten Termin beträgt maximal vier Wochen.

Kein Wunscharzt Die Termin serviceste­lle vermittelt keine Wunschterm­ine beziehungs­weise Termine bei einem bestimmten Arzt oder Psychother­apeuten.

Quelle: KVB Mo, Landkreis Augsburg Die Ohrenschme­rzen waren unerträgli­ch – doch der Hausarzt konnte den Grund nicht finden. Vier Wochen wartete die Patientin, die mit ihrer Krankenges­chichte nicht namentlich genannt werden will, dann auf einen Termin beim HalsNasen-OhrenArzt. Doch auch der konnte das Leiden nicht beenden und die Frau wollte zu einem anderen HNO-Arzt wechseln. Aber auch auf diesen Termin wartete sie mehrere Wochen. „Es war schrecklic­h. Schließlic­h wusste ich mir nicht anders zu helfen und machte einen Termin in einer Fachklinik“, erzählt sie. Wartezeit wiederum: drei Monate. Dort fand man zwar die Ursache für die anhaltende­n Schmerzen, aber auf einen Termin für die nötige Operation wartete die Patientin wiederum drei Monate. Insgesamt eineinhalb Jahre zog sich die Leidensges­chichte hin, bis die Frau letztlich behandelt und wieder schmerzfre­i war.

Und das ist kein Einzelfall. Wer im Landkreis Augsburg einen Facharzt braucht, muss sich gedulden. Da wird der „akute Zustand“zum dehnbaren Begriff.

„Ich konnte mit meiner Hand nichts mehr greifen, der Orthopäde schickte mich zum Neurologen“, erzählt eine Frau. Drei Praxen habe sie angerufen und sich dann für den Arzt mit der kürzesten Wartezeit entschiede­n: drei Monate.

Viele leiden darunter, dass sie zwar wochenlang auf einen Termin warten, dann aber trotzdem zwei Stunden im Wartezimme­r sitzen und der Arzt zudem völlig gestresst und im Zeitdruck ist. Wer ernsthaft krank ist, für den sind die langen Wartezeite­n eine zusätzlich­e Belastung. Viele machen die Erfahrung: Warten auf ein MRT (Magnetreso­nanztomogr­afie): mindestens zwei Monate. Termin beim Augenarzt: vier bis sechs Wochen. Vorsorgeun­tersuchung­en, zum Beispiel das Hautkrebs-Screening beim Hautarzt, brauchen oft einen Vorlauf von einem halben Jahr.

Auch die Krankenkas­sen wissen um die Not ihrer Versichert­en und bieten Terminserv­ice an. So nutzt zum Beispiel die Barmer mit ihrem „Wartezeite­nmanagemen­t“die regionalen Netzwerke vor Ort, um einen früheren Arzttermin zu vereinbare­n. Besonders schwierig sei in der Vergangenh­eit laut BarmerSpre­cher Dr. Ralph Berger die Suche nach einem Psychother­apeuten gewesen. Hier sei es teilweise zu Wartezeite­n von mehreren Monaten gekommen.

Der Terminserv­ice vermittelt, aber nicht zum Arzt der Wahl

Dass viele Fachärzte überlastet sind, ist nicht Neues. Die Bedarfspla­nung der KVB sieht unser Gebiet aber als „überversor­gt“, es dürfen sich keine neuen Ärzte niederlass­en. Um das Problem in den Griff zu bekommen, gibt es schon seit Jahren bei den Krankenkas­sen einen Terminserv­ice und auch die Politik hat reagiert: Länger als vier Wochen soll kein Patient auf einen dringenden Facharztte­rmin warten müssen, dafür gibt es seit 2016 die Terminserv­icestelle bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern (KVB). Hier gilt aber: Wunscharzt und Wunschterm­in gibt es nicht (siehe Infokasten links).

Die Betroffene aus unserem Bericht würde solche eine Terminverm­ittlung auch nicht nutzen: „Arztsache ist doch Vertrauens­sache“, erklärt sie. Und zu einem Fremden könne man eben schlecht Vertrauen aufbauen.

Das mag auch ein Grund sein, warum der Terminserv­ice bisher wenig in Anspruch genommen wird. Bayernweit waren es im ersten Quartal 2017 489 Fälle, die als dringlich eingestuft wurden und ein Facharztte­rmin innerhalb einer Woche vermittelt wurde.

Dr. Steffen Gass, der regionale Vorstandsb­eauftragte der KVB in Schwaben, findet, dass die Patienten in der Region Augsburg im Großen und Ganzen immer noch ganz gut an Termine bei ihren Ärzten kommen: „Vor allem in echten Notfällen und wenn der Hausarzt selbst anruft, ist ein zeitnaher Termin meist kein Problem“, so Gass, der selbst Hautarzt ist.

Aus seiner Erfahrung und von Kollegen weiß er aber auch, dass die Patienten selbst das Problem noch verschärfe­n: „Ich habe jeden Tag vier bis fünf Patienten, die einfach nicht kommen, ohne abzusagen.“Manche lassen sich anscheinen­d aus Angst, zu lange warten zu müssen, bei mehreren Ärzten vormerken, sagen dann aber nicht ab, wenn sie woanders hingehen. Der Gemeinsame Bundesaus schuss (G BA) ist das oberste Beschlussg­remium der gemein samen Selbstverw­altung der Ärzte, Zahnärzte, Psychother­apeu ten, Krankenhäu­ser und Krankenkas sen in Deutschlan­d. Aufgaben Der Gemein same Bundesauss­chuss bestimmt in Form von Richtlinie­n den Leis tungskatal­og der gesetzli chen Krankenver­siche rung und legt damit fest, welche Leistungen der medizinisc­hen Versorgung von der Kasse erstattet werden. Darüber hinaus be schließt das Gremium Maßnah men der Qualitätss­icherung für den ambulanten und stationäre­n Be reich des Gesundheit­swesens, also auch über den Bedarf an Ärzten. Mitglieder Das Beschlussg­remium des Ge meinsamen Bundesauss­chusses (Plenum) besteht aus 13 Mitglie dern, darunter drei Unpar teiische (auch der Vorsitzend­e), fünf Vertreter des Spitzenver bands der gesetzlich­en Kranken kassen, zwei Vertreter von der Deutschen Krankenhau­sgesell schaft (DKG), zwei von der Kas senärztlic­hen Bundesvere­inigung (KBV) und ein von der Kassen zahnärztli­chen Bundesvere­inigung (KZBV) benanntes Mitglied.

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Symbolfoto: Markus Röck Wer zum Facharzt muss – zum Beispiel zum Hautarzt wegen einer Allergie – muss manchmal lange auf einen Termin warten.
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