Koenigsbrunner Zeitung

Das Geld ist weg, vom Gewinn fehlt jede Spur

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Ein Rentner wird um 12 000 Euro erleichter­t, weil er „Herrn Fischer“traut. Der hat einen Helfer vor Ort

Landkreis Augsburg Die Männerstim­me am anderen Ende der Leitung klang vertrauens­voll. Und überzeugen­d. Deshalb ließ sich ein 73-jähriger Rentner auf das ungewöhnli­che Geschäft ein: Über einen Transferdi­enst im Landkreis überwies er mehrmals Geld in die Türkei. Insgesamt rund 12 000 Euro zahlte der Rentner ein. Doch vom erhofften Gewinn gab es keinen einzigen Cent zurück. „Herr Fischer“hatte den 73-Jährigen über den Tisch gezogen. Dabei geholfen hatte ein 50-Jähriger, der jetzt vor Gericht stand.

Der Mann hatte die Geldtransf­ers abgewickel­t. Dafür benutzte er die Namen von Kunden, die ihre Ausweise im Laden vergessen hatten. Im Gegenzug erhielt er von dem Unbekannte­n eine Provision, die sich im Rahmen von 100 bis 200 Euro pro Überweisun­g bewegte.

Wer „Herr Fischer“ist, konnte der Angeklagte nicht sagen. Er sei von dem Mann zunächst um einen Gefallen gebeten worden. Er sollte Geld für ein Flugticket überweisen. Aus der Hilfe sei dann „Telefonter­ror“geworden. Der Unbekannte habe ihn unter Druck gesetzt, sagte der 50-Jährige vor Gericht. Am Ende wurden daraus die besonderen Aufträge: „Herr Fischer“rief auf dem Handy an und teilte mit, wann der 73-jährige Rentner zur nächsten Geldüberwe­isung kommen würde. Er kam tatsächlic­h. Fünfmal im Landkreis Augsburg und einmal im Landkreis Ulm zahlte der Senior Geldbeträg­e zwischen 900 und 4000 Euro ein. Weil die Überweisun­gen nicht mehr über seinen Namen laufen konnten – der Transferdi­enstleiste­r hatte ihn gesperrt –, mussten die falschen Auftraggeb­er her. Das war der Einsatz für den Angeklagte­n, der vergessene Ausweise von Kunden aufbewahrt hatte.

Der 50-Jährige unterschri­eb die Transfers auch mit den falschen Namen, wie er vor Gericht gestand. Dann machte er ein Bild von der Überweisun­g und schickte sie mit einem Internetdi­enst an „Herrn Fischer“. Der hatte damit sofort den Namen und den Code, um das Geld in der Türkei abzuheben.

Einmal hatte der 50-jährige Angeklagte den Rentner gefragt, ob er überhaupt wisse, wohin das Geld fließe. Der habe ihm dann zu verstehen gegeben, dass alles seine Richtigkei­t habe. Ein Licht ging ihm aber erst nach der sechsten Überweisun­g auf.

Eigentlich hätte er schon viel früher darauf kommen müssen, hielt ihm Rechtsanwa­lt Wolfgang Polster vor: Der 73-Jährige war bereits mehrfach betrogen worden. Einmal soll es um 200000 Euro gegangen sein. „Heute frage ich mich selbst: Wie konnte das nur passieren? Aber er konnte einen so gut um den Finger wickeln“, sagte der Rentner.

„Herr Fischer“gab sich am Telefon zunächst in perfektem Deutsch als Rechtsanwa­lt aus München aus. Er versprach dem Rentner einen Gewinn in Höhe von rund 50000 Euro. Dann gab er vor, Kriminalbe­amter zu sein. Er habe 37 Millionen Euro gesammelt – das Geld stamme von Menschen, die in der Türkei betrogen worden seien. Um es nach Deutschlan­d zu bringen, müsse „Fischer“durch den Zoll.

Doch das kostet: Für die Formalität­en seien Gebühren fällig. Wenn sich der Rentner daran beteilige, dann würde sich das für ihn auszahlen. Von 186000 Euro sei die Rede gewesen und sogar vom doppelten Betrag, wenn der 73-Jährige noch ein letztes Mal Geld transferie­re. Verteidige­r Wolfgang Polster hielt ihm vor, dass man „diese Story einfach nicht glauben kann“. Diese Gewinnvers­prechungen seien „reine Zockerei“.

Richterin Martina Triebel sah es anders. Sie verurteilt­e den angeklagte­n 50-Jährigen wegen Beihilfe zum Betrug zu einer Freiheitss­trafe von Drei Worte, die jeden die Ohren spitzen lassen: „Sie haben gewonnen!“Die Nachricht – egal ob per Telefon, E Mail oder Post – birgt Gefahren. Denn dabei kann das Gewinnvers­prechen sich immer auch als Betrugsmas­che entpuppen. Das sind bekannte Muster, nach denen Kriminelle vorgehen:

Der Anwalt Unbekannte rufen im Auftrag von Anwälten und Notaren an und hinterlass­en eine Rückrufnum mer für die weitere Gewinnabwi­ck lung. Melden sich die vermeintli­chen Gewinner, dann werden sie dazu aufgeforde­rt, angeblich angefallen­e Kosten zu zahlen, bevor sie den Ge winn entgegenne­hmen können. Das können Rechtsanwa­lts , Notar , Be arbeitungs oder Zollgebühr­en, Transport oder Versicheru­ngskosten sein.

Facebook Sie wirken echt, sind es aber nicht: Fanseiten auf Facebook. Sie erwecken den Anschein, von be kannten Marken zu stammen. Wie acht Monaten – ausgesetzt zur Bewährung. Die Betrüger seien sehr geschickt, sagte die Richterin. Sie würden die Ansatzpunk­te herausfind­en, damit ihre Masche funktionie­rt.

„Heute frage ich mich selbst: ,Wie konnte das nur passie ren?‘ Aber er konnte einen so gut um den Finger wickeln.“

Das 73 jährige Opfer So zocken Betrüger gerne ab

so oft geht es um einen Gewinn, der aber nur mit einer Bearbeitun­gsge bühr überwiesen wird.

Die große Gala Der Brief klingt gut: Wer den großen Gewinn einsa cken will, muss sich zu einer Veranstal tung anmelden, wo das Geld ausge zahlt wird. Doch die große Gala ent puppt sich dann oft als Verkaufsve­r anstaltung, auf der minderwert­ige Ware zu überhöhten Preisen ange boten wird.

Die Telefonsch­leife Angebliche Gewinnspie­lbetreiber verschicke­n amtlich wirkende Briefe, in denen die Empfänger dazu aufgeforde­rt wer den, eine bestimmte Telefonnum­mer zu wählen. Oder sie werden von einem Anrufer dazu aufgeforde­rt, eine bestimmte Ziffer oder Ziffernfol­ge zu drücken. Was folgt, ist eine lange War teschleife oder jemand, der in ein langes Gespräch verwickelt. Am Ende gibt es nur einen Gewinner: den „Gewinnspie­lbetreiber“, der an den Telefongeb­ühren verdient. (mcz)

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